# taz.de -- Nabu gegen Landeshauptstadt: Noch Schonfrist für die Feldlerche | |
> Verwaltungsgericht stoppt Stadt Schwerin: Die hätte der Bebauung eines | |
> Gewerbegebiets auch seltene Bodenbrüter über die Klinge flattern lassen | |
Bild: Die Lerche hat dank Verwaltungsgericht und Nabu in Schwerin noch eine Sch… | |
HAMBURG taz |Der Nabu Mecklenburg-Vorpommern hat sich gegen die | |
Landeshauptstadt Schwerin durchgesetzt. Vor dem Verwaltungsgericht erwirkte | |
der Naturschutzbund einen Baustopp im „Industriepark SchwerinGöhrener | |
Tannen“. Dort muss die Stadt mit der Räumung von Munitionsresten warten, | |
bis die Brutzeit vorbei ist, mindestens jedoch bis Ende Juli. Die Stadt hat | |
dagegen beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegt. | |
Die Stadt möchte auf einer zehn Hektar großen Teilfläche des Industrieparks | |
das Schweizer Medizintechnikunternehmen Ypsomed ansiedeln. Der Nabu | |
opponiert dagegen nicht grundsätzlich. Er weist aber darauf hin, dass auf | |
dem Grundstück mehr als 40 Paare seltener Bodenbrüter ihre Nester gebaut | |
haben. Darunter stehen nach Nabu-Angaben acht auf der roten Liste der | |
gefährdeten Arten Mecklenburg-Vorpommerns – darunter die Feldlerche, das | |
Braun- und das Schwarzkehlchen. | |
Die Stadt hatte vorige Woche damit begonnen, nach Munitionsresten auf dem | |
Gelände zu suchen. Dabei werde der Oberboden großflächig entfernt und | |
durchsiebt, schreibt der Nabu. „Es ist klar, dass dabei Nester, Gelege und | |
Jungvögel der gesetzlich geschützten Bodenbrüter grausam vernichtet | |
werden“, kritisiert Nabu-Landesgeschäftsführerin Rica Münchberger. | |
Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) habe auf entsprechende Hinweise | |
nicht reagiert. „Leider dauern die Arbeiten an, was einem Skandal | |
gleichkommt“, sagt Münchberger. | |
Nach Darstellung des Nabu hat die Untere Naturschutzbehörde die | |
Munitionsräumung nur unter Auflagen erlaubt: Die Arbeiten mussten entweder | |
vor der Brutzeit beendet oder die Vögel vergrämt, also von vornherein vom | |
Brüten abgehalten werden. Letzteres habe die Wirtschaftsförderung versäumt, | |
weil sich die Räumung verzögerte, und daher eine weitere | |
Ausnahmegenehmigung beantragt. Wirtschaftsdezernent Bernd Nottebaum habe | |
diese gegen den Rat der Unteren Naturschutzbehörde durchgedrückt. | |
„Im Bundesnaturschutzgesetz sind Ausnahmen aus zwingenden Gründen des | |
öffentlichen Interesses zulässig“, teilt Nottebaum mit. „Es muss unter | |
Betrachtung des Artenschutzes möglich sein, in einem rechtskräftig | |
ausgewiesenen Industriegebiet eine Abwägung zugunsten eines weiteren | |
Bauablaufs für eine sehr wichtige Wirtschaftsansiedlung zu treffen.“ Der | |
Wirtschaftsdezernent wies darauf hin, dass nur auf fünf Prozent der offenen | |
Flächen geräumt werde. „Auf 190 Hektar können die Vögel weiter ungestört | |
brüten“, sagt Nottebaum. „Warum diese Argumente der Stadt nicht vor Gericht | |
gehört wurden, ist unverständlich.“ Die Stadt habe viel getan, um die Vögel | |
zu vergrämen. Seit September habe sie 80.000 Euro für den Schutz von | |
Zauneidechsen, Kreuzkröten und Vögel ausgegeben. Und im Übrigen schaffe die | |
Stadt für diese Arten eine 17 Hektar große Ausgleichsfläche. | |
Im Gegenzug gewinne Schwerin mit der schweizerischen Ypsomed eine Firma, | |
die 200 qualifizierte Arbeitsplätze schaffen und in den kommenden sechs | |
Jahren 50 Millionen Euro investieren wolle. Ab dem 1. Januar 2019, so der | |
Plan, soll Ypsomed im Industriepark Injektionsstifte für Diabetiker | |
herstellen. | |
Nach Ansicht des Nabu hat sich Nottebaum ohne Not über das Artenschutzrecht | |
hinweggesetzt, denn die Arbeiten müssten ja nur wenige Tage bis Wochen | |
ausgesetzt werden. „Dieser kurze Zeitraum rechtfertigt nicht das Töten | |
einer erheblichen Anzahl geschützter Vögel.“ Für diese geringfügige | |
Verzögerung durften „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen | |
Interesses“ nicht ins Feld geführt werden. „Die Munitionsberäumung hätte | |
längst stattfinden können“, findet Nabu-Geschäftsführerin Münchberger. �… | |
kommt es auf ein paar Tage mehr auch nicht an.“ | |
Nottebaum teilte nicht mit, warum die Stadt nicht zwei oder vier Wochen | |
warten kann. Eine Nachfrage war am Dienstag nicht möglich. | |
19 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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