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# taz.de -- Drehbuchautor über Jörg Fausers Roman: „Ich hätte ihn damals n…
> Jörg Fausers Roman „Rohstoff“ kommt ins Kino. Das Buch sei eine
> Abrechnung mit den Repräsentanten der Staatskultur, sagt Stefan Weigl.
Bild: Ein „enttäuschter Liebender, der gerne Teil des Establishment gewesen …
taz: Herr Weigl, Sie haben das Drehbuch für den neuen Film des Regisseurs
Pepe Danquart geschrieben, nach Jörg Fausers Roman „Rohstoff“. Drehbeginn
ist im Frühjahr 2018. Wie sind Sie auf das Projekt gekommen?
Stefan Weigl: Ich habe vor 20, 25 Jahren relativ viel von Fauser gelesen.
Altersgemäß kam ich von Bukowski und habe bei Fauser Gleichartiges
gefunden. Als Pepe Danquart mich dann vor knapp zwei Jahren gefragt hat, ob
ich „Rohstoff“ machen wolle, hatte ich gerade den Deutschen Filmpreis und
den Preis der deutschen Filmkritik für das Drehbuch „Zeit der Kannibalen“
gewonnen. Da kam eine Flut von Anfragen. Das meiste war totaler Dreck – ich
hatte aber das Gefühl, dass ich jetzt mal mit etwas Neuem anfangen müsste.
Das war ein ganz praktischer Grund. Und nachdem ich bisher immer eigene
Stoffe bearbeitet hatte, dachte ich, eine Romanadaption wäre vielleicht
leichter.
Wurde Ihre Hoffnung erfüllt?
Überhaupt nicht. Ich habe „Rohstoff“ noch mal gelesen und es hat mich auf
einer ganz anderen Ebene berührt als früher. Fauser beschreibt, wie sich
Subkulturleute als Geschäftemacher darstellen. Diese Dialektik der
Subkultur kannte ich nur von den Amis, heute als „kalifornische Ideologie“
bezeichnet. Wo Politik und Kultur schon ein Teil von Marketing sind, ohne
dass man das zu dieser Zeit schon auseinanderdividieren kann, in der
Hausbesetzerszene, in den alternativen Nachtclubs. Das hat mir unheimlich
gut gefallen.
Sie setzen also weniger auf die romantische, zeitlose Geschichte, wie einer
vom Junkie zum Schriftsteller wird?
Schriftstellerbiografien, wo einer erst arm ist und dann erfolgreich, die
gibt es ja nun schon. Ich bin selbst ein Beispiel dafür. Das ist nichts,
was mich interessiert. Was „Rohstoff“ eigentlich für ein Buch ist, wurde
mir erst klar, als ich mir Fausers Auftritt in Klagenfurt beim
Bachmannpreis 1984 angeschaut habe. Wie er dort niedergemacht wurde.
„Rohstoff“ ist eine Abrechnung mit den Staatskulturrepräsentanten dieser
Zeit. Fauser ist eben auch ein enttäuschter Liebender, der gerne Teil des
Establishment gewesen wäre. Aber man hat ihm die Tür vor der Nase
zugeknallt. Diese Szene aus Klagenfurt soll den Film auch eröffnen.
Die bekannteste Fauser-Verfilmung ist wohl der „Schneemann“ von 1984 mit
Marius Müller-Westernhagen in der Hauptrolle. Dieser Krimi, mit dem Fauser
seinen Durchbruch hatte, hätte Sie nicht gereizt?
Null. Aus späterer Sicht hat mir schon eingeleuchtet, warum Fauser sich
diesem Genre zugewandt hat. Und ich kenne und schätze auch seine Vorbilder.
Aber das mache ich selbst, auf einem niedrigeren Niveau, als Drehbuchautor
für die SOKO-Reihe, davon lebe ich.
Wie spiegelt sich Ihr Blick im Drehbuch wider? Was haben Sie weggelassen,
was betont?
Am Anfang habe ich versucht, alles reinzubringen. Das ist wohl ein Teil des
ganz normalen Prozesses. Und natürlich ist der Aufstieg von Harry Gelb,
Fausers Alter Ego, schon die Folie, auf der das Ganze passiert. Dann aber
konzentriere ich mich sehr auf die Frankfurter Zeit in der „Szene“. Wichtig
war mir, die Dialektik von Fauser zu betonen, seinen Hang zum Proletkult,
dem Kitsch, der Verklärung der „einfachen Leute“, bei dem er aber eben nie
stehenbleibt. Man muss auch Figuren rausschmeißen – oder betonen: Man hört
ja zum Beispiel öfter, Fauser sei Jungsliteratur. Eine Figur wie die
Französin Bernadette, Harry Gelbs trotzkistische Freundin in Frankfurt, ist
aber schon im Buch unheimlich stark. Sie steht dafür, das Fauser eben mehr
ist als das.
Wer wird sie spielen?
Das steht noch nicht fest. Aber Harry Gelb wird von Lars Eidinger gespielt
werden.
Wen soll der Film erreichen?
Eigentlich mache mir da keinen Kopf drüber. Aber ich bin natürlich schon
konfrontiert mit solchen Fragen. Die Gemeinde der Fauser-Aficionados ist
groß, aber nicht riesig. Ich hoffe, dass der Film für Jüngere interessant
ist. Dass sie kapieren, was die eigene Zeit mit dieser Zeit zu tun hat. Das
ist auch wichtig für die Leute, die das Geld für den Film springen lassen
sollen. Und das sind dann eben so Sachen wie „Vorstufe der kapitalistischen
Modernisierung“. Und dann beschreibt Fauser eine Welt im Westen, die es
nicht mehr gibt – es haben ja nicht nur die Ostdeutschen ihr Land verloren.
Jemand aus dem Westen in meinem Alter lebt heute auch in einem anderen
Land. Darüber gibt es noch nicht viel.
Fauser kam vor genau 30 Jahren ums Leben. Haben Sie ihn eigentlich
kennengelernt?
Wahrscheinlich habe ich ihn im Schumann’s in München mal gesehen, aber
nicht wahrgenommen. Ich hätte damals Fauser mit seiner Sympathie für die
SPD und für die Grünen wahrscheinlich auch nicht gemocht. Heute sehe ich
das anders, auch wenn ich SPD und Grüne immer noch scheiße finde. Aber
dieses Desperadotum Fausers, dieses extrem Polarisierende oder seine These,
die ich teile, dass uns die Amis erst zivilisiert haben – das alles ist
vielleicht auch die Voraussetzung dafür, dass er heute wiederentdeckt
werden kann. Das Werk ist halt größer als der Autor. Die Fauser-Geschichte
ist noch nicht zu Ende.
17 Jul 2017
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Jörg Fauser
Romanverfilmung
Subkultur
Kulturpolitik
Pepe Danquart
Roman
Charles Bukowski
Jörg Fauser
Kriminalroman
Schwerpunkt Deniz Yücel
Benjamin von Stuckrad-Barre
Buch
Jörg Fauser
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