# taz.de -- Peter Tauber über linke Gewalt: „Die sind peinlich, aber gefähr… | |
> Deutschland ist nicht von links bedroht, sagt CDU-Generalsekretär Peter | |
> Tauber. Die Parteien links der Mitte müssten aber ihr Verhältnis zur | |
> Gewalt klären. | |
Bild: Rauch steigt über dem Dach der Roten Flora auf. Das linke Zentrum möcht… | |
taz.am wochenende: Herr Tauber, als Schüler [1][spielten Sie in der Band | |
„Papst hört Punk“]. Einer der Songs hieß „Nazischnitzel, Rübe ab“. D… | |
klang durchaus gewaltbereit und gegen rechts. | |
Peter Tauber: Klar war das gegen Rechtsextreme. Ich bin gegen alles, was | |
extrem ist, weil ich nicht glaube, dass es zu was Gutem führt. Dass Musik | |
provoziert, ist das eine, Gewalt in der politischen Auseinandersetzung | |
etwas anderes. Das geht gar nicht. | |
Bei den Ausschreitungen in Hamburg war, wie wir inzwischen wissen, nicht | |
nur der Schwarze Block unterwegs, sondern da waren auch jede Menge | |
Krawallkids. Was hat Sie eigentlich damals davon abgehalten, gewalttätig zu | |
werden? | |
Nur weil man laute Musik mag, ist man nicht gewalttätig. Dass ich Gewalt | |
grundsätzlich ablehne, liegt sicher an meiner Erziehung, vielleicht auch an | |
meiner kirchlichen Bindung. Bei körperlichen Auseinandersetzungen auf dem | |
Schulhof habe ich mich immer rausgehalten. | |
Am letzten Wochenende twitterten Sie noch von „Brandstiftern und | |
Plünderern“. Am Montag forderten Sie schon die Schließung der Roten Flora | |
in Hamburg und der Rigaer Straße in Berlin. Bitte erklären Sie, was damit | |
erreicht würde. | |
Das ist wie mit der Behauptung, Hooligans hätten nichts mit Fußball zu tun | |
und Al-Qaida nichts mit dem Islam. Das ist doch Quatsch. Und genauso ist es | |
falsch, zu behaupten, der schwarze Block hätte nichts mit linker Ideologie | |
zu tun. Natürlich hat er das. Und die Parteien links der Mitte müssen an | |
dieser Stelle eben ihr Verhältnis zur Gewalt klären. | |
Das sagt sich so leicht und verweist doch lediglich auf den politischen | |
Gegner. | |
Moment! Ich bin genauso wenig bereit, das Treiben von Pegida oder Anschläge | |
auf Flüchtlingsheime zu akzeptieren. Wenn auf der anderen Seite des | |
politischen Spektrums Gewalt relativiert und verharmlost wird, muss man | |
klar widersprechen. Wir dürfen Orte wie die Rote Flora nicht dulden. Das | |
nennt man wehrhafte Demokratie. | |
Wäre es nicht im Sinne der Debatte, wenn die Gewalt in Hamburg nicht links, | |
sondern menschenverachtend genannt würde? | |
Wenn wir uns darauf verständigen können, dass Gewalt, wenn sie von | |
Islamisten oder von Rechtsextremen ausgeht, auch menschenverachtend ist, | |
habe ich mit der Definition kein Problem. Mir geht es darum, dass nach | |
Hamburg versucht wird, die Verbindung von extremen linken Einstellungen und | |
Gewalt zu leugnen. Und das geht nicht. Dieser unbequemen Debatte kann sich | |
die politische Linke in Deutschland nicht entziehen. | |
Wie distanziert man sich denn als SPD korrekt? Wann wäre es für die CDU | |
ausreichend? | |
Nach allem, was man in Hamburg an linker Gewalt gesehen hat, muss klar | |
sein, dass es keine Relativierung geben darf. Rot-Grün in Hamburg und | |
Rot-Rot Grün in Berlin müssen prüfen, was im Fall der Roten Flora oder der | |
Rigaer Straße zu tun ist. Dass es erst mal schwer ist, einzugreifen, | |
nachdem sich so eine Struktur festgesetzt hat, ist nachvollziehbar. Aber | |
dennoch muss man es tun. | |
Wird Deutschland aktuell von links bedroht? | |
Nein. Wir sind eine starke Demokratie. Aber, auch das ist eine Lehre aus | |
der deutschen Geschichte: Man muss den Anfängen wehren. | |
Ihre Regierungskoalition hat 2014 die umstrittene Extremismusklausel | |
abgeschafft. Jetzt fordern Sie, bei der Vergabe von Geldern an | |
Anti-rechts-Initiativen wieder ein Bekenntnis zum Grundgesetz zu verlangen | |
. | |
Um zuzuschauen, wie sich Linksextreme und Rechtsextreme gegenseitig | |
bekämpfen, braucht der Staat keine Mittel bereitzustellen. | |
Hass und Gewaltbereitschaft kriegen Sie aber so aus den Leuten nicht raus. | |
Die brauchen keine Projektmittel für ihr geschlossenes Weltbild. | |
Das stimmt. Man muss die Frage stellen: Was läuft da schief, warum kommt es | |
zu dieser Gewalt ganz rechts und ganz links? Für mich ist das auch eine | |
Bildungs- und Erziehungsfrage. | |
Was meinen Sie damit? | |
Ich glaube, das ist eine Aufgabe, der sich Wissenschaftler stellen müssen, | |
nicht nur Politiker wie ich. Gerade unter Rechtsextremisten finden sich | |
Menschen, die Angst vor Verlust haben, keinen Platz für sich in der | |
Gesellschaft sehen und das nicht artikulieren können. Ob es das bei | |
Linksextremen auch gibt oder ob es einfach nur Langeweile und die Lust an | |
der Provokation ist, weiß ich nicht genau. Ich sehe da junge Menschen, die | |
in Deutschland alle Freiheitsrechte haben, aber meinen, hier den Kampf | |
gegen den Kapitalismus führen zu müssen. Die schmeißen Steine gegen die | |
Globalisierung – und stärken sich dann mit einem Happy Meal bei McDonald’s. | |
Das ist doch lächerlich. | |
Das sagen Sie. | |
Ja. Die kleben sich die Markenlogos an den Klamotten ab und zünden dann | |
Kleinwagen von Familien an. Die sind für mich peinlich, aber leider eben | |
auch gefährlich. | |
Seit einer Woche geht es munter hin und her zwischen den Großkoalitionären. | |
Die Union bezichtigt die SPD der Nähe zum Linksextremismus. Gabriel wirft | |
der CDU Verlogenheit vor. Was bringt das? | |
Nun, es wird ja gern geschimpft, die Parteien seien nicht mehr | |
unterscheidbar. Aber natürlich haben wir jeweils eine Verortung: Die SPD | |
sieht sich als linke Volkspartei, wir sind klar in der Mitte positioniert. | |
Insofern finde ich diese Auseinandersetzung nicht schlimm. Wenn ich sehe, | |
was uns von SPD-Führungsfunktionären an Unverschämtheiten an den Kopf | |
geworfen wird – was die Wurzeln der CDU betrifft, wie oft wir da in die | |
Nähe der Nazis gerückt worden sind von Stegner und Co. –, da muss sich die | |
SPD mal die Frage gefallen lassen, wie sie es mit der klaren Abgrenzung von | |
der Linkspartei hält, die Angriffe auf Polizisten rechtfertigt. | |
Wäre es nicht wichtiger, die Große Koalition würde jetzt ihre Arbeits- und | |
Gesprächsfähigkeit unter Beweis stellen, statt mit dem Thema Wahlkampf zu | |
machen? | |
Die SPD spielt doch gerne Opposition in der Regierung. Wir als Union haben | |
immer deutlich gemacht, dass wir trotz des einsetzenden Wahlkampfs gut | |
weiterregieren wollen. Erst das Land, dann die Partei. Das sieht man ja an | |
Angela Merkel, wie sie dafür gerackert hat, auf dem G20-Gipfel die Ziele, | |
für die sie seit Langem kämpft, durchzusetzen. Zum Beispiel beim Thema | |
Klimaschutz, der stärkeren Teilhabe von Frauen oder bei der Unterstützung | |
für Afrika … | |
… Sie weichen aus, Herr Tauber. Ich frage Sie nach der innenpolitischen | |
Lage, und Sie kommen mit globalen Verträgen … | |
Ich weiche nicht aus. Rein innenpolitische Themen gibt es doch kaum noch. | |
Der Klimawandel berührt uns alle, der Freihandel, die Flüchtlinge, | |
islamistischer Terrorismus – das sind globale Themen. Innen- und | |
Außenpolitik hängen so eng zusammen wie noch nie. | |
Die Opfer der Gewalt – PolizistInnen, verletzte DemonstrantInnen, | |
geschädigte HamburgerInnen – dürften sich durch den Groko-Knatsch eher | |
nicht respektiert fühlen. Wie kommen SPD und Union aus dieser | |
Erregungsspirale wieder raus? | |
Erstens kümmern wir uns darum, dass den Opfern der Gewaltexzesse schnell | |
und unbürokratisch geholfen wird. Zweitens sollten wir deutlich über die | |
Erfolge des Gipfels sprechen: Von Freihandel über Klimaschutz, die | |
Bekämpfung von Krankheiten, die Chance auf Frieden in Syrien bis hin zu | |
inklusivem Wachstum in Afrika kann sich das sehen lassen. Und drittens | |
klären wir dann mal, ob wir künftig wollen, dass solche Treffen nur noch in | |
Russland oder China stattfinden können – wo es eben keine Beteiligung | |
zivilgesellschaftlicher Gruppen und keine friedlichen Proteste geben darf. | |
Halten Sie es für ein gelungenes Konzept, eine ganze Stadt lahmzulegen? | |
Hotels gibt es doch auch woanders. | |
Bei mir in Aufenau im Landgasthof Zur Quelle hätte es nicht geklappt. | |
Obwohl es da sehr schön ist. Aber Scherz beiseite: So eine Veranstaltung | |
braucht die entsprechende Logistik und Infrastruktur. Die gibt es nur in | |
großen Städten. Und mal ganz grundsätzlich: Ich lasse mir doch nicht von | |
irgendwelchen gewaltbereiten Extremisten diktieren, wo ein demokratischer | |
Rechtsstaat Veranstaltungen durchführt. | |
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat sich bei seinen Bürgern | |
entschuldigt. Eine ungewöhnliche Geste im politischen Geschäft. Ist das | |
genug? | |
Die Größe, zu sagen, man hat etwas falsch gemacht, hat nicht jeder. Das ist | |
erst mal gut. Aber dabei darf es natürlich nicht bleiben. Die Frage, welche | |
Schlussfolgerungen der Hamburger Senat daraus zieht, ist noch offen. | |
Sie selbst haben sich kürzlich auch entschuldigt, [2][für Ihren | |
Minijob-Tweet]. Wie kam das an? | |
Unterschiedlich. Es gab die, die gesagt haben: Gut, dass Sie um | |
Entschuldigung bitten. Und es gibt welche, die politisch woanders stehen | |
und einem das nie nachsehen werden. Damit werde ich leben müssen. Aber | |
ehrlich gesagt, jeder von uns macht mal was falsch oder sagt was Dummes. | |
Der Tweet bleibt doof, keine Frage. Auch weil ich mich von einem | |
rechtsextremen Troll habe provozieren lassen. | |
Der Titel Ihres Wahlprogramms lautet „Für ein Deutschland, in dem wir gut | |
und gerne leben“. Lebt es sich gut und gerne in einem Land der Rechthaber? | |
Auf jeden Fall lebt es sich gut und gerne in Deutschland. Und wir wollen | |
weiter dafür arbeiten, dass das so bleibt. Aber man muss natürlich nicht | |
auf alles und jedes, was einem so am Wegesrand begegnet, reagieren. | |
Hat unsere Gesellschaft, erst recht in Wahlkampfzeiten, ein | |
Kommunikationsproblem? | |
Manchmal könnte es schon eine Nummer kleiner gehen. Andererseits wünschen | |
sich Menschen Unterscheidbarkeit. Das gehört nun mal dazu. Was mich an | |
politischen Debatten aber oft nervt, sind diese Aufregungsspiralen: Heute | |
sind wir drin und übermorgen schon wieder draußen. Es wäre ganz gut, wir | |
guckten mal auf das, was dahintersteht. Und damit bin ich wieder bei G20: | |
Was tun wir denn jetzt wirklich gegen den Klimawandel? Wie helfen wir | |
Afrika? Wie wichtig ist es, dass die wichtigsten Länder der Welt sich auf | |
Gemeinsamkeiten verständigen? Wenn wir darauf wieder zurückkommen, dann | |
lohnen sich auch Aufregung und Streit. | |
15 Jul 2017 | |
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Anja Maier | |
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