# taz.de -- Hilfsprojekt für Brennpunktschulen: Zehn kriegen die Kurve | |
> Nach vier Jahren Spezialprogramm für zehn Brennpunktschulen zieht die | |
> Bildungsverwaltung Bilanz: mehr Schüler mit Abschluss, weniger Schwänzer. | |
Bild: Berliner Schüler und ihre Senatorin: Sandra Scheeres (SPD) bei einem Sch… | |
Weniger Abgänger ohne Schulabschluss, motiviertere Schüler, gesündere | |
Kollegen: Am Donnerstag präsentierte die Senatsbildungsverwaltung die | |
Bilanz ihres School Turnaround Projekts, eines der wichtigsten Berliner | |
Hilfeprogramme für Schulen in sozialen Brennpunkten. Die Schlussbilanz nach | |
vier Jahren fiel also „deutlich positiv“ aus. Zum Glück, denn der Einsatz | |
bei diesem Projekt war groß, wie auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres | |
(SPD) in der Mensa einer der zehn Projektschulen betonte: „Natürlich haben | |
wir auch die Gefahr der Stigmatisierung gesehen.“ | |
Tatsächlich hatte man zum Projektstart 2013 gezielt nach Schulen gesucht, | |
die schwer zu kämpfen hatten – mit hohen Abbrecherquoten, vielen | |
Schulschwänzern, und einer Schülerschaft, deren Eltern sich für das Thema | |
Bildung nicht sonderlich interessieren. „Wir hatten 2013 gerade mal 17 | |
Anmeldungen für unsere siebten Klassen, das hat mich schon schockiert“, | |
sagte Guido Schulz, der damals als neuer Schulleiter an der Kreuzberger | |
Albrecht-von-Graefe-Sekundarschule anfing. „Idiotenschule“, nannten die | |
Schüler ihre eigene Schule. | |
Nach vier Turnaround-Jahren hat Schulz jetzt 69 Anmeldungen auf dem | |
Schreibtisch. Auch die Kreuzberger Refik-Veseli-Schule hat inzwischen mehr | |
Anmeldungen als Plätze, außerdem sank hier die Zahl der Abgänger ohne | |
Abschluss von 18 auf acht Schüler. An der benachbarten | |
Hector-Peterson-Schule reduzierte sich die Zahl der geschwänzten Stunden um | |
ein Drittel. | |
Im Kern geht es bei dem Konzept, das die Robert-Bosch-Stiftung | |
wissenschaftlich begleitet und mit 1,9 Millionen Euro finanziert hat, um | |
Hilfe zur Selbsthilfe für die Schulen. Jede Schule sollte sich vier Ziele | |
setzen – zum Beispiel weniger Schulschwänzer – und dann mindestens zwei | |
davon erreichen. Die Bosch-Stiftung schickte dazu „Prozessbegleiter“ in die | |
Schulen, die mit den Lehrern überlegten, was zu tun sei. „Denn das | |
Standardrezept gibt es ja nicht“, sagte Uta-Micaela Dürig, | |
Geschäftsführerin der Bosch-Stiftung. | |
## Wichtig: Patente Schulleiter | |
Ein paar Stellschrauben, mit Hilfe derer man eine Schule „drehen“ kann, | |
ließen sich dann aber doch verallgemeinern: Es braucht patente Schulleiter | |
– an fast allen Projektschulen wurden die Schulleitungen ausgetauscht –, | |
und die Lehrer müssen mitziehen bei der Schulentwicklung. Mehr Personal, | |
etwa Verwaltungsleiter und Konrektoren, die den Schulleitern den Rücken | |
freihalten, sind auch nicht verkehrt. | |
Nun sollen diese Erkenntnisse anderen Schulen zu Gute kommen. Senatorin | |
Scheeres kündigte mehr Haushaltsmittel für Verwaltungsleiterstellen an, an | |
der Schulleiterakademie soll es künftig ein Modul für Führungskräfte geben. | |
Was am Donnerstag allerdings unerwähnt blieb: Das wesentliche „Drehmoment“, | |
ob eine Schule funktioniert oder nicht, ist noch immer die eigene | |
Oberstufe. Wer sie hat, bekommt die fitten Schüler, die weniger guten | |
Schüler – beziehungsweise die mit weniger guten Startbedingungen – sammeln | |
sich an den anderen Schulen. Das hatte eine andere Studie aus der | |
Bildungsverwaltung kürzlich gezeigt. | |
Dieses Projekt ist also vorbei, das Thema Bildungsgerechtigkeit in Berlin | |
aber noch lange nicht erledigt. | |
13 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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