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# taz.de -- G20 und die Ausschreitungen in Hamburg: Die Stunde der Diskurs-Chao…
> Die Ausschreitungen waren gefährlich, überflüssig und idiotisch. Aber
> eines waren sie mit Sicherheit nicht: so schlimm wie rechter Terror.
Bild: Was war hier los? Schaulustige begutachten die Folgen der Krawallnacht
Hamburg taz | Es funktioniert jedes Mal: Es knallt nach einer Demo, und
alle Maßstäbe verrutschen. Und zwar restlos. Das Chaos, das die Randalierer
mit ihren brennenden Barrikaden anrichten, es beherrscht nicht nur die
Straße, sondern befällt auch die Köpfe und von da aus die Kommentarspalten,
Talkshows, Parlamentsdebatten und Redaktionen.
Die Bilder aus Hamburg waren, wie Bilder von Ausschreitungen sind:
dramatisch, beängstigend, spektakulär. Wer sie aus der Ferne sieht, denkt
an Bürgerkrieg. Tatsächlich spielte sich die von maximal 500 Beteiligten
betriebene Randale im Wesentlichen an einer einzigen Ecke, über eine etwa
400 Meter lange Strecke, ab. Direkt daneben saßen Hunderte völlig ungerührt
in den Bars und Cafés.
Das angeblich komplett dem Mob überlassene und von diesem in Schutt und
Asche gelegte Hamburg sah an genau dieser Stelle am nächsten Tag aus, als
ob nichts geschehen wäre – und zwar schon bevor der als „G20-Helden“
gefeierte Bürgerputztrupp mit Besen und Anti-Graffiti-Schaum am Sonntag
anrückte.
Die Ausschreitungen am Freitag waren völlig idiotisch, brutal, überflüssig,
gefährlich. Eins waren sie unter Garantie nicht: „so schlimm wie Terror von
Rechtsextremen und Islamisten“. Das war Kanzleramtsminister [1][Peter
Altmaier] dazu eingefallen. Der Mann bekleidet eines der wichtigsten Ämter
in diesem Staat, mit seiner Geschichte des NSU und den islamistischen
Anschlägen mit vielen Toten der vergangenen Zeit.
SPD-Chef Martin Schulz spricht von „Mordbrennern“, Welt-Journalist Ulf
Poschardt von „Faschisten“. Nach den Ausschreitungen schlägt die Stunde der
Diskurs-Chaoten. Jan Fleischhauer vom Spiegel schreibt: „Wer am Samstag
gegen G20 auf die Straße geht, solidarisiert sich mit dem Mob.“ So hätte er
es gern.
## In Haftung genommen
Am Samstag waren 76.000 Menschen, die meisten mit redlichen Anliegen,
unterwegs. Es flog kein Stein, keine Flasche. Doch sie alle und auch die,
die Sitzblockaden organisierten und dabei niemandem ein Haar krümmten,
werden in Haftung genommen. Von der „Katharsis“, die nun kommen müsse, ist
die Rede.
Am Montag war dazu etwa zu hören, „die Linke“ habe 2001 in Genua „Glück
gehabt“, dass der Demonstrant Carlo Giuliani erschossen wurde. So sei sie
als moralischer Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgegangen und habe
sich die Gewaltdiskussion ersparen können. In Hamburg aber habe die Polizei
„besser agiert“, also niemanden erschossen. Jetzt ist die „Linke“ der
moralische Verlierer und müsse die eigenen Reihen säubern.
Und wehe, jemand wagt es, noch über etwas anderes sprechen zu wollen.
Zum Beispiel darüber, dass Demonstranten in Hamburg geknüppelt, gepfeffert,
auseinandergetrieben wurden, und zwar keineswegs nur da, wo es knallte.
Oder darüber, dass auch Journalisten, Unbeteiligte und offenbar sogar eine
Anwältin verprügelt wurden. Jeder, der darauf verweist, muss sich sofort
für den Freitagabend rechtfertigen.
Oder über die Behauptung der Polizei, dass sie die Schanze nicht gleich zu
Beginn der Krawalle räumen konnte. War es tatsächlich so? Es standen ein
halbes Dutzend Wasserwerfer, dazu viele Räumpanzer bereit. Die Sache wäre
erledigt gewesen. Genauso hatte sie es an den Abenden zuvor gehalten. Die
Frage interessiert niemanden mehr.
Eine von denen, die die friedlichen Blockaden organisiert haben, war die
Sprecherin der Interventionistischen Linken, Emily Laquer. Sie hat – auch
in der taz – die Frage aufgeworfen, warum der strukturellen Gewalt –
Hunger, Kriegen, Mittelmeertoten, Frauenmorden, Klimawandel,
Umweltzerstörung – so erbärmlich wenig und der Gewalt des Mobs auf der
Straße so überbordend viel Aufmerksamkeit beigemessen wird. Und damit hat
sie recht. Die Reaktion auf die Ereignisse vom Freitagabend haben genau das
gezeigt. Wieder einmal.
10 Jul 2017
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[1] /Kanzleramtsminister-ueber-G20-Krawalle/!5429455
## AUTOREN
Christian Jakob
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