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# taz.de -- Asylbewerber in Ostdeutschland: Die Flucht nach der Flucht
> Viele Geflüchtete verlassen Ostdeutschland in Richtung Westen. Teile der
> sächsischen Linken wollen jetzt eine Residenzpflicht.
Bild: Eine Flüchtlingsunterkunft in Suhl
Dresden taz | Viele Flüchtlinge sind noch nicht am Ziel, wenn sie
Deutschland erreicht haben. Insbesondere dann, wenn sie den ostdeutschen
Bundesländern zugewiesen wurden, zieht es viele weiter in den Westen. Etwa
jeder zweite tritt eine „Binnenflucht“ an. Seit 2013 kamen zum Beispiel
mehr als 100.000 Flüchtlinge nach Sachsen. Derzeit sind aber nach Angaben
des Innenministeriums nur 47.600 anerkannte Asylbewerber polizeilich
registriert. Mit Integrationsmaßnahmen will die Staatsregierung sie zum
Bleiben bewegen.
Schon auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms Ende 2015 war das
plötzliche Verschwinden von Flüchtlingen aus der Erstaufnahme ein Thema.
Der Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt vom Frühjahr 2016 war auch von den
Ausländerängsten der Bevölkerung geprägt. Aber es ließ sich schnell
nachweisen, dass das Land noch stärker als im Durchschnitt der ostdeutschen
Länder nur als Transitland genutzt wird.
Wirtschaftliche Überlegungen und die Aussicht auf Arbeitsplätze spielten
dabei eine Rolle. Ein weiterer Grund sind laut Sachsens
Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth die großen westdeutschen
„ethnischen Communities“, die anders als im Osten schon seit Jahrzehnten
gewachsen seien. „Hinzu kommt das verständliche Ansinnen, wieder mit den
Angehörigen in einer Familie zusammenzuleben“, fügt Mackenroth hinzu.
Aber auch die größeren Ressentiments gegenüber Fremden bis hin zur
Ausländerfeindlichkeit lassen Flüchtlinge im Osten weniger heimisch werden.
Daran erinnert die sächsische Integrations- und Gleichstellungsministerin
Petra Köpping (SPD). Andererseits ist auch an einem Ort wie dem
mittelsächsischen Wiederau nur die Hälfte der Flüchtlinge in der Region
verblieben – obwohl die 60 jungen Männer dort ausgesprochen freundlich
empfangen worden waren.
Mackenroth stellt aber treffend fest, dass sich durch den nachlassenden
Druck von Neuankömmlingen die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber
Asylsuchenden entspannt habe. Sachsen erweitert nun sein Förderprogramm
„Integrative Maßnahmen“ um jeweils drei Millionen Euro in diesem und im
kommenden Jahr.
Eine hohe Fluktuation erschwert aber auch die kontinuierliche Betreuung von
Asylbewerbern. Zuletzt diskutierte in Sachsen deshalb der sogenannte
Lenkungsausschuss Asyl am 9. Juni eine Wohnsitzauflage, die nach dem
Bundesintegrationsgesetz von 2016 möglich ist. Der überall zu beobachtende
Urbanisierungsprozess findet seine Entsprechung bei Asylbewerbern – es
zieht sie in die Großstädte.
In Dresden, Leipzig und Chemnitz fehlen die Kapazitäten, die auf dem
„flachen Land“ reichlich vorhanden sind. Im vorigen Jahr musste der
Erfurter Oberbürgermeister und Thüringer SPD-Chef Andreas Bausewein noch
viel Kritik einstecken, als er eine solche temporäre Residenzpflicht
vorschlug. Inzwischen wird sie aber auch von Teilen der sächsischen Linken
befürwortet. Zumindest für die Dauer von einem Jahr wird sie wahrscheinlich
kommen.
28 Jun 2017
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Migration
Schwerpunkt Flucht
Asylsuchende
Schwerpunkt Ostdeutschland
Residenzpflicht
SPD
Rechtsextremismus
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Abschiebung
Schwerpunkt Rassismus
Demokratieforschung
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