# taz.de -- Energie-Pilotprojekt in Hamburg: Der paradoxe Wärmespeicher | |
> Hamburg Wasser versucht, in großem Stil Abwärme im Grundwasser zu | |
> speichern. Das könnte der Energiewende in die Quere kommen. | |
Bild: Kläranlage Dradenau: Hier entsteht das Pilotprojekt | |
HAMBURG taz | Auf dem Weg in eine nachhaltige Fernwärmeversorgung versucht | |
sich Hamburg an Innovationen. Der städtische Betrieb Hamburg Wasser will | |
mit einem Pilotprojekt testen, ob sich im großen Stil industrielle Abwärme | |
im Grundwasser speichern ließe. Die nötigen Brunnen werden gerade gebohrt. | |
Kritiker sehen dieses an sich umweltfreundliche Vorhaben skeptisch. Sie | |
befürchten, es könnte paradoxerweise der geplanten Fernwärmeversorgung aus | |
erneuerbaren Quellen in die Quere kommen. | |
Die HamburgerInnen hatten 2013 in einem Volksentscheid einen Rückkauf der | |
Energienetze beschlossen. Der Rückkauf des Fernwärmenetzes von Vattenfall | |
steht noch aus und damit auch, wie die Hamburger Haushalte konkret mit | |
Fernwärme versorgt werden sollen. Denn das alte Kohlekraftwerk in Wedel, | |
das bisher die Wärme lieferte, soll stillgelegt werden. | |
Ein Baustein für die künftige Wärmeversorgung könnte aus Sicht des | |
rot-grünen Senats ein Wärmespeicher unter dem zentralen Klärwerk im Hafen | |
sein. Dort werden sämtliche Abwässer Hamburgs verarbeitet. Hamburg Wasser | |
verfügt über das Know How, um die Brunnen zu bohren, mit denen ein | |
salzhaltiger Grundwasserleiter angezapft werden soll. | |
Das kalte Salzwasser soll aus einem Brunnen nach oben gepumpt und durch | |
Wärmetauscher mit Abwärme des Klärwerks und von Industriebetrieben erwärmt | |
werden. Wird es nicht gleich gebraucht, kann es in einem zweiten Brunnen | |
unter die Erde gepumpt werden, wo sich die Wärme hält, bis sie abgefordert | |
wird. Auf diese Weise entsteht ein Puffer, der überschüssige Wärme | |
speichert. Und es wird Wasser verwendet, was ohnehin nicht als Trinkwasser | |
genutzt werden kann. | |
„Vom Verfahren her ist das überschaubar“, sagt Ole Braukmann von Hamburg | |
Wasser. „Es gibt allerdings Fragen bei der Betriebssicherheit, die wir | |
klären wollen.“ Das Speicherwasser enthalte Stoffe wie Eisen, Mangan und | |
Calcium. Wenn es erhitzt werde, könne es sein, dass diese Stoffe aus dem | |
Wasser gelöst würden und die Brunnen verkalkten. Das wäre das Aus für das | |
Projekt. „Umweltschäden schließen wir aber aus“, sagt Braukmann. Die | |
Salzwasser fördernden Brunnen seien weit entfernt von Trinkwasserbrunnen. | |
Hamburg Wasser hofft, mit zwei Doppelbrunnen 25 Megawatt Wärmeenergie | |
speichern zu können – entweder langfristig oder im Winter als kurzfristigen | |
Puffer. „Das Projekt ist einmalig in dieser Größe“, sagt Braukmann. Das | |
Kraftwerk Wedel liefert bis zu 400 Megawatt. Wieviel Energie der Speicher | |
tatsächlich liefern kann, wird sich in der Pilotphase zeigen. | |
„Wie sich der Speicher verhält, da ist sehr viel unklar“, warnt Gilbert | |
Siegler vom Hamburger Energietisch (HET), der die Umsetzung des | |
Volksentscheids wachsam begleitet. Offen sei, wie teuer die Speicherung | |
werde, wieviel Wärme verloren gehe und wie die Strömungen unter Tage | |
verliefen. „Ich bin ja sehr für regenerative Wärme“, sagt Siegler. „Aber | |
weil da so viel unsicher ist“, würde das Verfahren am Ende vielleicht gar | |
nicht, warnt er. | |
Siegler befürchtet, dass sich das Projekt als Schritt auf einem Weg | |
herausstellen könnte, den der Energietisch für falsch hält: Eine | |
Fernwärmeversorgung aus Anlagen südlich der Elbe, welche auch die Tür für | |
Fernwärme aus dem Steinkohlekraftwerk Moorburg aufstoßen würde, das | |
ebenfalls südlich der Elbe liegt. CO2 emittierende Fernwärme aus Moorburg | |
widerspräche dem Volksentscheid. Der HET will dieses Szenario unbedingt | |
vermeiden und hält eine Fernwärmeversorgung aus Quellen nördlich der Elbe | |
für sinnvoll. | |
Doch die von dem grünen Senator Jens Kerstan geführte Umweltbehörde | |
bereitet eine Fernwärmeleitung unter der Elbe zumindest schon vor. Für | |
kommenden Dienstag hat sie zu einem „Scoping-Termin“ eingeladen, bei dem | |
geklärt werden soll, was bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die | |
Leitung beachtet werden müsste. | |
Der Termin sei mitnichten der Beginn eines Planfeststellungsverfahrens, | |
versichert die Umweltberhörde, und auch keine Vorentscheidung für eine | |
Nord- oder Südvariante bei der Fernwärmeversorgung. „Alle Behauptungen, es | |
gäbe in der Umweltbehörde Planungen, das Kraftwerk Moorburg an die | |
Fernwärmeversorgung anzuschließen, sind falsch“, erklärt die Behörde. Muss | |
sie auch: Fernwärme aus Moorburg widerspräche dem Koalitionsvertrag | |
zwischen SPD und Grünen von 2015. | |
23 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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