# taz.de -- Sicher gegen Islamisten: Mit Technik gegen Terror | |
> Rot-Grün fordert eine Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes, das | |
> die quellenunabhängige Telefonüberwachung sowie elektronische Fußfesseln | |
> erlauben soll | |
Bild: Elektronische Fußfesseln schützen nicht vor Selbstmordattentätern | |
Die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus ist weiter hoch, und die | |
Sicherheitsbehörden brauchen bessere Ausstattung: Das ist die Quintessenz | |
aus dem am Freitag von Innensenator Ulrich Mäurer und dem Leiter des Bremer | |
Verfassungsschutzes Dierk Schittkowski vorgestellten | |
Verfassungsschutzberichts von 2016. | |
Mit derzeit etwa 440 Salafisten bleibt Bremen eine der Hochburgen des | |
fundamentalistischen Islam in Deutschland. Als „absoluten | |
Schwerpunktbereich“ beschreibt Schittkowski, der seit zehn Monaten im Amt | |
ist, die Überwachung der salafistischen Szene durch den Bremer | |
Verfassungsschutz. „Die Aktivitäten derer, die uns schaden wollen, sind | |
nochmal massiv angestiegen.“ Dabei sei, so Schittkowski, die jeweilige | |
religiöse Überzeugung nicht mehr das entscheidende Moment: „Das | |
terroristische und das kriminelle Milieu vermischen sich.“ | |
„Wir haben reichlich Probleme“, sagte auch Innensenator Mäurer bei der | |
Vorstellung des Berichts. Die Sicherheitsbehörden müssten daher besser | |
ausgestattet werden: Die Staatsschutzabteilung der Polizei sei in den | |
vergangenen Jahren bereits fast verdoppelt worden. Und für den | |
Verfassungsschutz fordert Mäurer in den derzeit stattfindenden | |
Haushaltsberatungen des Senats 20 neue Stellen – das würde eine Aufstockung | |
von derzeit 50 auf 70 Stellen bedeuten. | |
Um etwa eine Person eine Woche lang rund um die Uhr zu observieren, seien | |
allein 40 bis 50 Leute nötig. „Wir können nicht alle observieren“, sagte | |
Mäurer, mit einer gewissen Unsicherheit müsse man leben. | |
Parallel zur Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts hat die | |
Regierungskoalition einen Dringlichkeitsantrag in die Bürgerschaft | |
eingebracht: Rot-Grün fordert darin eine Novellierung des Bremischen | |
Polizeigesetzes, in dem künftig unter anderem auch die quellenunabhängige | |
Telefonüberwachung sowie der Einsatz elektronischer Fußfesseln geregelt | |
sein soll. | |
Das allerdings ist nicht ganz unproblematisch: Während es die rechtliche | |
Möglichkeit zur Telefonüberwachung bereits seit Jahrzehnten gibt, | |
funktioniert das Ausspähen von Daten aus internetbasierten, verschlüsselten | |
Diensten wie etwa Whatsapp oder Skype technisch anders. Denn um überhaupt | |
Daten abfangen zu können, genügt es nicht, mit Hilfe des Providers den | |
Übertragungsvorgang anzuzapfen. | |
Man muss viel mehr an das einzelne Gerät andocken, um dort eine | |
Überwachungssoftware zu installieren – ein von Kritikern sogenannter | |
„Staatstrojaner“. Der jedoch fängt nicht nur einzelne, einschlägige | |
Kommunikationsdaten ab, sondern weit mehr – mitunter jede Aktivität, die | |
der Nutzer übers Internet abwickelt. „Durch diesen – technisch notwendigen | |
– Beifang wird der Eingriff schwerwiegender als die traditionelle | |
Telekommunikationsüberwachung“, sagt die Bremer Strafrechtlerin Ingeborg | |
Zerbes: „Fast alles wird heute über das Internet erledigt: die | |
Kommunikation, aber auch der Kauf von Opernkarten bis hin zum Herunterladen | |
von Pornos.“ | |
Noch problematischer an der Sache ist jedoch, dass die Telefonüberwachung | |
nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem | |
Polizeigesetz lediglich als eine reine Präventionsmaßnahme, nicht aber eine | |
Aufklärungsmaßnahme über bereits begangene Straftaten legitim ist. Das | |
Niedersächsische Polizeigesetz etwa, auf das sich die | |
Bundesverfassungsgericht-Entscheidung bezog, erlaubt dementsprechend der | |
Polizei die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) nur zur Abwehr einer | |
„gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“. | |
Dazu sagt die Expertin Ingeborg Zerbes: „Man muss einen solchen | |
Gesetzestext sehr sauber formulieren: Nur das Ziel der Verhinderung | |
bevorstehender Straftaten darf im Polizeirecht Anlass für eine TKÜ sein. | |
Die Aufklärungsarbeit einschließlich der Vorsorge für erst in Zukunft | |
erwartete Aufklärungsarbeit ist der StPO und damit der Kompetenz des Bundes | |
vorbehalten.“ Problematisch findet Zerbes auch die Verankerung von | |
elektronischen Fußfesseln im Polizeigesetz. „Das ist nach geltendem Recht | |
eine Maßnahme der Führungsaufsicht und damit eine Reaktion auf eine bereits | |
begangene Straftat.“ Einen Selbstmordanschlag wird man damit nicht | |
verhindern können. | |
„Wir brauchen keine weiteren Eingriffsgrundlagen“, meint Zerbes, „sondern | |
eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Mehr Leute, Investition | |
in die Integrationsarbeit, aber keine weitere strafrechtsvorverlagernde | |
Gesetzgebung. „Wir müssen uns wirklich fragen“, sagt Zerbes, „welche | |
Grenzen des liberalen Rechtsstaats wie das Tatstrafrecht, das | |
Schuldstrafrecht und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit staatlicher | |
Eingriffe unverfügbar sind.“ | |
18 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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