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# taz.de -- Kommentar „Bundestrojaner“: Mehr als Abhören und Mitlesen
> Das BKA darf künftig verschlüsselte Kommunikation überwachen. Das birgt
> Missbrauchspotenzial und braucht strenge Regeln – die aber fehlen.
Bild: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist das BKA mit seinem Kind …
Mit richterlicher Genehmigung darf die Polizei schon lange zur Verfolgung
von größeren Straftaten Telefonate mithören und Emails mitlesen. Allerdings
hat sie technische Probleme, wenn im Internet, etwa via Skype, telefoniert
wird, denn die übertragenen Daten sind verschlüsselt. Auch wenn
verschlüsselte Emails versandt werden, kann die Polizei nicht wie sonst
beim Telefon- oder Internet-Unternehmen die Daten absaugen; die Fahnder
bekämen nur unverständlichen Datensalat.
Verschlüsselte Kommunikation kann die Polizei nur überwachen, wenn sie
angreift, bevor die Daten verschlüsselt werden, also direkt in einem der
beiden beteiligten Computer. Man spricht deshalb von
Telekommunikationsüberwachung an der Quelle, kurz „Quellen-TKÜ“.
Hierfür ist eine spezielle Spionagesoftware erforderlich, ein sogenannter
Trojaner. Er funktioniert ähnlich wie bei der Online-Durchsuchung.
Allerdings wird dort tendenziell der Inhalt der ganzen Festplatte via
Internet an die Polizei übertragen, während bei der Quellen-TKÜ nur
laufende Kommunikation abgegriffen wird.
Ende 2011 hatte die Polizei diese Praxis völlig gestoppt. Denn damals
stellte der Chaos Computer Club fest, dass die Polizei-Trojaner [1][viel
mehr können als sie dürfen]. So übermittelte etwa der Bayerntrojaner alle
30 Sekunden ein Foto des Bildschirms an die Polizei. Außerdem konnte er
leicht für eine umfassende Online-Durchsuchung nachgerüstet werden. Das
Bundeskriminalamt brauchte nun vier Jahre, um einen neuen, vermeintlich
rechtsstaatlich korrekten [2][Trojaner] zu programmieren. Diesmal soll
technisch sichergestellt sein, dass er nur auf die laufende Kommunikation
zugreift.
## Viel heikler als Telefonüberwachung
Ob das Versprechen trägt? Wir werden es wohl erst erfahren, wenn einer der
neuen Trojaner dem CCC zugespielt wird und dieser ihn testen kann. Dass das
BKA dem Hacker-Club freiwillig ein Exemplar zur Verfügung stellt, konnte
man nicht erwarten.
Was aber erstaunt: Nicht einmal die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea
Voßhoff (CDU) und ihre Leute konnten den Bundestrojaner bislang überprüfen,
wie sie am Dienstag etwas säuerlich mitteilte. Aber warum gibt
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) dann schon vorher grünes Licht? Auf
einen weiteren Monat Wartezeit wäre es nun wirklich nicht mehr angekommen.
Doch auch die rechtliche Situation ist noch völlig unklar. Früher
genehmigten Gerichte die Quellen-TKÜ wie eine normale Telefonüberwachung.
Doch die Bundesanwaltschaft hat schon vor Jahren festgestellt, dass dieser
Eingriff viel heikler ist und eine eigene gesetzliche Grundlage benötigt.
Das ist nachvollziehbar.
## In Grundrechte eingreifen
Schließlich hat eine Quellen-TKÜ, die in den persönlichen Computer
eingreift, ein ganz anderes Missbrauchspotenzial als eine klassische
Telefonüberwachung. Außerdem muss die Polizei in Grundrechte eingreifen, um
den Trojaner überhaupt zu installieren: Sie muss manipulierte Emails
schicken, in die Wohnung einbrechen oder den Rechner bei einer
Polizeikontrolle verändern.
Bisher gibt es eine spezielle gesetzliche Quellen-TKÜ-Regelung nur für
präventive Ermittlungen des BKA, nicht aber für die viel wichtigtere
Strafverfolgung. Federführend wäre hierfür Justizminister Heiko Maas (SPD).
Bis jetzt hat er sich mit dem Problem offensichtlich noch nicht
beschäftigt.
Vielleicht will er nach der Vorratsdatenspeicherung kein neues
Überwachungsgesetz auf den Weg bringen. Was positiv klingt, wäre aber
kontraproduktiv. Ohne neue strengere Regeln werden Polizei und Gerichte
vermutlich einfach wieder die geltenden laxeren anwenden. Vier Jahre hatte
die Politik Zeit, das zu verhindern und nichts ist passiert.
24 Feb 2016
## LINKS
[1] /Streit-um-Bundestrojaner/!5110235
[2] /Bundestrojaner-fast-einsatzbereit/!5280117
## AUTOREN
Christian Rath
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