# taz.de -- Confederations Cup: Beten auf der Baustelle | |
> Mit dem Fifa-Turnier der besten Kontinentalteams will Russland zeigen, | |
> dass es reif für die WM 2018 ist. Bewiesen wird nur, dass die Kritik | |
> stimmt. | |
Bild: Der Star des Auftaktspiels Russland gegen Neuseeland ist das Stadion in S… | |
Gegen Cristiano Ronaldo wird wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Schalke | |
bleibt Schalke und entlässt einen Trainer. Und der FC Bayern verkündet | |
irgendeinen Zugang. Sonst noch was los in der Sommerpause? Ach ja, der | |
Confederations Cup beginnt. Das Fifa-Turnier der Kontinental-Champions ist | |
zu einem Sommerloch-Event verkommen. Das weiß man auch bei der Fifa. Seit | |
dort über die Zukunft des Turniers nachgedacht wird, spricht sich | |
DFB-Präsident Reinhard Grindel gegen weitere Ausgaben des Confed Cups aus. | |
Einmal aber muss er ihn noch über sich ergehen lassen. | |
Am Samstag geht es los mit dem Spiel der russischen Auswahl gegen den | |
Ozeanienmeister Neuseeland. Egal wie das Spiel ausgeht, es wird gewiss | |
nicht in die Fußballhistorie eingehen. Der Star des Spiels ist ohnehin das | |
Stadion in St. Petersburg, das seinen ersten großen Auftritt haben wird. Es | |
ist schon jetzt legendär. Seit 2006 wird daran gebaut. | |
Jahr für Jahr wurde der Eröffnungstermin verschoben, die Kosten waren nicht | |
mehr beherrschbar, Löhne für die zahlreichen Bauarbeiter aus Mittelasien, | |
Weißrussland und der Ukraine wurden verspätet oder gar nicht gezahlt, wie | |
aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der | |
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervorgeht. Darin werden | |
ebenfalls Medienberichte als glaubhaft dargestellt, nach denen das | |
Stadion auch mit Hilfe nordkoreanischer Arbeitssklaven gebaut wurde. | |
Fertig ist es übrigens immer noch nicht, auch wenn Eröffnungsspiel und | |
Finale in der 68.000-Zuschauer-Arena stattfinden werden. | |
Zenit St. Petersburg, der ortsansässige Fußballklub, wird in der nächsten | |
Saison in seiner alten Schüssel spielen. Es muss eben noch ein wenig gebaut | |
werden, bis das Stadion wirklich WM-tauglich ist. Zudem legt der Klub, der | |
sich im Besitz des staatseigenen Rohstoffkonzerns Gazprom befindet, Wert | |
darauf, dass das Gebäude nicht den Namen Zenit-Arena erhält, der eigentlich | |
für das Stadion vorgesehen war. | |
Niemand in Russland würde sich wundern, wenn der Klub verkünden würde, eine | |
eigene Arena zu bauen. Zu irr sind die Geschichten, welche über die | |
WM-Arena seit dem ersten Spatenstich erzählt werden. | |
## Korruption und Ausbeutung | |
Natürlich geht es dabei um Korruption. Seit Auftragsvergabe sind immer | |
wieder deswegen Ermittlungen geführt worden. Ende vergangenen Jahres wurde | |
Marat Ogonesjander, der ehemalige Vize-Gouverneur der Region, verhaftet, | |
weil er bei der Vergabe eines Auftrags an einen Subunternehmer 50 | |
Millionen Rubel (800.000 Euro) für sich und gute Freunde abgezweigt haben | |
soll. | |
Igor Albin ist sein Nachfolger im Amt und derzeit viel beschäftigt mit dem | |
Schönreden der ewigen Baustelle. Über 750 Millionen Euro sind verbuddelt | |
worden auf der Krestowski-Insel. Halb so schlimm, meint Albin, umgerechnet | |
auf den bebauten Quadratmeter sei das Stadion lange nicht das teuerste der | |
Welt. | |
Vielleicht sind ja die Gebete erhört worden, die 20 orthodoxe Priester beim | |
Gottesdienst auf der Baustelle vor einem Dreivierteljahr gesprochen haben. | |
Dann übersteht der erst vor einem Monat ausgerollte Rasen vielleicht das | |
Eröffnungsspiel. Den hatte man bestellt, nachdem der erste Rasen verfault | |
war, weil man entweder vergessen hatte, das bewegliche Dach über der Arena | |
zwecks Belüftung und Belichtung des Rasens zu öffnen, oder weil der | |
Mechanismus einfach nicht funktioniert hat. | |
Geschichten über das Verbrennen öffentlicher Gelder zum Zwecke der | |
Veranstaltung eines Fußballturniers lassen sich auch von den anderen | |
Spielorten des Confed Cup erzählen. Da war der komplizierte Umbau des | |
Luschniki-Stadions im Olympiapark von Moskau, das Stadion in Kasan, mit dem | |
der Irrsinn der viel zu groß angelegten Universiade 2013 in der Stadt | |
fortgesetzt wurde, und da ist das Stadion Fischt in Sotschi, dem man für | |
die Winterspiele 2014 ein Dach aufgesetzt hatte, das man ihm für die | |
Fußballturniere wieder abnehmen musste. | |
Es sind diese immer wiederkehrenden Geschichten von der Verschwendung | |
öffentlicher Gelder, von Korruption und Ausbeutung, die immer erzählt | |
werden, wenn die Fifa Quartier bezieht im Land eines Turnierausrichters. | |
Und so ist es nicht nur der miese Ruf Russlands als Macho der Weltpolitik, | |
der dafür sorgt, dass die WM 2018 und die dazugehörige Generalprobe Confed | |
Cup sich nicht so gut vermarkten lassen wie die Turniere der Vergangenheit. | |
Die Fifa selbst mit ihrer korrupten Vergangenheit und Gegenwart ist zum | |
Problem geworden. | |
## Dickes Minus bei der Fifa | |
Mit einem Minus von über 700 Millionen Euro für die Jahre 2016 und 2017 | |
wird kalkuliert. Das soll im WM-Jahr 2018 dank des Verkaufs von TV-Rechten | |
und Sponsorengeldern wieder ausgeglichen werden. Tatsächlich konnte die | |
Fifa in den sechs Wochen ein paar Sponsoren akquirieren. Doch der Vertrag | |
mit dem chinesischen Elektronikkonzern Hisense läuft, anders als die | |
langfristigen Deals vergangener Dekaden, nur bis 2018. Und was ein | |
„Smartphone-Partner“ – als solcher wurde die ebenfalls chinesische Firma | |
Vivo vorgestellt – zu zahlen bereit ist, weiß man nicht so ganz genau. | |
Dass Qatar Airways für den ausgelaufenen Vertrag von Emirates Airlines | |
eingesprungen ist, gilt nach den Verwicklungen des Emirats Katar in die | |
politischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten auch nicht gerade als | |
Volltreffer. Dass sich Fifa-Präsident Gianni Infantino, dem nichts anderes | |
übriggeblieben ist, als achselzuckend zuzusehen, wie der WM-Ausrichter von | |
2022 als Terrorunterstützer an den Pranger gestellt wurde, nun einer | |
anderen Airline bedienen muss, wenn er etwa nach Ägypten reisen möchte, mag | |
wie eine Posse klingen. | |
Welche Auswirkungen die Blockade Katars durch Ägypten, die Vereinigten | |
Arabischen Emirate, Bahrains und vor allem Saudi-Arabiens auf die | |
Fußballwelt wirklich haben, wird sich rund um die Neuwahl des | |
Fifa-Präsidenten 2019 zeigen. | |
Aber nicht einmal in Russland, das sich in seiner Bewerbung für das Turnier | |
so weltoffen gezeigt hatte, mag der Rubel so recht rollen, wenn es um die | |
WM geht. Erst eine Woche vor dem Turnierbeginn wurde ein TV-Deal für den | |
Confed Cup präsentiert. Was der Staatssender Erster Kanal und Match-TV, ein | |
zum Gazprom-Konzern gehörendes Unternehmen, zusammen für Confed Cup und WM | |
zahlen, wurde noch nicht mitgeteilt. | |
Fest steht jedoch, dass der Betrag weit unter den 120 Millionen Euro | |
liegt, die der Fifa vorgeschwebt hatten. Etwa 30 Millionen Euro hatten die | |
Russen für die Übertragungsrechte der WM in Brasilien ausgegeben. Irgendwo | |
dazwischen wird man sich geeinigt haben. | |
## Austrainierte Hooligans | |
In Zeiten eines dauerhaft niedrigen Ölpreises und einer anhaltenden | |
Rezession im Lande, fließen auch die erhofften Oligarchenmillionen zäher. | |
Ein einziger nationaler Sponsor für die WM konnte bisher aufgetrieben | |
werden, die Alfabank. Vielleicht liegt es aber auch am verheerenden Ruf des | |
russischen Fußballs, dass auch im Gastgeberland bislang nicht die große | |
WM-Vorfreude aufkommen will. | |
In der Eliteklasse sind die Spiele so gut besucht wie in Deutschlands Liga | |
drei, am Rande der Begegnungen kann man gut organisierte Schlägereien von | |
austrainierten Hooligans beobachten und die Nationalmannschaft blamiert | |
sich regelmäßig (Weltranglistenplatz 63). Unvergessen ist auch der Auftritt | |
russischer gewalttätiger Fans, die einen Schatten auf die Fußball-EM in | |
Frankreich im vergangenen Jahr geworfen haben. | |
Zwar wurde gerade eine schwarze Liste herausgegeben, auf der die Namen von | |
über 190 einschlägig bekannten Schlägern festgehalten sind, doch noch immer | |
weht der Geist von Marseille durch die Kurven Russlands. | |
Der Chef des Allrussischen Fanverbands, Alexander Schprygin, ein bekannter | |
Exhooligan mit stark nationalistischer Schlagseite, der für die Schlachten | |
von Marseille mitverantwortlich sein soll, ist immer noch Ansprechpartner | |
Nummer eins, wenn es um Fanbelange geht. Dass er auf einer Sitzung des | |
Russischen Fußballverbands wegen der Vorkommnisse in Frankreich verhaftet | |
worden ist, hat sich schnell als Mär herausgestellt. | |
Witali Mutko, Vizepremier des Landes und Chef des Fußballverbands hat diese | |
gern verbreitet, erweckte sie doch den Eindruck, Russland beteilige sich | |
aktiv an der Aufarbeitung des Geschehenen. In Wahrheit war die Polizei | |
wegen einer Hooliganschlägerei im Januar vergangenen Jahres hinter | |
Schrypgin her. Doch verhaftet wurde er auch deswegen nicht. Er verschwand | |
mit den Beamten in der Toilette, wies sie auf einen Formfehler im | |
Haftbefehl hin und blieb auf freiem Fuß. | |
Seine freundschaftlichen Bande mit dem stellvertretenden | |
Parlamentspräsidenten Igor Lebedew dürfte dabei durchaus von Nutzen gewesen | |
seien. Schprygin zeigt sich gern mit dem Rechtsausleger der | |
Liberal-Demokratischen Partei, der die Schläger in Marseille in Schutz | |
genommen hatte und erst im März vorgeschlagen hat, Hooliganismus als eigene | |
Sportart zu betrachten. | |
Gewiss, Confed Cup und WM werden von einem Großaufgebot an | |
Sicherheitskräften bewacht werden. Dass sich russische Hooligans indes auch | |
bei allrussischen Schauveranstaltungen nicht zurückhalten, konnte in diesem | |
Mai beim russischen Pokalfinale beobachtet werden. Mit dem Spiel zwischen | |
Lokomotive Moskau und Ural Jekaterinenburg (2:0) wurde das Stadion von | |
Sotschi feierlich für den Fußball eröffnet. Nach einer Prügelei zwischen | |
Spielern stürmten die Fans das Feld. Über 60 Personen mussten festgenommen | |
werden. | |
16 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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