# taz.de -- Kolumne Russisch Brot: Auf unbespielbarem Boden | |
> Die Russen geben sich beim Confed Cup weltoffen. Und das gelingt – | |
> jedenfalls im Vergleich zur sowjetischen Fußballvergangenheit. | |
Bild: Russland schoss zwei Tore gegen Neuseeland, vielleicht war auch dieser Fu… | |
„Ich kann auf Deutsch antworten und Fjodor spricht perfekt englisch“, | |
erklärt der russische Trainer Stanislaw Tschertschessow. Die | |
Dolmetschanlage wollte nicht so recht, als die Pressekonferenz nach dem | |
ersten Auftaktspiel der Russen gegen Neuseeland anstand, und | |
Tschertschessow, in diesen Tagen so etwas wie der perfekte Botschafter | |
seines Landes, gibt sich gerne weltläufig. | |
„Wir sind ein weltoffenes Team“, sagte der Extorwart, der auch mal für | |
Dynamo Dresden und den FC Tirol gehalten hat, und zeigte auf seinen Stürmer | |
Fjodor Smolow. Der 27-Jährige hatte gegen Neuseeland das 2:0 geschossen und | |
wird nun als der Wunschstar des Landes für das Turnier durch die Medien | |
gereicht. | |
Der Mann war schon vor seinem Tor einer der bekanntesten Kicker Russlands. | |
Das lag gewiss nicht an seiner internationalen Karriere. Eine Saison lang | |
spielte er – manchmal – für Feyenoord Rotterdam. Auch in Machatschkala und | |
Ekatherinenburg lief es nicht gut. Seit er 2015 in Krasnodar angeheuert | |
hat, hat Smolow einen Lauf. In der abgelaufenen Spielzeit der russischen | |
Premier League war er mit 18 Treffern Torschützenkönig. In der davor war er | |
das auch schon. Doch schon bevor er sportlich den Durchbruch schaffte, war | |
er in Russland ein echter Promi. | |
Als 2012 bekannt wurde, dass er mit der russischen TV-Schönheit Viktoria | |
Lopyrewa zusammen ist, freute sich die russische Klatschpresse monatelang. | |
Lopyrewa ist eine ehemalige Schönheitskönigin, ein Model, eine Moderatorin | |
und wer sich wirklich die Eröffnungsfeier des Confederation Cups angesehen | |
hat, dem ist die blonde Mähne, die die junge Frau dabei in die Kameras | |
gehalten hat, gewiss nicht verborgen geblieben. | |
Lopyrewa ist Botschafterin für die WM 2018, genauer für den WM-Spielort | |
Rostow am Don. Sie sagt, was man eben so sagt, wenn man WM-Botschafterin | |
ist. Dass sie Fußball liebt, zum Beispiel. Ihr glauben das alle, denn sie | |
hat ja mal einen Fußballer geliebt. Zum Leidwesen des Boulevards ist die | |
Ehe mit Stürmer Smolow wieder geschieden. | |
## Kaum noch gute Nachrichten | |
In Rostow freut man sich besonders über die blonde Unterstützerin. Die | |
Millionenstadt im Süden Russlands ist nicht besonders gut beleumundet im | |
Land. Die arg graue Industriemetropole hat auch fußballerisch nicht die | |
größte Vergangenheit, auch wenn ihr mit der Qualifikation für die | |
vergangene Champions-League-Saison eine echte Überraschung gelungen ist. | |
Auf eigentlich unbespielbarem Boden besiegte die Mannschaft sogar Bayern | |
München und trotzte später in der Europa League Manchester United ein Remis | |
ab. | |
Seither gibt es kaum noch gute Nachrichten. Nach dem Spiel gegen Manchester | |
auf dem nun wirklich nicht mehr bespielbaren Rasen, wurde das alte Rostower | |
Stadion für Liga-Spiele gesperrt. Der Erfolgstrainer hat das Team Richtung | |
Kasan verlassen, und ob sich das neue WM-Stadion, das im Dezember eröffnet | |
werden soll, füllen lässt, weiß niemand so genau. 10.000 Zuschauer kamen in | |
der letzten Saison im Schnitt zu den Spielen. | |
Die fußballerische Vergangenheit Rostows leuchtet auch nicht besonders | |
hell. Stolz der Stadt ist in dieser Hinsicht Wiktor Ponedelnik, Stürmer der | |
legendären Europameistermannschaft der UdSSR von 1960. Der war aus der | |
zweiten Liga von einem Klub, den man am besten mit BSG Landmaschinenbau | |
Rostow übersetzt, in die Nationalelf berufen worden. Dem nun 80-Jährigen | |
wird in diesen Tagen regelrecht gehuldigt. | |
Die Lieblingsgeschichte, die dabei erzählt wird, ist die von einem Empfang | |
am Tag nach dem Finale 1960 in einem Restaurant. Da sei Santiago Bernabéu, | |
der damalige Präsident von Real Madrid, an den Tisch der Russen gekommen | |
und wollte vom Essen weg fünf Spieler verpflichten. Ponedelnik war einer | |
davon. Natürlich durften die Russen keine Profis im Ausland werden. Die | |
fünf Spieler, so erinnert sich Ponedelnik, haben vom Sowjetverband jeweils | |
200 US-Dollar erhalten und mussten zusichern, niemandem von der Offerte zu | |
erzählen. | |
Im Vergleich zu jenen Tagen ist der russische Fußball heute in der Tat | |
überaus weltoffen. | |
20 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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