Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dieselverbote in München und anderswo: Ignoranz ist nicht mehr
> Nun auch in München: Die EU macht möglich, was die Deutschen nicht
> schaffen – gesundheitsgefährliche Diesel aus den Städten zu verbannen.
Bild: Freie Fahrt für alle? Damit könnte bald Schluss sein
Dass Dieselabgase krank machen, ist keine neue Erkenntnis. Ältere Fahrzeuge
erhöhen [1][mit hohem Feinstaub-Ausstoß] das Lungenkrebsrisiko. Und selbst
die modernsten Dieselautos stoßen auf der Straße meist ein Vielfaches der
erlaubten Menge an Stickoxiden aus – einem Atemgift, das Lunge und Herz
angreift und das nach Angaben der Europäischen Umweltagentur in Deutschland
für rund 10.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr [2][verantwortlich ist].
Doch das war in Deutschland den AutokäuferInnen bisher genau so egal wie
der Politik. Die KundInnen interessierte vor allem, dass die Fahrzeuge dank
unsinniger Steuervorteile im Verbrauch oft günstiger waren. Mögliche
Gesundheitsgefahren spielten keine Rolle. Zumal [3][die eigenen Kinder] von
der schlechten Luft auf den Ausfallstraßen im Zweifel nicht viel
mitbekommen, wenn sie zurück in den grünen Vorort gefahren werden.
Die deutsche Politik blieb ebenfalls untätig. Die große Zahl der Menschen,
die unter den Dieselabgasen leiden, spielte keine Rolle. Asthma-Kranke
haben eben eine schlechtere Lobby als Autofahrer und -hersteller. Weil die
deutschen Autofirmen bei der Dieseltechnolgie führend waren, galt jede
Maßnahme, die den Dieselabsatz bedroht, in Deutschland als Angriff auf die
gesamte Branche.
Doch nun könnte diese Schonung der Dreckschleudern zulasten der Gesundheit
der Innenstadtbewohner endlich ein Ende haben. Zu verdanken haben wir diese
Entwicklung einer sonst gern gescholtenen Institution: der EU. Diese hat
2010 Grenzwerte für Stickoxide erlassen – und durchgesetzt, dass die Werte
flächendeckend erfasst werden. Mit dem Ergebnis, dass die Werte an mehr als
die Hälfte der deutschen Messstationen an größeren Straßen überschritten
werden.
## Nun auch die BMW-Hauptstadt
Auf dieser Grundlage konnten Umweltorganisationen [4][wie die Deutsche
Umwelthilfe] gegen die Untätigkeit der Städte klagen. Und nachdem sich
andere Maßnahmen wie kostenloser ÖPNV an einzelnen Tagen als wirkungslos
herausgestellt haben, forderten zuletzt immer mehr Gerichte Fahrverbote für
Diesel – und drohten dabei mit Zwangsgeldern.
Erst diese Urteile haben die Politiker, die sich jetzt als Vorkämpfer des
Gesundheitsschutzes präsentieren, zum Nachdenken über punktuelle
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gebracht – nach Hamburg und Stuttgart nun
auch in der BMW-Hauptstadt München.
Wie umfassend diese Fahrverbote am Ende ausfallen werden, ist angesichts
des lauten Wehklagens von Wirtschaft und Autofahrerlobby noch offen. Auch
die Stadt München plant Ausnahmen für Dieselfahrzeuge mit der modernsten
Abgasnorm Euro 6 – obwohl auch diese ihre strengeren Stickoxid-Grenzwerte
meist nur im Labor, nicht aber auf der Straße einhalten. Weswegen weitere
Klagen auch gegen diese Fahrzeuge absehbar sind.
Kein Dieselfahrer und keine Dieselfahrerin, das ist die Botschaft aus
diesen Entwicklungen, kann sich also in Zukunft mehr darauf verlassen,
weiter überall seine Mitmenschen vergiften zu dürfen. Und anders als die
gesundheitlichen Warnungen der Vergangenheit scheint diese Botschaft
anzukommen: Blieben die Dieselverkaufszahlen nach Bekanntwerden des
Abgasbetrugs bei Volkswagen und fragwürdiger Tricks bei anderen Herstellern
zunächst noch konstant, so sind sie schlagartig eingebrochen, als die
ersten Debatten über Fahrverbote begannen. Das Risiko, keine freie Fahrt zu
haben, gehen die freien Bürger lieber nicht ein.
## Autoindustrie bleibt sich treu
Doch während die VerbraucherInnen sich unter dem Druck von EU und Gerichten
allmählich vom Diesel abwenden, steht die deutsche Autoindustrie
unverdrossen zur 120 Jahre alten Technik. Volvo steigt aus dem Diesel aus,
chinesische Hersteller stecken viel Geld in die Entwicklung von
Elektromotoren, doch VW, Daimler und BMW investieren weiter in die
Vergangenheit.
Anders als saubere Luft lässt sich eine zukunftsfähige Geschäftspolitik
nicht vor Gericht erzwingen, sondern allenfalls durch
Verbraucherentscheidungen oder neue politische Vorgaben. Doch wenn sie
darauf warten, könnte es für die deutschen Autoriesen zu spät sein, den
Umstieg noch zu schaffen. Gewarnt waren sie jedenfalls.
14 Jun 2017
## LINKS
[1] /Dreckige-Diesel-jetzt-offiziell-dreckiger/!5400029
[2] /Hauptursache-fuer-umweltbedingte-Todesfaelle/!5097520
[3] /Schadstoffbelastung-durch-Verkehr/!5309972
[4] /Umstrittener-Luftreinhalteplan/!5415846
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
BMW
Todesfälle
Dieselskandal
München
Autoindustrie
Stickoxide
Abgase
Krebs
Diesel
Diesel
Elektroauto
Dieselskandal
Grenzwerte
Lesestück Recherche und Reportage
Dieselskandal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dicke Luft im Stuttgarter Talkessel: Streit um Fahrverbote
Die Deutsche Umwelthilfe will Baden-Württemberg zur Grenzwert-Einhaltung
zwingen. Aber das Land tut sich mit Fahrverboten schwer. Warum nur?
Volvo stellt Produktion um: Der Autoproduzent wird elektrisch
Der Autohersteller will ab 2019 neue Modelle nur noch mit Elektro- oder
Hybridmotor bauen. Für Volvo ist es eine strategische Weichenstellung.
Umgang mit dem Abgas-Skandal: Dobrindts Sauber-Zauber
Verkehrsminister Dobrindt sieht nur noch zwei von ehemals 19 CO2-Sündern
bei Dieselautos. Er kündigt ein neues Institut zur Abgasmessung an.
Dreckige Diesel jetzt offiziell dreckiger: Absurd, aber legal
Diesel-Pkws überschreiten die Grenzwerte für Stickoxide bis zum
Sechsfachen. Das Umweltbundesamt hat jetzt erstmals realitätsnah gemessen.
Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes: Das Märchen vom Diesel
Autos mit Dieselmotor gelten als Klimaschützer. Doch interne Messungen der
Behörden belegen längst, dass das nicht stimmt.
Zukunft von Volkswagen: Morgen grün, heute profitabel dreckig
2025 will VW Öko-Vorreiter sein. Heute produziert der Konzern
Milliardengewinne und Autos, die selbst nach Rückruf Grenzwerte knacken.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.