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# taz.de -- Mord an einem Kind in Flüchtlingsheim: Was lief schief?
> Ein afghanischer Straftäter hat einen russischen Jungen getötet und
> dessen Mutter verletzt. Die Landespolitik diskutiert über Konsequenzen.
Bild: Polizei und Spurensicherung am 3.6. in Arnschwang
München taz | Wie kann es sein, dass …? So beginnen Fragen, in denen
Menschen ihre Fassungslosigkeit über grausame Bluttaten zu artikulieren
versuchen. Wie kann es sein, dass ein Gericht die Abschiebung eines
Flüchtlings verbietet, der bereits wegen schwerer Brandstiftung im
Gefängnis saß? Wie kann es sein, dass der Mann dann auch noch in einer
Unterkunft zusammen mit alleinerziehenden Müttern lebt? Kurz: Wie kann es
sein, dass niemand verhinderte, dass ein 41-jähriger Afghane am
Samstagabend im oberpfälzischen Arnschwang einen fünfjährigen Jungen aus
Russland erstach und dessen Mutter schwer verletzte?
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann etwa hat kein Verständnis für die
Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts, das ein Abschiebeverbot
verfügt hatte. Der Grund: Der Afghane war in der Haft zum Christentum
konvertiert, jetzt hätte ihm Todesgefahr in seiner Heimat gedroht. In
Fällen, in denen Konvertiten die Todesstrafe droht, könne er das
nachvollziehen, sagte der CSU-Politiker. „In diesem konkreten Fall ist es
für mich nicht recht einsichtig.“ Hermann vermutet, dass der Übertritt nur
vorgeschoben war, um einer Abschiebung zu entgehen.
Aber auch die Grünen haben eine Schuldige gefunden. Von einem schweren
Fehler, für den die CSU-Regierung die Mitverantwortung trage, spricht die
Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Kamm. Sie fordert ein
Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften:
Frauen, die allein oder nur mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet
sind, dürften nicht gemeinsam mit alleinstehenden Männern untergebracht
werden.
Die genauen Hintergründe der Tat in der 2.000-Einwohner-Gemeinde im
Landkreis Cham sind noch nicht geklärt. Fest steht für die Ermittler, dass
der Täter den fünf Jahre alten Jungen in seine Gewalt brachte und ihn mit
einem Messer tötete. Auch die Mutter erlitt gefährliche
Schnittverletzungen. Der Täter wurde von einem Polizisten mit acht Schüssen
getötet.
In der Vergangenheit soll es zu kleineren Streitereien zwischen dem Mann
und der Mutter wegen Lärmbelästigung gekommen zu sein. Wie die Regierung
der Oberpfalz mitteilte, gab es für die Mitarbeiter in der Unterkunft aber
keinerlei Anhaltspunkte für eine Eskalation.
## Gefährlichkeit bekannt
Dass der Mann nicht ungefährlich war, war freilich bekannt. Im Oktober 2009
war er in München wegen schwerer Brandstiftung infolge eines
Familienstreits zu fast sechs Jahren Haft verurteilt worden. Nach deren
Verbüßung wollte die Stadt München ihn abschieben, doch das
Verwaltungsgericht untersagte dies. Nach seiner Entlassung war der Mann
lediglich geduldet und musste eine elektronische Fußfessel tragen.
Wo der Mann untergebracht wurde, war die Entscheidung der Regierung der
Oberpfalz. Der Afghane habe dem Asylbewerberleistungsgesetz unterlegen und
sei verpflichtet gewesen, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, ließ
diese in einer Pressemitteilung verlauten. „Aufgrund der damaligen
Zugangssituation und der Konversion des Afghanen zum Christentum“ sei nur
die „nicht überwiegend muslimisch geprägte Unterkunft in Arnschwang“ in
Frage gekommen.
Aber hätte man dem besonderen Fall nicht doch anders Rechnung tragen
müssen? Und gibt es noch weitere Straftäter in oberpfälzischen
Asylunterkünften? Für weitere Angaben bat die Regierung der Oberpfalz um
Geduld.
7 Jun 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
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