Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Upcycling mit Anleitung: Am Seil hängt das Leben
> Fünf Jahre war das Kletterseil ein treuer Begleiter. In seinem zweiten
> Leben ist es eine Obstschale. Wir zeigen, wie das geht.
Bild: Früher hielt es Menschenkörper, nun hält es Früchte zusammen
Klettern? Mach ich nicht. Ich mag keinen Sport, keine Natur, und Höhenangst
hab ich auch noch. Aber seit Klettern in Mode gekommen ist, kenne ich kaum
noch Leute, die nicht klettern oder zumindest bouldern (das ist Klettern
ohne Sicherung an kleineren Felsen oder einer Kletterwand). Klettern
scheint das Wandern für Coole zu sein. Eine Bekannte war neulich sogar auf
einer Kletter-WG-Party, die damit endete, dass die Anwesenden den Esstisch
von allen Seiten bekletterten. Ja, es war Alkohol im Spiel.
Ein Freund von mir ist Kletterer. Er fing damit schon an, als es noch keine
Trendsportart war. Kürzlich musste er sich ein neues Seil besorgen. Das
alte war abgenutzt. Damit das Seil wirklich sicher ist, muss es alle vier
bis fünf Jahre ausgetauscht werden, sagen die Hersteller.
Gekauft hatte der Kletterer es für ein Wochenende im slowenischen Osp;
nicht sein erster Kletterurlaub, aber der erste mit eigenem Seil. Beim
Klettern benutzt man nämlich immer zu zweit ein Seil – einer klettert und
einer sichert von unten ab. Wenn der Kletterer dann an einem bestimmten
Punkt angekommen ist, zieht er seinen Partner nach und sichert ihn dabei.
In Osp waren aber keine anderen Kletterer mit eigenem Seil dabei.
Kletterer leihen ihre Kletterseile nicht aus; schließlich hängt vom Seil im
Zweifelsfall das Leben ab. Also ging der Kletterer einen Tag vor dem Urlaub
in den Outdoorladen und kaufte sich 60 Meter Kletterseil.
Osp liegt zwei Kilometer hinter der italienischen Grenze, in der Nähe von
Triest. Nicht einmal 200 Menschen leben hier, es gibt mehr Kletterouten als
Einwohner, für jeden Schwierigkeitsgrad ist was dabei. Eine Felswand führt
einmal ums Dorf und schließt Osp wie einen Kessel ein. Wenn man im Dorf
steht, sieht man ringsum kleine Punkte an den Felsen. Und überall im Dorf
und auf dem Campingplatz, der mitten in der Natur liegt, verkaufen die
Einheimischen Wein aus großen Fässern – roten Wein, weißen Wein, vor allem
aber guten Wein.
## Eine Frage des Vertrauens
Die Erinnerung an den Wein ist das, was vom Urlaub hängen geblieben ist.
Und die Geschichte von der Kletterfreundin, die nicht mehr runterwollte vom
Felsen. Sie hat Höhenangst. Hochklettern funktionierte noch ganz gut. Aber
oben bekam sie Panik, inklusive Heulattacke. Natürlich musste sie trotzdem
wieder runter. Sie schaffte es. Und sie klettert weiter, bis heute.
Das Wichtigste beim Klettern sei das Vertrauen, sagt der Kletterer:
Vertrauen ins Seil und Vertrauen in denjenigen, der den Kletternden
sichert. Deswegen verleiht auch der Kletterer sein Seil nicht an Freunde.
Schließlich wisse man nie, was dann wirklich passiert mit dem Seil. Ob es
scharfe Kanten gegeben hat auf der Strecke, ob jemand mit dem Seil gestürzt
ist, all so was.
Osp war das erste Kletterwochenende mit dem Seil. Danach war es noch in
Steinbrüchen um Halle herum, am italienischen Gardasee, in der Sächsischen
Schweiz, im Oberrheintal in Süddeutschland dabei. Fünf Jahre lang war es
der treue Begleiter des Kletterers. Es ist ihm ans Herz gewachsen, sagt er.
Ein kleiner Rest ist für mich übrig geblieben, um schönen Müll daraus zu
machen: Eine Seilschale, die eigentlich als Obstschale gedacht war und
jetzt im Flur des Kletterers steht. Schlüssel und Fahrradlichter werden
darin aufbewahrt. Und Erinnerungen.
## Anleitung
1. Für eine Schale mit einem Durchmesser von zwanzig Zentimetern brauchen
Sie etwa drei Meter Seil.
2. Das Seil gut auswaschen, von Hand mit warmem Wasser und Spülmittel oder
in der Waschmaschine. Danach gut trocknen lassen.
3. Mit einem Feuerzeug zunächst ein Ende des Seils versiegeln. Dabei die
Flamme nicht zu nah an das Seil kommen lassen, da die Kunststofffasern
sonst verkohlen und schwarz werden – lieber langsam und mit größerem
Abstand vorgehen. Vorsichtig den noch heißen Kunststoff mit einem
angefeuchteten Finger in Form drücken.
4. Nun wird genäht, von Hand. Sie brauchen eine stabile, nicht zu dünne
Nadel und einen reißfesten Faden – sollen die Nähte unsichtbar sein, können
Sie einen Nylonfaden benutzen.
5. Rollen Sie das versiegelte Seilende zu einer kleinen, flachen Schnecke
auf. Nähen Sie die nun jeweils aneinanderliegenden Seiten des Seils
zusammen. Wichtig ist, nur durch den Mantel, also die äußere Schicht des
Seils zu nähen, denn der innen liegende Kern ist sehr dicht gewebt. Führen
Sie die Nadel durch den Mantel des einen Seilstücks, und dann zurück durch
den Mantel des daneben liegenden Seilstücks. Es geht einfacher, wenn Sie
dabei mit der Webstruktur des Mantels gehen.
6. Rollen Sie die Schnecke ein wenig weiter und nähen Sie die neu
entstandenen Abschnitte wie beschrieben fest. Dabei darauf achten, dass der
Faden nicht zu locker geführt wird, da die Schale sonst später nicht stabil
ist. So Stück für Stück weiterrollen und -nähen, bis die gewünschte
Grundfläche erreicht ist.
7. Für die Seitenwände geht es in die Höhe. Legen Sie das Seil also nicht
mehr flach an der Außenseite der Grundfläche an, sondern leicht schräg nach
oben. Die Nähtechnik bleibt gleich.
8. Ist auch die gewünschte Höhe erreicht, schneiden Sie das Seil ab und
versiegeln das Ende wie oben beschrieben. Nun das Seilende festnähen.
Fertig.
14 May 2017
## AUTOREN
Christina Spitzmüller
## TAGS
Upcycling
Klettern
Mode
Klettern
Trendsport
Upcycling
Upcycling
Upcycling
Upcycling
Upcycling
Upcycling
Klettern
Bergsteigen
Rügen
Handwerk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mode-Accessoire Chalkbag: Wenn das Handy in der Kreide steht
Eigentlich fürs Trockenhalten kletternder Finger gedacht, baumelt der
Kreidebeutel jetzt an Großstädterhüften. Muss das sein?
Schnellste Speedkletterin Deutschlands: Gegen die Zeit
Nuria Brockfeld hat bei den deutschen Meisterschaften einen Rekord
aufgestellt. 15 Meter in knapp über acht Sekunden. Ihr nächstes Ziel ist
Olympia.
Trendsportart Murmelrennen: Rollt richtig rund
Murmelrennen erleben dank der sportfreien Coronazeit einen Boom. Die
Mischung aus Kindheit und Professionalität begeistert die Sportfans.
Upcycling-Mode gegen den Klimawandel: Pullis gegen CO2
Mode und Klima müssen keine Gegensätze sein: Studierende der TU Berlin
zeigen eine Kollektion aus recyclter Wolle. Dazu gib's Apfelschnitze.
Upcycling von alten Sonnenschirmen: In der Wohnung draußen sein
Selbst dieser Sommer geht einmal zu Ende und damit der Urlaub auf
Balkonien. Aus den Sonnenschirmen von gestern werden Übergangsmäntel.
Upcycling von alten CD-Hüllen: Schweigendes Silber
Die CD war ein Übergangsmedium zwischen analoger und digitaler Ära. Sie
taugt nicht mal mehr als Retrochic. Außer, man baut eine Box daraus.
Upcycling beim Lampenbauer: Er bringt Schrott zum Leuchten
Thermoskannen als Tischlampen, Guglhupfformen als Deckenfluter: Ivo Hofsté
macht Einrichtungsgegenstände aus Abfällen.
Was man mit Kickerstangen machen kann: Männchen gehören über den Herd
Von einer, die auszog, Kickern zu lernen. Und einem selbst gebauten
Küchenutensil, an das Küchenutensilien gehängt werden können.
Upclyling im Museum: Abfall aufgewertet
Die Ausstellung „Pure Gold“ zeigt im Museum für Kunst und Gewerbe, wie man
mit kreativen Methoden aus Müll Neues, Nützliches und Schönes machen kann.
Klettern bei den World Games: Rumhängen in freier Luft
Alma Bestvater gehört zur Weltspitze in ihrem Sport. Nun bouldert sie bei
den World Games. 2020 muss sie einen „Kletter-Triathlon“ beherrschen.
Zum Tod des Bergsteigers Ueli Steck: Das Leben, ein Risiko
Der Bergsteiger Ueli Steck verschob die Grenzen menschlicher
Leistungsfähigkeit. Ende April ist er im Himalaja tödlich abgestürzt.
Upcycling an der Ostsee: Strandgut als Rügen-Souvenirs
Treibholz, Fragmente verschlissener Fischernetze, Steine, Hühnergötter –
die kreative Wiederverwertung von Müll zu Kunst, Mode und Mitbringseln.
Buch „Apokalypse jetzt!“: Der individuelle Konsumstreik
Ein Jahr lang hat unsere Autorin nichts eingekauft und alles selbst
hergestellt. Was dabei herauskommt, wenn man die Dinge wieder selbst in die
Hände nimmt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.