# taz.de -- Vertreibung von Wohnungslosen wegen G20: In Hamburg sagt man Tschü… | |
> Obdachlose sollen zum G20-Gipfeltreffen aus der Hamburger Innenstadt | |
> raus. Straßensozialarbeiter fürchten, dass sie zwischen die Fronten | |
> geraten könnten. | |
Bild: Sollen zum G20-Gipfel aus der Innenstadt raus: Obdachlose, die hier Platt… | |
HAMBURG taz | Zum G20-Gipfel wird in Hamburg Ausnahmezustand herrschen: | |
hunderte Staatsgäste, ein riesiges Polizeiaufgebot und | |
Demonstrationsverbote. Nun sollen auch noch die Obdachlosen aus der | |
Innenstadt raus. Mitte-Bezirkschef Falko Droßmann hatte im Straßenmagazin | |
Hinz & Kunzt geraten, sie sollten Hamburg zu G20 verlassen. Stephan | |
Karrenbauer von Hinz & Kunzt sieht die Sozialbehörde in der Verantwortung, | |
für alle Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu schaffen – nicht nur zum | |
Gipfel. | |
„Unser Vorschlag ist es, das Winternotprogramm wieder zu öffnen“, sagt | |
Karrenbauer. Er fordert, eine Unterkunft am Michel zum G20-Gipfel wieder in | |
Betrieb zu nehmen, und zwar schnellstmöglich und nicht erst zwei Tage vor | |
dem Gipfel. Die Obdachlosen müssten einen Ort haben, an dem sie sich auch | |
tagsüber aufhalten können. Das beste sei, wenn sich die Info per „Stille | |
Post“ unter den Obdachlosen verbreite und sie nicht gezwungen werden, zu | |
gehen. | |
Die Sozialbehörde fühlt sich nur für bestimmte Obdachlose zuständig. Im | |
März hatte der Sprecher der Sozialbehörde Marcel Schweitzer erklärt, allen | |
Obdachlosen, die man von Gesetzes wegen unterbringen könne, habe man eine | |
Unterkunft angeboten. Doch von diesem Angebot sind viele ausgeschlossen. Um | |
einen Anspruch auf einen Platz in einer Unterkunft zu haben, müssen die | |
Obdachlosen deutsche Staatsbürger sein oder als EU-Bürger in Deutschland | |
sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. | |
Schweitzer wollte sich auf taz-Anfrage nicht zu der Forderung äußern, das | |
Winternotprogramm wieder zu öffnen. Er sagte nur soviel: Er habe sie zur | |
Kenntnis genommen. Aussichtsreich scheint der Vorschlag jedoch nicht zu | |
sein: Einer der beiden städtischen Standorte werde bereits abgebaut und | |
eine Genehmigung für den Standort nahe des Michel liege nicht vor. | |
Für die Sozialbehörde scheint das Problem der Unterbringung auch jetzt | |
nicht so groß zu sein. „Grundsätzlich ist nicht damit zu rechnen, dass es | |
stadtweit relevante Auswirkungen des G20-Gipfels geben wird“, sagt | |
Schweitzer. Ausgenommen seien wenige Orte, wie rund um die Messehallen. Wie | |
viele Obdachlose dort auf der Straße leben, kläre die Behörde aktuell | |
gemeinsam mit Sozialarbeitern. | |
Stephan Karrenbauer sieht dringend Handlungsbedarf: Er schätzt, dass 300 | |
Menschen einen alternativen Schlafplatz brauchen werden. Die Sozialbehörde | |
sei nun am Zug. Doch für Schweitzer stellt sich die Frage alternativer | |
Unterbringung erst, wenn Zahlen vorliegen. Wie eine Alternative aussehen | |
könnte, will die Behörde erst anschließend klären. Das könne bis Juni | |
dauern. | |
Doch Vertreibung von Obdachlosen aus der Innenstadt gibt es schon jetzt. | |
Einige seien bereits mit Beschwerden auf sie zugekommen, sagte Birgit | |
Müller von Hinz & Kunzt. Die Obdachlosen seien von Polizisten darauf | |
hingewiesen worden, dass sie ihre Platte möglicherweise bald räumen | |
müssten. Hinz & Kunzt und Bezirks-Chef Droßmann seien sich einig, dass | |
Obdachlose während des Gipfels zwischen die Fronten geraten könnten, sagt | |
Müller. So könnten sie etwa aufgefordert werden, ihr Gepäck durchsuchen zu | |
lassen. | |
„Geht für ein paar Wochen in eine andere Stadt oder meidet zumindest die | |
Messe, die City – überhaupt das Kerngebiet“, hatte das Straßenmagazin | |
Droßmann zitiert. Der war sich aber nun doch nicht mehr mit Hinz & Kunzt | |
einig und beschwerte sich in der Bild-Zeitung: Er habe das weder so gesagt, | |
noch sei das Zitat autorisiert gewesen, ruderte er zurück. Müller räumte | |
ein, dass Droßmann mit seiner Aussage nie gemeint habe, Obdachlose aus der | |
Stadt zu vertreiben. Autorisiert habe er das Zitat aber. Droßmann war für | |
die taz nicht zu sprechen. | |
Für das Straßenmagazin Hinz & Kunzt steht fest: Es fehlt ein Konzept zum | |
Umgang mit Obdachlosen während des G20-Gipfels. Und auch die Grundforderung | |
gelte für Karrenbauer weiterhin: „Die Sozialbehörde muss alle Wohnungslosen | |
dauerhaft unterbringen.“ | |
3 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Milena Pieper | |
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