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# taz.de -- Wahlkampf nach Anschlag in Manchester: United gegen den Terror
> Als Reaktion auf den Terroranschlag wurde der Wahlkampf ausgesetzt.
> Theresa May ist in ihrem Element: starker Staat, innere Sicherheit.
Bild: Im Angesicht des Terrors zählt Liebe mehr als Politik
Berlin taz | Der [1][Anschlag von Manchester] ist der schwerste
Terroranschlag in Großbritannien seit dem 7. Juli 2005, als in London 56
Menschen in U-Bahnen und Bussen getötet wurden. [2][Der Wahlkampf] für die
Parlamentswahlen in zwei Wochen ist ausgesetzt. In düsterer Kleidung und
mit düsterer Miene trat Premierministerin Theresa May am späten
Dienstagvormittag vor ihrem Londoner Amtssitz vor die Presse.
„Die Menschen von Manchester und dieses Landes sind einem herzlosen
Terrorangriff zum Opfer gefallen – ein Angriff, der kalt kalkuliert auf
einige der Jüngsten in unserer Gesellschaft zielte“, erklärte May und
schloss ihre Ansprache mit einer deutlichen Ansage: „Die Terroristen werden
niemals siegen – und unsere Werte, unser Land und unsere Lebensart werden
immer die Oberhand behalten.“
Es ist nicht der erste Terroranschlag in Manchester. Am 15. Juni 1996
sprengte die nordirische katholische Terrororganisation IRA
(Irisch-Republikanische Armee) das Einkaufszentrum Arndale mitten im
Stadtzentrum in die Luft. Opfer gab es keine, da rechtzeitig gewarnt wurde,
aber gigantischen Sachschaden. Der Wieder- und Neuaufbau seitdem hat die
nordenglische Metropole zu einer der selbstbewusstesten Städte des Landes
gemacht, ein mit London rivalisierendes Zentrum der Kreativ- und
Medienbranchen. Dass hier mit der Manchester Arena Großbritanniens größte
Konzerthalle entstand, war folgerichtig.
Genau dieses moderne, weltoffene und selbstbewusste Manchester ist nun zum
islamistischen Terrorziel geworden. Weder das Ziel noch das Datum des
Selbstmordattentats vom späten Montagabend, den am Dienstagnachmittag der
IS („Islamischer Staat“) für sich reklamierte, erscheinen zufällig. Es
ereignete sich genau vier Jahre nach der [3][Ermordung des Soldaten Lee
Rigby] auf offener Straße im Osten Londons durch einen mit einem mit einem
Beil bewaffneten Islamisten nigerianischer Abstammung, und genau zwei
Monate nachdem ein mit Messern bewaffneter Islamist ein Blutbad auf der
Londoner Westminster Bridge und in der Einfahrt zum Parlamentsgebäude
anrichtete. Der 22. wird zum Terrortag.
## Manchester ist Labour-Hochburg
Was heißt dieser Anschlag nun für Großbritannien und den Endspurt des
Wahlkampfs für vorgezogene Neuwahlen am 8. Juni? Erst einmal herrscht quer
durch alle politischen Lager Entsetzen und Einmütigkeit, der Wahlkampf ist
auf Eis gelegt, voraussichtlich bis zum Wochenende. Großbritannien steht
vereint gegen den Terror.
Manchester ist Labour-Hochburg: Die linke Opposition hält 22 der 27
Wahlkreise im Parlament und 94 der 96 Sitze im Stadtrat. Als am 4. Mai zum
ersten Mal ein Oberbürgermeister für den Großraum Manchester gewählt wurde,
siegte Labour-Politiker Andy Burnham mit 63,4 Prozent. Burnham, [4][der als
potenzieller Rivale] seines Parteichefs Corbyn gilt, traf in seiner
Reaktion auf den Terroranschlag den Ton: „Wir trauern, aber wir sind
stark.“ Die Stadt verspüre jetzt „Schock, Wut und Schmerz“.
„Wenn ihr denkt, dass der Hass uns spalten wird, habt ihr die falsche Stadt
erwischt“, schrieb der Buchautor Dave Haslam in einem [5][vieltausendfach
geteilten Tweet]. Ein lokaler Spendenaufruf für die Familien der Opfer
erbrachte schon nach wenigen Stunden über 300.000 Pfund (über 350.000
Euro).
Aber einen solchen Terrorakt, der auf Teenager zielte und noch viel mehr
Tote hätte fordern können, steckt niemand einfach weg. „Dies spielt in
einer anderen Liga als die IRA-Bombe“, twittert aus Manchester der
Marketingmanager Michael Di Paola. „Manchester kann gute Miene zum bösen
Spiel machen, aber ich bin durch die Stadt gegangen und die Leute sind
erschüttert.“
## Corbyn nimmt das Wort „Terror“ nicht in den Mund
Gemeinschaftsgefühl und Erschütterung – das [6][nützt politisch am ehesten
Theresa May]. Wenn es um innere Sicherheit und um Terrorbekämpfung geht,
ist die konservative Premierministerin in Großbritannien unangefochten.
Sechs Jahre lang Innenministerin unter David Cameron, dann geräuschlos
inmitten der Brexit-Flügelkämpfe bei den regierenden Konservativen im
vergangenen Juli an die Macht aufgestiegen, seitdem unbeugsam und
entschlossen – May verkörpert den starken Staat.
Der Terroranschlag von Manchester habe die Briten „spalten“ wollen, aber
sie stattdessen zusammengeführt, sagte May gestern. „Strong and stable“,
stark und stabil – das ist ihr persönlicher Slogan im Wahlkampf, bei dem
sie allen Umfragen zufolge auf einen haushohen Sieg zusteuert. Der
glücklose Labour-Chef Jeremy Corbyn schaffte es in seiner Reaktion auf den
Anschlag von Manchester nicht einmal, das Wort „Terrorismus“ in den Mund zu
nehmen – in den vergangenen Tagen hatte die konservative Presse Corbyns
frühere Sympathien für die IRA thematisiert.
Teile der rechten Presse schlagen jetzt zwar radikale Töne ein. „Wir
brauchen einen Ausnahmezustand wie Frankreich“, schrieb die konservative
Publizistin Allison Pearson. „Wir brauchen Internierung tausender
Terrorverdächtiger, um unsere Kinder zu schützen.“ Das wäre der alte
nordirische Weg in den Zeiten des Krieges gegen die IRA – ein auf allen
Seiten schmutziger Krieg. Dorthin will aber eigentlich niemand zurück.
Theresa May steht für Kontinuität: Ihr müsst uns vertrauen, wir haben alles
im Griff. Das ist ihr Appell ans Wahlvolk allgemein, damit sucht sie
mittels Neuwahlen ein „starkes Mandat“ für die Brexit-Verhandlungen, und in
Belangen der inneren Sicherheit gilt das Prinzip des Vertrauens im
britischen Staatsverständnis ohnehin.
## Sicherheitsbehörden waren nicht völlig überrascht
May hat in Reaktion auf den Anschlag von Manchester nicht einmal die
landesweit geltende Terrorwarnstufe hochgesetzt. Sie will durch
Gelassenheit Beruhigung erzeugen, sie verlässt sich auf die Arbeit der
Polizei, auf die Institutionen und das Bewährte. Die Labour-Opposition wird
daran nichts grundsätzlich auszusetzen haben. Sie wird höchstens anmahnen,
dass die Polizei personell und finanziell aufgestockt werden muss. Das
steht so auch schon im Labour-Wahlprogramm.
Die raschen Razzien und Festnahmen in der islamistischen Szene in
Manchester zeigen, dass die Sicherheitsbehörden jetzt nicht völlig
überrascht sind. Der Attentäter vom Montag sei polizeibekannt, heißt es.
Erstmals wurden 2006/2007 in Manchester mehrere mutmaßliche Angehörige
islamistischer Terrorgruppen verhafte.
Nach erneuten Festnahmen im Jahr 2009 verurteilte im November 2015 ein New
Yorker Gericht den pakistanischstämmigen Studenten Abid Naseer aus
Manchester, der zwischenzeitlich in die USA ausgeliefert worden war, zu 40
Jahren Haft: Er habe wie einst die IRA das Einkaufszentrum Arndale in die
Luft sprengen wollen – aber anders als die IRA ohne Vorwarnung.
Auch gestern wurde nach einem verdächtigen Knall das Arndale wieder
evakuiert. Das Trauma des Terrors wird Teil der Manchester-Lebensart.
23 May 2017
## LINKS
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[5] https://twitter.com/Mr_Dave_Haslam
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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