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# taz.de -- Kommentar Wahl in Großbritannien: Brexit war gestern
> Über Europa herrscht Einigkeit. Deshalb rücken im Wahlkampf andere Themen
> in den Blickpunkt. Für Theresa May wird das zum Problem.
Bild: Überraschende Wende: Theresa May (rechts) geht noch mal zur Schule
Mit dem Anschlag von Manchester ist der Terror in die britische Politik
zurückgekehrt. Plötzlich reden alle nur noch über die innere Sicherheit und
den hausgemachten Islamismus. Es sind vertraute Fragen: Wenn der Täter
polizei- und geheimdienstbekannt war, hätte man den Anschlag verhindern
können? Gibt es Defizite bei Ausstattung und Kompetenzen von Polizei und
Geheimdiensten? Und hat es irgendetwas mit der britischen Außenpolitik zu
tun, [1][vor allem in Libyen?]
Großbritanniens vorgezogene Parlamentswahlen am 8. Juni sind keine zwei
Wochen mehr entfernt, und solche Fragen sind als Wahlkampfthemen schwierig.
Zu einhellig ist der nationale Konsens gegen den Terror. Für die
konservative Premierministerin und langjährige Innenministerin Theresa May
ist eine Terrordebatte ein Heimspiel – und für Labour-Oppositionsführer
Jeremy Corbyn, einen langjährigen Sympathisanten der IRA, ist es seine
Achillesferse.
Um so paradoxer ist es, dass in dieser Woche etwas Seltsames passiert: Mays
uneinholbar geglaubter Vorsprung in den Umfragen schmilzt, Labour holt
stetig auf. Wie kommt das?
Als May direkt nach Ostern die vorgezogenen Neuwahlen ansetzte, ging es ihr
vor allem um eines: ihre schmale Mehrheit im Parlament auszubauen, um bei
den anstehenden Brexit-Verhandlungen mit der EU gegen Überraschungen und
Abweichler in den eigenen Reihen gefeit zu sein. Die tiefe Krise der nach
links gewendeten Labour-Opposition unter Jeremy Corbyn, die neue Schwäche
der ausschließlich auf ein zweites Unabhängigkeitsreferendum fixierten
schottischen Nationalisten, das Verschwinden der dank Brexit überflüssig
gewordenen Anti-EU-Partei Ukip – all dies war die perfekte Vorlage für
einen hohen konservativen Sieg: die Parlamentswahl als Abstimmung über das
Vertrauen in die Premierministerin.
Mays Glaubwürdigkeitsvorsprung in Sachen Brexit ist unangefochten. Aus dem
Referendumswahlkampf 2016 hielt sie sich heraus. Ihr Bestreben, den Brexit
jetzt ohne Widerworte umzusetzen, kommt als Ausdruck von Uneigennützigkeit,
Pflichtbewusstsein, Respekt vor dem Wählerwillen gut an. Niemand hat im
Wahlkampf versucht, Mays Mantra von einer „starken und stabilen Führung“
als Voraussetzung eines erfolgreichen Brexit wirklich zu widersprechen.
## Die Entscheidung ist gefallen
Der Versuch der proeuropäischen Liberaldemokraten, mit einer Pro-EU-Haltung
zu punkten, ging nach hinten los: Die Briten wollen keinen neuen
Brexit-Streit. Die Entscheidung ist gefallen, jetzt soll man sie umsetzen,
und in allen politischen Lagern trauen die Leute May zu, sich am
hartnäckigsten und kompetentesten für britische Interessen in Europa
einsetzen zu können.
Wenn aber über den Brexit breiter Konsens herrscht, fällt der Brexit als
Wahlkampfthema flach, obwohl er die Begründung für die Wahl ist. Damit
rücken andere Themen in den Blickpunkt, und da steht die
Sicherheitspolitikerin May plötzlich wacklig da: Pflegenotstand,
Erbschaftsteuer, Schulpolitik.
## Es geht ganz banal um britische Innenpolitik
Und mit dem Anschlag von Manchester gibt es wieder ein neues Thema – aber
es führt nicht zum Brexit zurück, sondern noch weiter weg. In Sachen
Terrorbekämpfung und Geheimdienstarbeit spielt der EU-Austritt keine Rolle,
denn da soll die Kooperation zwischen Großbritannien und der EU
unvermindert weitergehen. Es geht wieder ganz banal um britische
Innenpolitik – und nicht um die Agenda, um die herum May ihren Wahlkampf
aufgebaut hat.
Mit dem faktischen Ausnahmezustand auf Londoner Straßen geht der
Ausnahmezustand in der britischen Politik zu Ende. Die Phase, in der Europa
alles dominierte, ist vorbei. Noch vor dem formalen Brexit, also dem
Austritt Großbritanniens aus der EU, kommt der mentale Brexit, also die
Loslösung der britischen politischen Debatte von der Fixierung auf Europa.
Je ausschließlicher Theresa May für sich mit dem Brexit-Thema wirbt, desto
mehr Wähler fragen sich, ob diese Premierministerin auch für die anderen
Themen die Richtige ist.
27 May 2017
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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