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# taz.de -- Wirtschaftliche Lage der Kakaobauern: Die bittere Seite des Süßen
> Der Schokoladenpreis sinkt. Die Verbraucher merken davon kaum etwas, doch
> die Bauern erhalten weniger Geld für ihre Kakaobohnen.
Bild: Diese Kakao-Bohnen werden bald zu Schokolade
Berlin taz | Millionen Schokohasen, Schokoeier und Pralinen verkaufen die
Supermärkte in diesen Tagen. Für wenige Euro sind die Süßigkeiten in den
Läden zu haben. Doch der wertvolle Rohstoff, der Kakao, stammt häufig aus
problematischem Anbau.
Rund 60 Prozent der Kakaobohnen, die in Deutschlands verkaufter Schokolade
stecken, kommen aus der Elfenbeinküste. Tausende Bauern leben von der Ernte
der Pflanzen in dem westafrikanischen Land. Die ivorische Regierung zahlt
ihnen seit 2011 einen Mindestpreis, den der Conseil Café Cacao – eine Art
staatlicher Vermarktungsplattform – benennt. Dank garantiertem Preis können
die Bauern mit einem konkreten Einkommen rechnen.
Für den europäischen Markt sind besonders die an der Terminbörse in London
gehandelten Preise für Rohkakao wichtig. „Dank spekulativem Handel ist der
Preis seit 2013 stark gestiegen“, sagt Andreas Christiansen, Vorsitzender
des Verbands der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen. Angetrieben wurden
die Spekulanten – also Hedgefonds und Finanzinstitute – durch die hohen
Ernteverluste, bedingt durch das jüngste Klimaphänomen El Niño. Bis heute
leiden viele Regionen Afrikas an dessen Folgen.
Vor rund einem Jahr war die Ernteerwartung schlecht, die Spekulanten
nutzten die Gelegenheit und trieben den Preis des Rohstoffs nach oben. Doch
nun ist wieder mehr Ware auf dem Markt, und der Preis fällt – als Folge der
Auflösung spekulativer langfristiger Warentermingeschäfte. Die ivorische
Regierung hat jetzt auf diese Entwicklung reagiert. Seit dem 1. April
bekommen die Bauern 30 Prozent weniger für ein Kilo Kakaobohnen. Die
gesunkenen Weltmarktpreise zwangen den ivorischen Finanzminister dazu, die
Notbremse zu ziehen.
## Mehr Ware, sinkender Preis
Evelyn Bahn von der Kampagne „Make Chocolate fair“ hat der enorme
Preissturz beim Kakao aus der Elfenbeinküste nicht überrascht. „Die
Unternehmen haben in den vergangenen Jahren sehr stark darauf gesetzt, dass
die Kakaobauern höhere Ernteerträge erzielen“, sagt sie. Was gut für die
Schokoladenindustrie sei, hätte die Bauern jedoch nicht aus ihren ärmlichen
Lebensverhältnissen befreit. Die Bauern haben zwar mehr produziert, doch
sie verdienen letztlich weniger.
Laut Bahn stehen Kakaobauernfamilien pro Tag zwischen 50 und 80 Cent zur
Verfügung – das ist deutlich weniger, als ein Schokohase bei uns kostet.
„Um aus der absoluten Armut herauszukommen, müssten sie mindestens viermal
so viel verdienen“, sagt Bahn. Teurer müssten Schokohasen und Pralinen
hierzulande aber nicht werden. Nur ein geringer Teil des Verkaufspreises
landet bei den Bauern. Den größten Anteil verdienen die Industrie und der
Lebensmittelhandel. Für Bahn ist klar: Der Wert, der in einer Tafel
Schokolade steckt, muss gerechter verteilt werden.
## Geringer Verdienst und Ausbeutung der Felder
Die Elfenbeinküste ist der weltgrößte Kakaoproduzent. Auch in Ghana,
Kamerun oder Nigeria wird die Pflanze angebaut. Ein kleiner Teil kommt aus
Lateinamerika. Rund 5,5 Millionen Kakaobauern weltweit leben von der Ernte.
Der Anbau ist harte Arbeit, der Verdienst gering. Viele Kinder müssen auf
den Feldern mithelfen, der Arbeitsschutz ist oft dürftig. Um die Nachfrage
zu stillen, werden Boden und Felder ausgebeutet. Viele junge Erwachsene
zieht es daher eher in die Städte, als auf die Plantagen.
Mit Sorge blickt die Industrie auf diese Entwicklung. In den nächsten
Jahren wollen die Unternehmen daher rund 5 Millionen Euro in Farmprojekte
in der Elfenbeinküste investieren. „Nichts ist schlimmer für einen
Markenartikler, als wenn er ohne Rohware dasteht“, sagt Christiansen. Es
geht um mehr Nachhaltigkeit beim Anbau, um Bildungsprojekte. Längst ist es
nicht mehr das Ziel der Industrie, die Rohware möglichst billig
einzukaufen.
Doch zunächst rechnet Bahn damit, dass der Preissturz auf dem ivorischen
Kakaomarkt die Lage der Bauern verschärfen wird. Die Entwicklung wird sich
zudem auf andere Anbauländer auswirken. So könnte im Oktober, also zu
Beginn der Erntesaison, der Preis auch in Ghana gesenkt werden – ein
Dominoeffekt, der auch vor weiteren Staaten vermutlich nicht haltmachen
wird.
16 Apr 2017
## AUTOREN
Tanja Tricarico
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Lebensmittel
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