# taz.de -- Gerichtsprozesse in den Medien: Richter fürchten neuen Pranger | |
> Beim Richtertag wurde diskutiert, ob Urteile im Fernsehen übertragen | |
> werden sollten. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor. | |
Bild: Richter unter Beobachtung: Bettina Limperg (Mitte) ist gegen Kameras im G… | |
Weimar taz | Sollen Gerichtsurteile künftig im Fernsehen übertragen werden? | |
Darüber diskutierte eine zentrale Veranstaltung beim Richtertag in Weimar. | |
„Transparente Justiz – Menschen am Pranger“ lautete der Titel der | |
Diskussion, an der mehrere hundert Richter und Staatsanwälte teilnahmen. | |
Anlass war ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der demnächst im | |
Bundestag beschlossen werden soll. | |
Es geht dabei nicht um Gerichtsfernsehen nach US-Vorbild. Die Vernehmung | |
von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen soll auch weiterhin nicht | |
gefilmt werden dürfen. Nur die Verkündung von Urteilen soll für das | |
Fernsehen freigegeben werden – und auch das nur bei Bundesgerichten wie dem | |
Bundesgerichtshof in Karlsruhe. „Dort werden oft grundsätzliche | |
Entscheidungen verkündet, die für die Bürger so relevant sind wie neue | |
Gesetze“, argumentierte Justiz-Staatssekretärin Christiane Wirtz. | |
Wenn die Justiz „sichtbarer“ werde, schaffe dies Akzeptanz für Rechtsstaat | |
und Demokratie. Als Gegenbeispiel nannte sie die Türkei, wo derzeit viele | |
Prozesse gegen angebliche Staatsfeinde ganz ohne Öffentlichkeit | |
stattfinden. „Kameras allein schaffen kein Vertrauen“, entgegnete Bettina | |
Limperg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofs. So würden in China viele | |
Gerichtsverfahren im Fernsehen übertragen, dennoch hätten 80 Prozent der | |
Menschen kein Vertrauen in die Justiz. | |
Sie befürchtet, dass die Übertragung von Urteilen der Bundesgerichte „nur | |
der erste Schritt“ ist. Für die unteren Instanzen gelte aber: „Im | |
Gerichtssaal haben Kameras nichts zu suchen.“ Das sah Spiegel-Journalistin | |
Beate Lakotta anders. Sie plädierte dafür, auch die Urteile wichtiger | |
Strafprozesse im Fernsehen zu übertragen. „Wenn im Münchener NSU-Prozess | |
das Urteil gesprochen wird, wollen das sicher viele Menschen im Wortlaut | |
hören.“ Limperg sah jedoch die Persönlichkeitsrechte von Angeklagten und | |
Opfern gefährdet, wenn Urteile im Fernsehen übertragen werden. | |
## Viele Richter haben ein skeptisches Medienbild | |
„In der Urteilsbegründung werden manchmal auch die Angaben des Opfers | |
zerpflückt. Wenn es davon Aufnahmen gibt, landet das dann im Internet und | |
ist ewig abrufbar.“ Auch Ex-Verfassungsrichter Herbert Landau warnte davor, | |
Täter und Opfer zum Gegenstand von „Voyeurismus, Sensationslust und | |
Schadenfreude“ zu machen. Die Menschenwürde müsse stets gewahrt werden. Es | |
genüge, wenn Zuschauer am Prozess teilnehmen können und Journalisten des | |
Gesehene anschließend beschreiben. | |
Die Diskussion in Weimar offenbarte, dass viele Richter ein eher | |
skeptisches Medienbild haben. Boulevardmedien gehe es nur um den Skandal. | |
Regionaljournalisten hätten oft keine Ahnung vom Strafrecht. Und nun kämen | |
noch Internet-Blogger mit teilweise extremistischem Hintergrund dazu. Der | |
Gesetzgeber dürfe sich nicht an einer „Handvoll“ kompetenter | |
Fachjournalisten orientieren, warnten die Juristen. Vor allem machten sich | |
die Richter aber auch Sorgen um sich selbst. | |
„Wir wollen nicht gezwungen werden, vor Kameras zu sprechen“, sagte ein | |
älterer Richter. Auch mit Blick auf die Organisierte Kriminalität sei es | |
eine Zumutung, mit Namen und Gesicht im Fernsehen zu erscheinen, ergänzte | |
eine Kollegin aus Bremen. Eine Landgerichts-Präsidentin aus Rheinland-Pfalz | |
forderte sogar, dass das unerlaubte Filmen von Richtern strafbar sein soll. | |
Die Stimmung beim Richtertag war eindeutig: Es genüge, wenn die | |
Pressesprecher der Gerichte für Aussagen vor der Kamera zur Verfügung | |
stehen. | |
Die Pressesprecher müssten allerdings besser ausgebildet werden. „Und wenn | |
schon gefilmt wird, sollten wir das besser selbst machen“, schlug | |
BGH-Präsidentin Limperg vor. Die Justiz müsse die „Deutungshoheit“ über | |
ihre Arbeit behalten. | |
7 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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