Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kunst aus Südafrika: Unanstößige Eleganz
> Die Deutsche Bank stellt ihren „Künstler des Jahres“ 2017 vor. Kemang Wa
> Lehuleres Ausstellung überzeugt nicht ganz. Warum?
Bild: Zahnprothesen und Xhosa-Bibeln: Kemang Wa Lehuleres „Broken Wing“ (20…
Kemang Wa Lehulere gilt als einer der bedeutendsten Vertreter einer jungen
Generation südafrikanischer Multimedia-Künstler und Künstlerinnen. Jetzt
wählte ihn eine Jury, bestehend aus Udo Kittelmann (Direktor der
Nationalgalerie in Berlin), Okwui Enwezor (Leiter der Hauses der Kunst in
München), Hou Hanru (Direktor des MAXXI-Museums in Rom) und Victoria
Noorthoorn (Leiterin des Museo de Arte Moderno), zum Künstler des Jahres
der Deutschen Bank.
Die mit dem Preis verbundene Ausstellung in der KunstHalle der Deutschen
Bank stützt allerdings die Behauptung von Wa Lehuleres Ausnahmetalent nur
bedingt. Zwar besticht „Bird Song“, wie die Ausstellung heißt, durch die
augenfällige, lebendige Präsentation der Exponate. Doch erscheinen diese
bei genauerer Betrachtung nur allzu sinnfällig und verlieren schnell an
Reiz.
Zunächst aber grüßt beim Eintritt in die Ausstellung verheißungsvoll ein
Bild von der Wand. Wie eine archäologische Ausgrabung wurde es fein
säuberlich aus dem roten Putz herausgeschlagen – und das Motiv eines Vogels
freilegt. Gemalt hat ihn Glady Mgudlandlu (1917–1979). Die Autodidaktin,
die eine der ersten schwarzen Künstlerinnen war, die jemals in einer
Galerie in Südafrika ausstellten, hatte ihr Haus in Gugulethu, einer
Township in Kapstadt, mit solchen Wandgemälden verziert.
In dieser Township wuchs auch Kemang Wa Lehulere auf. Als er herausfand,
dass Mgudlandlu einst in seiner Nachbarschaft lebte, machte er sich mit
seiner Tante auf Spurensuche der Malerin, die zu Lebzeiten erfolgreich,
nach ihrem Tod aber schnell vergessen war. Die Suche der Künstlerin ist der
Nucleus der Ausstellung; die Suche nach der verdrängten Geschichte
Südafrikas und den verschütteten Erinnerungen der von Wa Lehuleres Werk
generell.
## Widerstandsakt oder Eskapismus?
Die Ausstellung ist daher als ein Zwiegespräch zwischen Vergangenheit und
Gegenwart inszeniert und zeigt abwechselnd die beseelten Bilder
fantastischer Vögel, üppiger Blüten und Hügellandschaften von Glady
Mgudlandlu und die kühl-abstrakten Zeichnungen des Künstlers.
Dazu kommen im zweiten Ausstellungsraum Kreidezeichnungen, die Kemang Wa
Lehuleres Tante aus der Erinnerung von den verlorenen Wandbildern
Mgudlandlus zeichnete und die der Künstler gestisch überarbeitete. Dass
eine schwarze Frau malte und ausstellte, war während der Apartheid ein Akt
des Widerstands, auch wenn die Schriftstellerin Bessie Head, wie das
Booklet zur Ausstellung informiert, in Mgudlandlus Kunst nur Eskapismus
erkennen wollte.
Die oftmals von beiden Seiten bemalten Blätter der Künstlerin sind
senkrecht zur Wand angebracht, sodass sie in den Raum hineinragen. Der wird
von mehreren wuchernden Stahlrohrkonstruktionen beherrscht, auf der
Vogelhäuschen angebracht sind, die aus alten Schulpulten zusammengebaut
wurden. So attraktiv die Skulptur erst einmal wirkt, so stark ist ihre
seltsam didaktische, narrative Anmutung. Der Vogel ist ein Symbol der
Freiheit im Werk von Glady Mgudlandlu, das nun in der Figur des
ausgestopften Papageis auf dem Stahlgestänge sitzt.
Findet er in den Vogelhäuschen Nahrung und Schutz? Oder wird er, wie das
Schulmöbel signalisieren könnte, doch nur domestiziert und diszipliniert?
Findet er sich ein, weil die zersägten Schulbänke jetzt ein Ort des Denkens
und der Fantasie sind und nicht wie zu Zeiten des Apartheidsystems ein Ort
der Indoktrination?
## Die Bibel zwischen den Zähnen
Die Arbeit breitet diese Fragen aus. Ausgewogen und kalkuliert bleibt sie
aber jede streitbare Aussage zu den historischen Umständen schuldig.
Ähnlich verhält es sich mit der mächtigen, aus Holzkrücken montierten
Schwinge, die einem im zweiten Ausstellungsraum entgegenrauscht. Auch sie
ist Transportmittel einer Erzählung.
Das besagt das narrative Objekt des Gebissabdrucks des Künstlers, der dort
eingepasst ist, wo die Krücke sonst unter die Arme greift. Er hält eine
Bibel zwischen den Zähnen. Die Arbeit illustriert eine Anekdote Desmond
Tutus, der meinte: „Als die Missionare nach Afrika kamen, hatten sie die
Bibel und wir hatten das Land. Sie sagten: Lasst uns beten. Wir schlossen
die Augen. Als wir sie wieder öffneten, hatten wir die Bibel und sie hatten
das Land.“
Ebenso verweist die weiße Leinwand, auf der mit krausem schwarzem Afrohaar
eine Musik notiert ist, auf den Jazz in Südafrika und dessen Rolle für die
Ausstellung. Ihr Titel leitet sich von „Lindelani“ oder „Birds“ her, ei…
Song von Miriam Makeba. „Bird Song Album“ heißt denn auch die Vinyl-LP, die
Kemang Wa Lehulere mit dem Jazzmusiker Mandla Mlangeni in einer Auflage von
300 Exemplaren anlässlich der Ausstellung eingespielt hat.
Nichts in der Ausstellung ist – so wie ein Vogel – einfach ein Wunderwerk
in sich selbst. Alles ist Verweis, Didaktik, Mittel der Unterrichtung. Man
vermisst ein überschüssiges Moment, das Geschichtsforschung und den Fleiß
der Recherche nicht einfach illustrierte und die penetrant unanstößige
Eleganz der Arbeiten durchbräche.
24 Apr 2017
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Südafrika
Apartheid
Jazz
Kunstausstellung
Postkolonialismus
Mode
Kunst
Kunstwerk
Antonio Gramsci
Deutsche Bank
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dorothee Wenner über ihr Web-Projekt: Alles dreht sich um „Kizobazoba“
„Kinshasa Collection“ beleuchtet den unreguliert florierenden Textilhandel
zwischen der Demokratischen Republik Kongo, China und Europa.
Harburger Exotik: Sendetürme und Talismane
Die in Südafrika geborene Künstlerin Bianca Baldi zeigt im Kunstverein
Harburger Bahnhof, was man sehen kann, wenn man hinten im Kopf Augen hätte
Whitney Biennale in New York: Schwarzes Leid als Material
Die weiße Künstlerin Dana Schutz malte den von Rassisten ermordeten Emmett
Till und wird kritisiert. Aktivisten fordern die Zerstörung des Werks.
Jenseits des Nationalstaats: Ungeheuer aus Kapital
„Die Jetztzeit der Monster“. Eine Tagung am Berliner Haus der Kulturen der
Welt erkundete, was nach den Nationalstaaten kommen könnte.
KunstHalle der Deutschen Bank: Große Versprechen
Mit der ersten europäischen Soloschau von Imran Qureshi, ihrem Künstler des
Jahres 2013, eröffnet die Deutsche Bank ihre KunstHalle in Berlin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.