# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Wir müssen reden | |
> Der digitalen „Bei dem Quatsch mach ich nicht mit“-Phase entgeht niemand. | |
> Unser Autor erlebt sie gerade – bei der Sprachsteuerung. | |
Bild: Der Concierge-Roboter Tapia wird nur mit der Stimme bedient | |
Wenn es ums Ansprechen fremder Frauen geht, war ich schon immer etwas | |
schüchtern. So ist das auch bei Siri. Manchmal mache ich etwas am iPhone | |
falsch und werde mit ihr verbunden. Ich drücke sie dann immer schnell weg. | |
Wir haben nach mehreren Jahren immer noch kein Wort miteinander gewechselt. | |
Dabei ist Sprachsteuerung doch die Zukunft, das wissen wir dank „Star Trek“ | |
seit 50 Jahren. Jetzt ist sie da, also halbwegs, und schon bei der | |
Vorstellung, sie zu nutzen, verfalle ich in eine geistige „Ich halte mir | |
die Ohren zu und singe Lalalala“-Pose. Neben den naheliegenden | |
Missverständnissen („Meintest du: Nizza-Gesellen?“) stresst mich an | |
Sprachsteuerung, dass die räumliche Dimension von schriftbasierten | |
Dialogmöglichkeiten fehlt und ich nicht nachvollziehen kann, 1.) was ich | |
schon gesagt habe, 2.) wo ich gerade im Menü bin und 3.) wie ich Dinge | |
rückgängig machen kann. | |
Bei dem Quatsch mache ich nicht mit! Und das so konsequent, dass ich nicht | |
mal weiß, ob all diese Probleme vielleicht schon längst gelöst sind. Denn: | |
Sprachsteuerung ist die erste digitale Welle, bei der ich deutlich merke, | |
dass ich älter werde. Ich will das bitte nicht mehr lernen müssen. | |
Wobei ich immerhin noch einen Schritt vor der „Was soll dieser Quatsch, er | |
wird unsere Jugend verderben“-Phase bin. Denn, klar: Würde jemand den | |
Computer heute neu erfinden und sich die einfachste Bedienungsmethode | |
ausdenken, wäre Sprachsteuerung nur logisch. Sie ist intuitiv, geht schnell | |
und man hat die Hände frei. Dass sie es nicht wurde, lag an den technischen | |
Limitierungen. Erst seit einiger Zeit funktionieren Spracherkennung und | |
rudimentäre Künstliche Intelligenz so gut, dass man so etwas wie Siri | |
anbieten kann. Also gibt es das jetzt. | |
## Das geht auch wieder vorbei | |
Wenn man es konsequent weiterdenkt, werden die Eingabefunktionen der | |
digitalen Endgeräte bald so weit verschlankt sein, dass einige Dinge nur | |
noch mit Sprachsteuerung gehen. Und dann geht es mir so wie dem ehemaligen | |
Videothekenbesitzer, der 2003 trotzig sagte, das mit dem Internet, das gehe | |
auch wieder vorbei. | |
Natürlich werde ich es noch hinkriegen, aber es wird schon ein wenig so | |
sein, wie meine Eltern eben E-Mails hinkriegen: Ein vorsichtiges Wandern | |
auf auswendig gelernten Pfaden und wenn etwas nicht klappt, stehe ich dumm | |
da. Vorbei die Zeiten, wo ich mich mit ein wenig Improvisation und | |
„Strg-C-Strg-V-geht-immer“ durchwurschteln konnte. Wer hingegen mit Siri | |
und Co. aufwächst, hat schnell ihre Eigenheiten raus, ihre Lingo, mit | |
welchen Tricks man das erreicht, was man will. Man kann die Ideen der | |
Siri-Programmierer antizipieren und diese Soft Skills auch auf andere | |
Sprachsteuerungsprogramme anwenden. | |
Aber gut: Richtige Probleme kriege ich erst, wenn Geräte mit | |
Gedankensteuerung funktionieren und man es schaffen muss, diese | |
Steuerungsgedanken vom Rest der Wahrnehmung zu trennen. Also in 10 bis 15 | |
Jahren. Bis dahin werde ich mich erst mal mit Siri anfreunden. Fragt sich | |
nur, wie ich anfange. „Hey, Siri, bist du öfters hier?“ | |
12 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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