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# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Keep Calm and Look at Cat Selfies
> Wenn Rechte Unsinn ins Netz schreiben, muss man doch protestieren! Muss
> man? Wenn sie nur Aufmerksamkeit wollen, sollte man sie verhungern
> lassen.
Bild: Luft ablassen hilft
Am vergangenen Wochenende hatten irgendwelche Mittelfranken eine lustige
Idee, also „lustig“ in dem Sinne, dass sie selbst das vermutlich lustig
fanden. Auf der Facebook-Seite der AfD Nürnberg Süd/Schwabach wurde eine
Foto-Collage veröffentlicht, zu sehen: Sophie Scholl, dazu ein Zitat (*
siehe Textende) und der Satz „Sophie Scholl würde AfD wählen“.
Das ist einigermaßen bescheuert, aber es ist auch einigermaßen irrelevant.
Die Facebook-Seite des Kreisverbandes hat wenige hundert Fans, die sich
durch genau diesen kruden Vergleich jetzt sicherlich nicht mehr oder
weniger radikalisieren.
Bloß, wie das so ist im Internet, fiel es anderen Menschen auf und sie
twitterten und facebookten darüber bzw. dagegen, gegen die
Instrumentalisierung Sophie Scholls durch die AfD nämlich. Mal empört, mal
spöttisch, in jedem Fall couragiert, darunter waren auch „prominentere“
Personen wie [1][Kurt Krömer], Titanic-Chefredakteur [2][Tim Wolff], der
Grüne [3][Omid Nouripour] oder Stern-Herausgeber [4][Andreas Petzold].
Am Ende des Sonntags war „Sophie Scholl“ sogar in der Top 10 der Trending
Topics im deutschen Twitterraum. Das machte das Thema dann natürlich so
„bedeutsam“, dass einige Online-Medien [5][dazu Artikel veröffentlichen],
schließlich waren die Buzzwords „AfD“, „Drittes Reich“, „Twitter“ …
„Shitstorm“ alle irgendwie mit drin.
Inzwischen hat die benachbarte AfD Nürnberg sich von dem Post distanziert
und [6][es gibt parteiinternes Gezänk], wer jetzt wirklich der Urheber ist.
Das ändert aber nichts daran: Man spricht über die AfD. Wegen eines
Gaga-Postings. Und das ist dumm. Und überflüssig.
Es ist schwierig mit dem Ringen um die öffentliche Meinung. Man kann und
sollte nicht jeden Knallo-Satz, jede Grenzverletzung, jedes Verschieben von
Normen und Tabus unkommentiert stehen lassen. Es ist gut und wichtig, dass
mutige Leute klare Worte dagegen finden und auch die ekligen Konsequenzen
aushalten (von rechten Spinnern virtuell aufs äußerste beschimpft und
bedroht zu werden). Einfach, damit es nicht so wirkt, als wäre das jetzt
akzeptiert. Und Soziale Medien sind durchaus ein probates Mittel der Wahl,
allein wegen ihrer Geschwindigkeit.
Es gibt aber auch Fälle, wo erst durch die Reaktion Relevanz geschaffen
wird. Das hier ist so einer. Zahlreiche unsinnige Tweets von Erika
Steinbach gehören dazu, die Auslassungen von Akif Pirinçci und vieles mehr.
Die Empörung, die Wut, der Spott über diese gezielten Provokationen
erreichen dann vor allem Menschen, die man gar nicht mehr überzeugen muss.
Aber sie halten die Verursacher am Leben und sorgen dafür, dass sie als
irgendwie „relevant“ wahrgenommen werden, obwohl sie das gar nicht sind.
Einhörner ernähren sich von Licht, diese Menschen ernähren sich von
Aufmerksamkeit. Wir sollten sie verhungern lassen. Wir sollten (gerade im
Hinblick auf die kommenden Jahre) lernen, unsere Aufmerksamkeit lieber
wichtigen Dingen zu widmen. Unseren Freunden etwa, [7][Selfies von Katzen]
oder dem ewigen Krieg um die Arenen in Pokémon Go. Lasst uns das bitte
versuchen.
* „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von
einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique
‚regieren‘ zu lassen.“ (Das ist übrigens nicht direkt von Sophie Scholl,
sondern von einem Flugblatt der Weißen Rose)
17 Jan 2017
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/kurtkromer/photos/a.211591968873730.59632.20665288…
[2] https://twitter.com/titatimwo/status/820714520230457345
[3] https://twitter.com/nouripour/status/820733609527091200
[4] https://twitter.com/andreaspetzold/status/820707767682039809
[5] http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/835992/vergleich-mit-sop…
[6] http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/inhalt/sophie-scholl-afd-nuernbe…
[7] https://twitter.com/colliderfrosty/status/821070925432963075
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Nullen und Einsen
Trolle
Aufmerksamkeit
Rechtspopulismus
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Schwerpunkt Meta
Pokémon Go
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