# taz.de -- Mangel an Erzieherinnen in Berlin: Kita-Plätze geben Grund zur Kla… | |
> Freie Kita-Plätze werden in Berlin knapp – weil das Fachpersonal fehlt. | |
> Experten rechnen deswegen in Kürze mit den ersten Eltern-Klagen. | |
Bild: Sie sind glücklich: Sie haben sogar einen Sitz-Platz in einer Kita | |
Die Pressemitteilung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg klingt | |
drastisch: „Unterstützung bei Kitaplatzsuche durch Jugendamt momentan ohne | |
Erfolg“, hieß es vergangene Woche. Grünen-Bezirksbürgermeisterin Monika | |
Herrmann ließ sich mit dem Satz zitieren: „Insbesondere wegen des immensen | |
Fachkräftemangels können Kitas im Bezirk derzeit keine weiteren Kinder | |
aufnehmen.“ Man arbeite gemeinsam mit dem Senat und Kitaträgern an „zeitnah | |
umsetzbaren Lösungsansätzen“. | |
Ruft da jetzt also der erste Bezirk den Notstand aus, weil der | |
ErzieherInnenmangel nun auch zu einem tatsächlichen Platzmangel führt? In | |
der Senatsverwaltung für Jugend und Familie gibt man sich weiter entspannt | |
und bemüht die Statistik: Exakt 3.119 freie Plätze habe man am Stichtag 31. | |
März gezählt, bei vorhandenem Personal, wohlgemerkt. 299 Plätze davon lägen | |
in Friedrichshain-Kreuzberg, sagt die Sprecherin von Jugendsenatorin Sandra | |
Scheeres (SPD), Iris Brennberger. Man wundere sich also ein wenig und habe | |
dem Jugendamt Personalmittel angeboten, um die Vermittlungsarbeit im Bezirk | |
wieder erfolgreicher zu gestalten. | |
## Anfahrt bis zu 30 Minuten | |
Den Hilferuf aus Friedrichshain-Kreuzberg muss man trotzdem ernst nehmen. | |
Denn das Problem ist: Sehr wenige freie Plätze – der Puffer beträgt in | |
Berlin lediglich noch drei Prozent – sind so gut wie keine Plätze. Weil | |
Eltern gewisse Bedürfnisse haben: Sie wollen nicht bloß die letzte Kita, | |
die noch Plätze frei hat, sondern eine, die gefällt. Und wer im südlichen | |
Kreuzberg wohnt, hat nichts davon, wenn er sein Kind ins nördliche | |
Friedrichshain bis fast nach Pankow karren muss – auch wenn die gesetzliche | |
Regelung Eltern und Kindern einen Fahrtweg von 30 Minuten pro Strecke mit | |
öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto zumutet. | |
Eltern-Klagen, wie sie Torsten Wischnewski-Ruschin, Kita-Referent beim | |
Paritätischen Wohlfahrtsverband – Dachverband vieler freier Träger – auf | |
die Verwaltung zukommen sieht, dürften also kaum aussichtsreich sein. | |
Besser macht das die Situation für die Eltern indes nicht. Auch in anderen | |
Bezirken ist man zunehmend frustriert, weil man zwar durchaus noch Plätze | |
in den Kitas hat – aber keine ErzieherInnen. 70 ErzieherInnen fehlten | |
allein in den Kitas des Landesbetriebs SüdOst, sagt der Neuköllner | |
Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU). „Das sind 600 Plätze, die man belegen | |
könnte, ohne eine Kita zu bauen.“ Wie groß das Defizit insgesamt im Bezirk | |
ist, zeigt die Maßnahmenplanung der Träger: Bis Ende 2019 wollen sie 1.400 | |
Betreuungsplätze schaffen. Der von der Senatsjugendverwaltung | |
prognostizierte Platzbedarf liegt aber bei rund 3.100 Plätzen bis Mitte | |
2020. | |
„Der Fachkräftemangel ist die größte Herausforderung“, sagt auch Mareen | |
Kirste, Sprecherin bei den Kindergärten NordOst, dem größten der fünf | |
Eigenbetriebe des Landes mit 9.800 Plätzen in Pankow, Lichtenberg und | |
Marzahn-Hellersdorf. „Aktuell haben wir 75 offene Erzieherstellen.“ | |
Die Zahl der Kita-Kinder wird in den nächsten Jahren, durch Zuzüge, eine | |
steigende Geburtenrate und die Flüchtlingskinder noch wachsen: Die | |
Bevölkerungsprognose des Senats rechnet bis 2020 mit zusätzlichen 19.000 | |
Kindern im Alter von Null bis 7 Jahren. Insbesondere die Bezirke Neukölln, | |
Treptow-Köpenick, Mitte und Reinickendorf werden betroffen sein. | |
In der Verwaltung von Senatorin Scheeres mag man das Wort Erziehermangel | |
nicht: Es gebe einen „hohen Einstellungsbedarf“, es gebe offene Stellen – | |
aber nein, keinen Mangel. Dabei weiß auch Scheeres, dass an den Fachschulen | |
– trotz Verdopplung der Ausbildungsplatzkapazitäten in den letzten fünf | |
Jahren – allein nicht genügend AbsolventInnen fertig werden. Etwa 1.800 | |
werden es dieses Jahr sein, ein Teil davon wird sich allerdings auch auf | |
Erzieherstellen in den Schulhorten bewerben – oder in andere Bundesländer | |
abwandern, wo trotz des jüngsten Streikerfolgs der Gewerkschaften das | |
Gehalt immer noch um einige hundert Euro höher liegt. | |
## 33 Prozent Quereinsteiger | |
Also bemüht sich Senatorin Scheeres, das Minus so zu verwalten, dass es | |
keins mehr ist. Die QuereinsteigerInnen werden in Zukunft eine noch größere | |
Rolle spielen: Sprecherin Brennberger sagte, man wolle nun auch einer | |
weiteren Berufsgruppe den berufsbegleitenden Quereinstieg ermöglichen. „Die | |
Bundesagentur für Arbeit hat uns signalisiert, bei den Sozialassistenten | |
gäbe es noch relevantes Potenzial.“ Die bisher von Scheeres stets mit | |
Verweis auf den „Qualitätsanspruch“ verteidigte Quereinsteigerquote von | |
maximal 25 Prozent pro Kita wurde bereits auf 33 Prozent angehoben. | |
Am 18. Mai will Scheeres auf der Familien- und Jugendministerkonferenz eine | |
Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, der den Erzieherberuf als | |
Mangelberuf anerkennt. Dann würde das Jobcenter eine Ausbildung zur | |
ErzieherIn voll bezahlen. | |
Bisher stellt die Arbeitsagentur lediglich Bildungsgutscheine für zwei | |
Jahre aus. Die ErzieherInnenausbildung dauert in Berlin aber drei Jahre. | |
Eine Erhöhung der Ausbildungsplatzkapazitäten auf Kosten des Bundes, also. | |
Was das am Ende zahlenmäßig ausmacht, ist unklar. Aber der Mangel will nun | |
mal verwaltet werden. | |
10 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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