| # taz.de -- Erziehermangel in Berlin: Mehr Lohn könnte helfen | |
| > Erzieher verzweifelt gesucht: Fachschulen berichten über sinkende | |
| > Bewerberzahlen. Zugleich steigt der Bedarf an Kita-Plätzen immer weiter. | |
| Bild: Kinder gibt's genug, ErzieherInnen werden gesucht | |
| Es ist erst mal nur eine Tendenz – aber es ist durchaus eine, die Anlass | |
| zur Sorge geben kann: Den Berliner Erzieherschulen fällt es zunehmend | |
| schwer, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. „Wir bekommen unsere 86 freien | |
| Plätze zwar voll – aber Wartelisten wie in den Vorjahren haben wir nicht | |
| mehr“, sagt Matthias Rösch vom Katholischen Schulzentrum Edith Stein. | |
| Kollegen aus anderen Schulen berichteten ihm Ähnliches, sagt Rösch. Und | |
| auch für die sechs staatlichen Fachschulen gilt: „Wir sehen derzeit die | |
| Tendenz, dass die Bewerberzahlen sinken“, sagt eine Sprecherin von | |
| Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD). Wenige Wochen vor Start des | |
| Ausbildungsjahres Anfang September melden alle sechs Schulen noch freie | |
| Ausbildungsplätze. | |
| Gleichzeitig gibt es eine seit Jahren massiv steigende Nachfrage nach | |
| Kitaplätzen – eine denkbar ungünstige Konstellation also. Die Zahl der | |
| Kita-Kinder stieg zuletzt im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent auf | |
| 157.000 im März. | |
| Auch das Kita-Ausbauprogramm läuft auf Hochtouren: 168.000 Plätze zählten | |
| die Statistiker vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, ein Plus von 2,4 | |
| Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch schon jetzt werden längst nicht alle | |
| vorhandenen Kita-Plätze in Berlin den Eltern auch angeboten: weil die | |
| Träger keine Erzieher finden. | |
| „Wir haben momentan 50 offene Vollzeitstellen, die wir nicht besetzen | |
| können, das entspricht einer Größenordnung von 500 Kita-Plätzen“, sagt | |
| Mareen Kirste, Sprecherin bei den Kindergärten NordOst. Der größte der fünf | |
| landeseigenen Betriebe unterhält rund 10.000 Kita-Plätze in Pankow, | |
| Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. | |
| Auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg veröffentlichte im Frühjahr eine | |
| Pressemitteilung, die für Aufregung sorgte: Die Jugendamtsmitarbeiterinnen | |
| könnten anfragenden Eltern leider bis auf Weiteres keine Plätze mehr | |
| vermitteln. Nun ist das nicht so verwunderlich, weil die Kitas ja alle mit | |
| eigenen übervollen Wartelisten operieren. Aber als Hilferuf durfte man die | |
| knappe Mitteilung durchaus ernst nehmen. | |
| ## Für 400 Plätze fehlt das Personal | |
| Aktuell habe sich die Lage jedenfalls nicht entspannt, teilt | |
| Bezirksbürgermeisterin und Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne) mit: | |
| „Im Gegenteil, sie verschärft sich zusehends.“ Man zähle derzeit etwa 300 | |
| Fälle auf der Warteliste des Jugendamts – und das, obwohl sich die | |
| Situation zu Beginn des neuen Kita-Jahres im August eigentlich immer | |
| kurzfristig bessert, weil die Schulanfänger Plätze frei werden lassen. | |
| „Nach unseren Berechnungen können wir 400 Plätze im Bezirk wegen | |
| Personalmangels nicht anbieten“, sagt Herrmann. | |
| Nun muss man auch sehen: Berlin hat seit 2010 die | |
| Ausbildungsplatzkapazitäten für die Erzieher mehr als verdoppelt, von 4.100 | |
| auf rund 9.000. Und Kirste von den Kindergärten NordOst sagt: „Wir haben im | |
| vergangenen Jahr so viele Erzieher eingestellt wie noch nie.“ Bisher | |
| standen dem massiven Ausbau bei den Ausbildungsplätzen also genügend junge | |
| Leute gegenüber. Doch dieses Potenzial scheint nun, mit Blick auf fehlende | |
| Wartelisten und kurz vor knapp noch um Schüler werbende Schulen langsam | |
| ausgereizt. | |
| Was könnte helfen? Geld, sagt Schulleiter Rösch. Die Löhne bei den | |
| Erzieherinnen müssten deutlich steigen, findet er: „Die Konkurrenz um | |
| qualifizierte Fachkräfte hat zugenommen, in vielen Branchen wird deutlich | |
| besser gezahlt. Zudem gibt es genug Berufe, in denen ausgebildete Erzieher | |
| mehr verdienen als in der Kita“, sagt Rösch. | |
| „Höhere Löhne“ ist auch die zentrale Forderung einer Online-Petition für | |
| bessere Bedingungen in den Kitas, die bisher rund 100.000 Unterschriften | |
| bekam. In einem vergangene Woche veröffentlichten Papier fordern | |
| Kita-Träger, die Erzieher genauso zu bezahlen wie Grundschullehrer – und | |
| dass das Land die Kosten dafür übernimmt. Aktuell müssen die Träger sieben | |
| Prozent der Kosten selbst zahlen. Immerhin sei der Erzieherberuf inzwischen | |
| auch Studienfach, die Bezahlung entspreche dem aber nicht, sagt auch Rösch. | |
| ## Gehalt wie Grundschullehrer | |
| Das ist allerdings eine, vorsichtig gesagt, optimistische Forderung: Die | |
| Erzieher und Lehrer trennen mehrere Entgeltgruppen. Im Frühjahr trotzte die | |
| Gewerkschaft GEW der Tarifgemeinschaft der Länder eine Zulage von gerade | |
| mal 80 Euro ab, um die rund 400 Euro Gehaltsdifferenz zu den bei Bund und | |
| Kommunen angestellten Erziehern abzumildern. | |
| Bleiben noch die Quereinsteiger, auf die Senatorin Scheeres zunehmend baut: | |
| Seit dem Frühjahr dürfen Kitas bis zu einem Drittel ungelernte Erzieher | |
| beschäftigen, die quasi bei laufendem Betrieb ausgebildet werden. | |
| Bei den Kitagärten NordOst schöpft man den erlaubten Rahmen mit nur vier | |
| Prozent Quereinsteigern allerdings längst nicht aus – weil die Qualität der | |
| Ausbildung noch nicht stimme. „Solange es zum Beispiel für die | |
| Quereinsteiger keine Anleitungsstunden über den gesamten Zeitraum der | |
| Ausbildung durch erfahrene Erzieher gibt, sind die 33 Prozent nicht unser | |
| Ziel“, sagt Sprecherin Mareen Kirste. | |
| Insbesondere das Interesse an der berufsbegleitenden Ausbildung steige zwar | |
| – doch es mangele an Arbeitsplätzen in den Kitas, heißt es auch am | |
| Sozialpädagogischen Institut Berlin, einem der größten privaten Fachschulen | |
| für Erzieher. „Für rund 500 Schüler suche ich derzeit noch eine Kita“, s… | |
| Janin Schuster, beim SPI für die berufsbegleitende Ausbildung zuständig. | |
| Noch eine Tendenz, die Sorgen macht. | |
| 21 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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