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# taz.de -- Gedenken an NS-Opfer in Sachsen: Diktaturopfer zweiter Klasse
> Opfer der NS-Militärjustiz warten auf eine würdige Gedenkstätte in
> Torgau. Bisher steht das Gedenken an DDR-Unrecht im Mittelpunkt.
Bild: Ludwig Baumann, ehemaliger Wehrmachtsdeserteur, zeigt eine Kopie seines T…
„Wahrscheinlich wird kein Opfer der NS-Militärjustiz noch ein angemessenes
Gedenken erleben!“ Rolf Surmann ist Mitglied der Bundesvereinigung der
Opfer der NS-Militärjustiz und frustriert. Im Beirat der Stiftung
Sächsische Gedenkstätten kämpft er seit Jahren für ein würdiges Gedenken
der Opfer. Aktuell im Rahmen der Neugestaltung der [1][Ausstellung „Spuren
des Unrechts“] auf Schloss Hartenfels in Torgau.
1943 war das Reichskriegsgericht in die Stadt verlegt worden, im
benachbarten Fort Zinna befand sich das größte Militärgefängnis der Nazis.
Nach der Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 1999 soll Torgau
Schwerpunkt der Erinnerung an die Wehrdienstverweigerer und hingerichteten
Deserteure im Dritten Reich werden. Aus Frust über die Stagnation dieses
Vorhabens stellte die Bundesvereinigung im Dezember 2016 ihre Mitarbeit
ein.
Die Vorgänge in Torgau können in [2][Zusammenhang mit der speziellen
sächsischen Erinnerungspolitik] gesehen werden. Wegen der faktischen
Gleichsetzung von Nazi- und SED-Diktatur im 1. Sächsischen
Gedenkstättengesetz hatten sich 2004 der Zentralrat der Juden und
NS-Opferverbände aus der Gedenkstättenstiftung zurückgezogen.
Torgau spielte schon damals eine zentrale Rolle. Nachdem sie sich
ausgesöhnt hatten, konnten die Bundesvereinigung die Stiftung und die
Landesregierung 2009 eine Einigung über die neu zu gestaltende
Dauerausstellung erreichen. An dieser wurden aber bislang nur marginale
Korrekturen vorgenommen. Nach wie vor ist den Opfern der NS-Militärjustiz
nur ein Drittel der Ausstellungsfläche auf Schloss Hartenfels gewidmet.
Breiten Raum nimmt dagegen die Erinnerung an die Opfer der sowjetischen
Besatzung und der DDR ein.
## Linke: Verstoß gegen Gedenkstättenkonzeption
Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag,
wertet dies als einen „Verstoß der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gegen
die (…) Gedenkstättenkonzeption des Bundes“. Er hat eine Anfrage an Monika
Grütters gerichtet, Staatsministerin für Kultur und Medien. Die Ministerin
verweist in ihrer Ende März eingegangenen Antwort nicht nur auf die
Landeszuständigkeit und auf „größtmögliche Zurückhaltung“ der
Bundesregierung.
Sie widerspricht auch der Behauptung, die derzeitige Ausstellung würde die
Intentionen der Gedenkstättenkonzeption konterkarieren. Im Detail zeigt
sich das Kulturministerium wenig informiert. „Es wird höchste Zeit, dass
die Bundesregierung ihre Kontrollfunktion wahrnimmt“, fordert deshalb der
Linken-Abgeordnete Korte.
In Sachsen scheint die Umsetzung der Grundsatzeinigung von 2009 und der
2011 in allen Stiftungsgremien gebilligten 2-Stufen-Konzeption
festgefahren. „Die Neugestaltung kann umgesetzt werden, sobald durch den
Freistaat Sachsen und die Bundesregierung zusätzliche finanzielle Mittel
bereitgestellt werden“, antwortet Sprecherin Julia Spohr für die
Gedenkstättenstiftung.
Das zuständige Wissenschafts- und Kunstministerium entgegnet, die
Vorbereitungsarbeiten seien „jedoch noch nicht so weit fortgeschritten,
dass ein Antrag auf zusätzliche Bundes- oder Landesmittel gestellt werden
kann“. Die Stiftung habe lediglich Varianten und grobe Kostenvorstellungen
übermittelt. Eine Fördervereinbarung mit dem Bund, wie sie für die
Stasi-Gedenkstätte Bautzen getroffen werden konnte, gibt es für Torgau
nicht.
Für Rolf Surmann liegt das „Versagen der Stiftung“ auf der Hand.
Geschäftsführer Siegfried Reiprich habe den 2011 vereinbarten Zeitplan
nicht eingehalten. Eine provisorische Lösung lehnt die Opfervereinigung ab.
6 Apr 2017
## LINKS
[1] https://www.stsg.de/cms/torgau/ausstellung/dauerausstellung
[2] /!5367117/
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
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