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# taz.de -- Trauerfeier für Ludwig Baumann: Abschied von einem Täter des Frie…
> Bei der Trauerfeier für den verstorbenen Anti-Kriegs-Aktivisten Ludwig
> Baumann protestieren Friedensbewegte gegen Rüstungsproduktion und die
> Bundeswehr.
Bild: Ludwig Baumann beim Besuch des Deserteurdenkmals am Hamburger Stephanspla…
BREMEN taz | Mit ihm ist der letzte Wehrmachtsdeserteur verstorben –
gleichzeitig auch die Galionsfigur für deren gesellschaftliche Anerkennung
und gesetzliche Rehabilitierung. So gedachten gestern die Familie und
Weggefährten dem vor 97 Jahren in Hamburg geborenen und nun in Bremen
beerdigten Ludwig Baumann.
Ihm gemäß modisch uneitel findet sich die feierliche Trauergemeinde im
DGB-Haus ein. Mehr als 150 Gäste sind es. Kaum friedensbewegter Nachwuchs,
vor allem altgediente Antikriegskämpfer. Einige tragen sich in das
Kondolenzbuch ein, andere fotografieren das von einem grauen Gazetuch
umspielte Porträtfoto Baumanns. Plastikgrünpflanzen und letzte
sonnenblumige Grüße setzen Farbtupfer. Sehr viele Rosen, wenige Nelken
werden niedergelegt.
Vor dem Saal kleben DFG-VK-Mitglieder „Bundeswehr abschaffen“-Sticker an
Masten und entrollen ein Plakat mit der Aufschrift: „Stoppt Bremer
Rüstungsproduktion!“ Das Friedensforum wirbt für das Atomwaffenverbot und
ein Mann verteilt Fleyer für eine Ausstellung über
„Wehrmachtsgerichtsbarkeit in Hamburg“. Weitere Organisationen nutzen die
Veranstaltung nicht für ihre Zwecke.
Organisiert wurde sie von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz,
die Baumann 1990 gegründet hat. Die verbliebenen 30 Mitglieder, Angehörige
und Freunde von Zeitzeugen, wollen bei der Mitgliederversammlung im Herbst
vorschlagen, den Verein aufzulösen und ihre Arbeit in die Stiftung für die
ermordeten Juden Europas integrieren. Sie wollen sich künftig auch
verstärkt grundsätzlich Militär- und konkret Bundeswehr-kritisch äußern
sowie Baumanns Nachlass im Staatsarchiv bearbeiten.
Das 1958 von Remo Giazotto herausgegebene Adagio g-Moll für Streicher und
Orgel schleicht aber erst mal aus den Lautsprechern und unterstützt im
innenarchitektonisch freudlosen Tivoli-Saal die Atmosphäre nachdenklicher
Untröstlichkeit.
Die Ansprache hält der freie Trauerredner Markus Strauß mit gedämpfter
Artikulation in klassischer Manier. Er hat bei der Familie Charakterzüge,
biografische Details und Anekdoten recherchiert, um seine Würdigung um ein
zentrales Baumann-Zitat bauen zu können: „Ich wollte kein Soldat sein,
wollte keine Menschen töten, keine Verbrechen begehen. Ich wollte ganz
einfach leben.“
Dafür erging gegen ihn eines von 30.000 Todesurteilen „der Recht beugenden
Blutjustiz des NS-Regimes“, wie Militärhistoriker Wolfram Wette ausführt.
Er erinnert sich, dass Baumann in Zeiten der Friedensbewegung zum Vorbild
für Kriegsdienstverweigerer wurde. „Das soll er bleiben, da es fortgesetzt
darum geht, für Frieden, Freiheit und die Würde des Menschen einzutreten.“
Politisch konkreter wurde keiner auf der Trauerfeier.
## Engagement gegen Krieg und für die Umwelt
Strauß erzählt von Baumanns liebevoller Mutter und einem strengen Vater,
Problemen mit Legasthenie und erstem Berufsglück als Maurer. Dann die
Einberufung zur Kriegsmarine – also desertieren. Nach dem Krieg habe
Baumann beharrlich wie erfolgreich seine Mission verfolgt, die Anfeindungen
als „Wehrkraftzersetzer“ loszuwerden. Und mit seinen Kriegs-,
Foltergefängnis-, KZ-Erlebnissen irgendwie klarzukommen.
Strauß verschweigt nicht, dass Baumann anfangs sein Hab und Gut vertrunken
habe. „Aber er war nicht alkohol-, er war kriegskrank.“ Um so kämpferischer
sei er aus dieser Lebensphase herausgetreten. Auch zukunftsweisend
streitbar, indem er das Engagement gegen Krieg mit dem für die Umwelt
verknüpfte.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, erinnerte sich an
Baumann als „Überzeugungstäter“ in Sachen „Kriegsverrat ist Friedenstat…
Friedhelm Schneider vom europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung
formulierte angesichts zunehmender Auslandseinsätze der Bundeswehr noch
einmal Baumanns Appell an Soldaten: „Gehorcht nie einem Befehl, dem ihr im
privaten Leben nicht folgen würdet.“
19 Jul 2018
## AUTOREN
Jens Fischer
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