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# taz.de -- Ludwig Baumann ist tot: Der bekannte Deserteur
> Der letzte Wehrmachtsdeserteur ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Er
> hat jahrzehntelang für die Rehabilitierung gekämpft – und gegen den
> Krieg.
Bild: Ludwig Baumann mit der Kopie seines Todesurteils im Jahr 2007
Bremen epd | Der langjährige Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der
NS-Militärjustiz, Ludwig Baumann, ist tot. Der gebürtige Hamburger sei am
Donnerstagmorgen im Alter von 97 Jahren gestorben, teilte ein Sprecher des
Verbandes in Bremen mit. Baumann sei Herz, Motor und Stimme der
Opfervereinigung gewesen. Sein unermüdliches Engagement habe zur
gesellschaftlichen Anerkennung und zur gesetzlichen Rehabilitierung der
Kriegsdienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer und Deserteure der Wehrmacht
geführt, hieß es in einem Nachruf. Er habe sich für Gerechtigkeit, Frieden
und Gewaltfreiheit eingesetzt.
Vor allem Baumann war es, der über Jahrzehnte trotz massivster Anfeindungen
für die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und sogenannten
Kriegsverrätern gekämpft hatte. Neben anderen Auszeichnungen bekam er
bereits 1995 für sein Engagement den Aachener Friedenspreis, 2007 den
Kultur- und Friedenspreis der Bremer Villa Ichon.
Baumann war der einzige Überlebende jener 36 Initiatoren, die 1990 die
Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz gegründet haben. Rund 30.000
Deserteure, Verweigerer und „Kriegsverräter“ wurden von der
NS-Militärjustiz zum Tode verurteilt, etwa 20.000 hingerichtet. „Der Soldat
kann sterben, der Deserteur muss sterben“, lautete Hitlers Weisung.
Nach dem Krieg galten noch lange die Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz.
Der Bundestag hob sie erst 1998 auf. Vier Jahre später beschloss das
Parlament dann die pauschale Rehabilitierung von Deserteuren. 2009 tilgten
die Abgeordneten alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen sogenannte
Kriegsverräter. Als Verrat galten nach Auffassung der Nationalsozialisten
bereits Kontakte von Soldaten zu Kriegsgefangenen, Hilfen für Juden oder
kritische Äußerungen über den Krieg.
## „Wir wollten einfach leben“
Baumann war 1940 zur Marine einberufen worden. Dort sei er „ furchtbar
angeeckt“, weil er nicht eingesehen habe, dass er die Stiefel seiner
Vorgesetzten putzen muss, [1][erzählte Baumann einer taz-Reporterin im Jahr
2005.] Man schickte ihn zur Hafenkompanie nach Bordeaux, wo er Freundschaft
mit den französischen Wachleuten schloss. „Wir wollten einfach leben. Da
kam der Gedanke abzuhauen“, sagte Baumann, aber er wusste nicht mehr, ob er
von ihm stammte oder von den Franzosen.
1942 stahl Ludwig Baumann mit seinem Freund Karl Oldenburg Gewehre, die
französischen Wachleute brachten sie auf einem Lastwagen an die Grenze, wo
die Deutschen Frankreich noch nicht besetzt haben. Von einer deutsche
Zollpatrouille werden sie festgenommen und als Deserteure zum Tod
verurteilt. Das Verfahren dauerte 40 Minuten.
Doch Baumanns Vater, ein Tabakgroßhändler, hatte über einen Geschäftsfreund
Beziehungen zu einem Großadmiral und schrieb ein Begnadigungsgesuch. Dem
wird stattgegeben, aber Baumann erfuhr es in seiner Todeszelle erst acht
Monate später, weil er gemeinsam mit spanischen Geiseln einen
Ausbruchsversuch geplant hatte. Das Urteil wurde in zwölf Jahre Zuchthaus
umgewandelt. Baumann wird später zu einem Strafbataillon nach Weißrussland
geschickt. Sein Freund Oldenburg kam dort ums Leben.
Lebt gewaltfrei, lasst euch nicht für Kriege missbrauchen – das sind die
Kernaussagen eines autobiografischen Buches über Baumann, das 2014 im
Herder-Verlag erschien und sich wie ein Vermächtnis liest. „Wir in diesem
reichen Land mit unserer Geschichte sind aufgerufen zu gewaltfreiem
Handeln, uns für Gerechtigkeit, für das Leben und für den Frieden
einzusetzen“, sagt er darin. Er soll auf dem Friedhof der evangelischen
Kirchengemeinde Bremen-Grambke bestattet werden. Ein Datum für die
Trauerfeier steht noch nicht fest.
5 Jul 2018
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