# taz.de -- Radioaktive Abfälle in der Asse: 50 Jahre und kein Ende in Sicht | |
> Vor einem halben Jahrhundert begann die Einlagerung von Atommüll im | |
> Bergwerk Asse. Kritiker fordern ein Konzept für die Bergung des Abfalls. | |
Bild: Alle Wege führen nach Asse: Debatte um Atommüll | |
GÖTTINGEN taz | Der Blick ging zurück und nach vorn. Mit einer Kundgebung | |
am maroden Bergwerk Asse haben Anwohner und Atomkraftgegner am Dienstag an | |
den Beginn der Einlagerung radioaktiver Abfälle vor 50 Jahren erinnert. | |
Zugleich warnten Redner vor Bestrebungen, die Grube durch eine Flutung | |
stillzulegen. Stattdessen müssten die Planungen für die offiziell immer | |
noch angestrebte Bergung des Atommülls endlich beginnen. Während der | |
Veranstaltung errichteten Aktivisten am Bergwerksgelände ein fünf Meter | |
hohes „Asse-A“. | |
Am 4. April 1967 hatten Lkws die ersten 80 Fässer mit radioaktiven | |
Rückständen aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe ins frühere | |
Salzbergwerk Asse II gebracht. Zuletzt gelangten 1978 strahlende Abfälle in | |
die Grube. Teilweise kippten Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge | |
oder quetschten sie in bereits volle Hohlräume. Insgesamt lagern 125.787 | |
Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall sowie mit Chemiemüll in | |
den Kammern – mehr als 50.000 Kubikmeter strahlende und teils hoch giftige | |
Rückstände. | |
Es dauerte lange, bis Informationen über die Zustände unter Tage nach außen | |
drangen: Seit 1988 läuft Wasser in das Bergwerk, täglich rund 12.500 Liter. | |
Die Kammern mit dem Atommüll sind instabil, Experten befürchten | |
Wassereinbrüche: „Die weitere Entwicklung des Zutritts ist nicht | |
prognostizierbar“, heißt es in einer gestern vorgestellten Broschüre des | |
Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). „Ein unkontrolliertes Volllaufen des | |
Grubengebäudes kann nicht ausgeschlossen werden.“ Die Nachbarschächte waren | |
schon früher voll Wasser gelaufen und aufgegeben worden. | |
2009 wurde das BfS mit dem Betrieb des Bergwerks und seiner Schließung | |
beauftragt. Es beschloss die Rückholung der Abfälle. Ein ambitioniertes | |
Unterfangen, denn ein nukleares Endlager wurde noch nirgends auf der Welt | |
geräumt. So droht die Rückholung der Fässer zu scheitern, bevor sie | |
überhaupt begonnen hat. Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein | |
oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte für den | |
Asse-Müll gefunden werden. | |
## Unkontrolliertes Volllaufen ist nicht ausgeschlossen | |
Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt BfS-Chef Wolfram | |
König ein, kann die Abfälle nur nach einem neuen Genehmigungsverfahren | |
aufnehmen. Fachleute wie Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt äußerten | |
zudem grundsätzliche Bedenken gegen eine Räumung. Umweltschützer vermuten, | |
dass die Politik Bilder von zerfressenen Fässern und einem Brei aus | |
Salzlauge und Atommüll lieber nicht in der Öffentlichkeit sehen will. | |
Andreas Riekeberg vom atomkraftkritischen Asse-II-Koordinantionskreis | |
kritisierte gestern denn auch, dass das BfS acht Jahre nach der Übernahme | |
der Grube immer noch kein Gesamtkonzept für die Rückholung vorgelegt habe. | |
„Wir fordern ein koordiniertes Vorgehen, mit einem bis zum Ende gedachten | |
Planungsgerüst“, sagte er. Zentrale Fragen wie die nach dem Zugang zu den | |
Kammern oder der Methodik der Bergung seien „bisher nicht ansatzweise | |
geklärt“. | |
Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit, mahnte dagegen gestern das BfS: Das | |
strenge Atomrecht, das seit 2009 für die Asse gilt, fordere nicht nur ein | |
völlig anderes Sicherheitsregime. Sondern auch ein Nachweissystem für jeden | |
geplanten Schritt, „der Zeit, Geld und manchmal viel Geduld von allen | |
Beteiligten erfordert“. | |
5 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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