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# taz.de -- Interessenkonflikt bei Atom-Institution: Ein Experte für alle Seit…
> Michael Sailer berät die Bundesgesellschaft für Endlagerung und deren
> Aufsichtsbehörde. Nicht nur diese Doppelrolle des Atomexperten sorgt für
> Kritik.
Bild: Multifunktionär: Michael Sailer
Berlin taz | Michael Sailer ist ein gefragter Mann. Beim Freiburger
Öko-Institut ist der Chemiker mit dem charakteristischen langen Haar zwar
im August in den Ruhestand verabschiedet worden – nach 39 Jahren, davon die
letzten 20 als Mitglied der Geschäftsführung.
Doch an Aufgaben mangelt es ihm trotzdem nicht: Er sitzt nicht nur in der
Expertengruppe Reaktorsicherheit der schweizerischen Atomaufsicht und im
Vorstand der Stiftung des Energieversorgers Entega, sondern leitet auch die
Entsorgungskommission, die das Bundesumweltministerium in Atommüllfragen
berät. Seit Kurzem hat er noch einen weiteren, gut dotierten Job – und der
sorgt nun für kritische Nachfragen.
Denn seit Anfang August ist Sailer als Berater für die
[1][Bundesgesellschaft für Endlagerung] (BGE) tätig. Die BGE ist ein
staatseigenes, aber privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen mit Sitz
in Peine und Salzgitter. Es betreibt die bestehenden Endlager in der Asse
und Morsleben, baut das Bergwerk Schacht Konrad zum Endlager für
schwachradioaktiven Müll aus und verantwortet die Suche nach einem Endlager
für hochradioaktiven Atommüll.
Wie die [2][öffentliche Bekanntmachung] der Auftragsvergabe zeigt, erhält
er für „Beratungsleistungen für Standortauswahl und GF [Geschäftsführung]…
388.800 Euro. Auf Nachfrage erklärt die BGE, für diese Summe stehe Sailer
dem Unternehmen in den kommenden vier Jahren an etwa fünf Tagen im Monat
zur Verfügung. Sein Tagessatz liegt demnach rechnerisch bei 1.620 Euro.
## „Eindruck von Mauschelei“
Die Kritik entzündet sich zum einen daran, wie der Auftrag zustande
gekommen ist. Denn eine Ausschreibung gab es dafür nicht, und die Höhe des
Honorars spielte laut den angegebenen Zuschlagskriterien keine Rolle. „Wenn
ein hoch dotierter Auftrag ohne transparentes Verfahren vergeben wird,
macht das den Eindruck von Mauschelei“, sagt Hubertus Zdebel, Atomexperte
der Linken im Bundestag und bis zum vergangenen Jahr Mitglied im
Aufsichtsrat der BGE. „Das gilt ganz besonders, wenn es langjährige
Kontakte zwischen den Beteiligten gibt.“
Damit spielt Zdebel darauf an, dass Beate Kallenbach-Herbert, die seit
Anfang dieses Jahres als kaufmännische Geschäftsführerin für die Finanzen
der BGE verantwortlich ist, zuvor viele Jahre lang als Abteilungsleiterin
im Öko-Institut unter Michael Sailer gearbeitet hat.
Die BGE erklärt dazu, dass für den Vertrag mit Sailer aufseiten der BGE
andere Personen verantwortlich gewesen seien. Als Grund für die fehlende
Ausschreibung heißt es in der Bekanntmachung ohne weitere Erläuterung:
„Vergleichbare Experten stehen nicht zur Verfügung.“ Sailer selbst weist
die Kritik am Verfahren zurück. „Die Fachszene zu Endlagerfragen ist nun
mal sehr klein“, sagte der [3][65-jährige gebürtige Nürnberger der taz].
„Da gibt es praktisch keine Leute, mit denen man nicht schon früher
zusammengearbeitet hat.“
Zum anderen stößt der Auftrag auf Kritik, weil er zu einem
Interessenkonflikt führen könnte. Denn Sailer berät mit der BGE nun
einerseits das für die praktische Endlagersuche verantwortliche
Unternehmen. Andererseits ist er in seiner Rolle als Vorsitzender der
Entsorgungskommission wichtiger Ratgeber des Bundesumweltministeriums, dem
wiederum das für die Überwachung der Endlagersuche zuständige Bundesamt für
Nukleare Entsorgungssicherheit (BfE) untersteht.
## „Um Stellungnahme gebeten“
Die Sprecherin des von Wolfram König geführten BfE, Ina Stelljes, hat darum
Bedenken gegen Sailers neue Aufgabe. „Die Glaubwürdigkeit der
Endlagersuche hängt maßgeblich davon ab, dass Tätigkeiten der
Regulierungs- und Unternehmensebene nicht miteinander vermischt werden“,
sagte sie der taz. „Vor diesem Hintergrund haben wir als Atomaufsicht bei
der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH um Stellungnahme zum aktuell
vorliegenden Sachverhalt gebeten.“
Tatsächlich war eine klare Trennung von praktischer Durchführung und
politischer Aufsicht über die Endlagersuche zentraler Grund für die
Neuorganisation der Aufgaben, die vor drei Jahren zur Gründung von BGE und
BfE geführt hatte.
Die BGE will sich zu einem möglichen Interessenkonflikt nicht äußern,
sondern verweist als Antwort auf eine entsprechende Frage an das
Bundesumweltministerium. Dort sieht man aber eher die BGE selbst in der
Pflicht, den Vorfall aufzuklären. „Wir haben einige Fragen an die
beteiligten Akteure“, sagt ein Ministeriumssprecher zur taz. Das
Umweltministerium werde „aufklären, welche Auswirkungen das
Vertragsverhältnis zwischen der BGE und Herrn Sailer auf seine Mitarbeit in
der Entsorgungskommission“ habe.
Sailer selbst sieht darin kein Problem. „Schon bisher ist es gängige
Praxis, dass ein Mitglied der Kommission an Beratungen und Beschlüssen
nicht teilnimmt, wenn wegen externer Aufträge eine Befangenheit vorliegen
könnte“, sagt er.
## Doppeltätigkeit ausschließen
Dass die Gefahr eines Interessenkonflikts nicht nur theoretisch besteht,
zeigt sich bei einer wichtigen Verordnung, in der die
Sicherheitsanforderungen für das künftige Endlager genauer definiert werden
– zentral für die weitere Arbeit der BGE. Denn von der genauen
Ausgestaltung hängt ab, wie groß der Aufwand der Endlagersuche wird – und
welche Freiheiten das zuständige Unternehmen dabei genießt.
Erarbeitet wurde diese [4][Verordnung] von einer kleinen Expertengruppe, zu
der Sailer auch gehörte. Noch bis Mai habe er auf vertraglicher Grundlage
an dem Text mitgearbeitet, bestätigt das Umweltministerium. Zu diesem
Zeitpunkt liefen laut BGE bereits die Gespräche über einen Beratervertrag
beim Unternehmen.
Für die Zukunft soll eine solche Doppeltätigkeit ausgeschlossen werden. „In
die weitere Arbeit der Expertengruppe wird das Umweltministerium ihn nicht
mehr einbinden“, erklärt der Ministeriumssprecher. Sailer betont, als er am
Entwurf mitgearbeitet habe, sei er noch nicht für die BGE tätig gewesen.
Außerdem habe er klar gemacht, dass er das Unternehmen dazu nicht beraten
werde.
Ob und wieweit die Interessen der BGE die Arbeit an der Verordnung
beeinflusst haben, ist unklar. Allzu große Einwände hatte das staatseigene
Unternehmen gegen den vorliegenden Entwurf aber nicht: Nur „vereinzelt“
gebe es „aus Sicht der BGE noch Anpassungsbedarfe“, heißt es in einer
offiziellen Stellungnahme.
## „Wir finden es schade“
Ganz anders sieht der Umweltverband BUND den Entwurf: Er kritisiert in
seiner Stellungnahme unter anderem, dass die Verordnung an einer zentralen
Stelle – bei den Anforderungen an den sogenannten „einschlusswirksamen
Gebirgsbereich“ – hinter den Beschlüssen der Endlager-Kommission
zurückbleibt, die von 2014 bis 2016 die Grundlagen für die neue
Endlagersuche erarbeitet hatte.
Nicht nur der Linken-Abgeordnete Zdebel warnt darum vor einem
Interessenkonflikt und hat dazu eine Anfrage gestellt. Auch Sylvia
Kotting-Uhl (Grüne), die als Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses
im Aufsichtsrat der BGE sitzt und seit Jahren mit Sailer zusammenarbeitet,
übt Kritik. Zwar sei es sinnvoll, sich Rat von jemandem zu holen, der den
Prozess der Endlagersuche gut kenne, sagte sie der taz. „Aber für beide
Seiten gleichzeitig zu arbeiten sehe ich schon als Problem.“
Und auch der BUND sieht die bisherige Rolle von Sailer durch seine neue
Aufgabe gefährdet. „Wir finden es schade, dass ein so erfahrener
Wissenschaftler wie Michael Sailer, den wir eher in einer neutralen
Position sehen, jetzt einseitig den Vorhabenträger BGE berät“, sagt die
BUND-Atomexpertin Juliane Dickel.
17 Oct 2019
## LINKS
[1] /Atommuell-Endlager-in-Deutschland/!5600683
[2] https://ted.europa.eu/TED/notice/udl?uri=TED%3ANOTICE%3A353025-2019%3ATEXT%…
[3] /!1121291/
[4] https://www.bmu.de/gesetz/referentenentwurf-zur-verordnung-ueber-die-sicher…
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
Atomenergie
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Schwerpunkt Atomkraft
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