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# taz.de -- Agenda zum maritimen Gipfel: Maritimer Schweinezyklus
> Politiker schimpfen gern öffentlich über die Reeder. Im Bundestag haben
> sie derweil eine neue „Maritime Agenda“ vorbereitet – pünktlich zum
> maritimen Gipfel in Hamburg
Bild: Wechselhafte Stimmung: Bis heute hat sich die maritime Wirtschaft von der…
Zur „10. Nationalen Maritimen Konferenz“ werden sie alle in Hamburg
auflaufen: die neue Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD),
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und auch Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU). Bei dem maritimen Gipfeltreffen soll es am 3. und 4.4. um die
Digitalisierung der Branche gehen, um „grüne“ Seehäfen, aber auch um die
Rolle der Politik.
Noch beim traditionellen Jahresessen der deutschen Reeder Ende Dezember in
der Hamburger Handelskammer wetterte Schleswig-Holsteins
SPD-Ministerpräsident Torsten Albig: Die Reeder müssten wieder dem Ideal
des ehrbaren Kaufmanns folgen, wenn sie weiter Hilfe vom Staat wollten.
„Dafür erwarte ich im Gegenzug nur eines von Ihnen: Anständigkeit“, sagte
Albig. Andere Parlamentarier im Norden schimpften gar über „vaterlandslose
Gesellen“. Bröckelt die lange gepflegte Partnerschaft zwischen Politik und
Schiffseignern?
Jahrzehntelang wuchs der Welthandel weit schneller als die Weltwirtschaft.
Ohne moderne Schifffahrt keine Globalisierung: Erst der spottbillige
Transport von T-Shirts, Smartphones und Soja erlaubte es den Konzernen, das
dramatische Lohngefälle zwischen Asien und USA, Südamerika und Westeuropa
auszunutzen. Der Transport eines 500 Euro teuren Handys über abertausende
Seemeilen schlägt nur mit wenigen Cent zu Buche.
Lange boomte daher das Geschäft der Reeder. Besonders in Deutschland
profitierten davon auch Kreditgeber wie die Commerzbank, die mittlerweile
zum Verkauf stehende staatliche HSH Nordbank oder Fondsgesellschaften, die
Schiffsbeteiligungen als Altersvorsorge an Hunderttausende Kleinanleger
verscherbelten. Die Flotte der deutschen Eigentümer stieg zur größten der
Welt auf.
Der „Maritime Komplex“ wurde als strategisch wichtige Industrie von der
rot-grünen Regierung Gerhard Schröders (SPD) und seiner Nachfolgerin Angela
Merkel (CDU) mehr als üppig subventioniert. Vor allem durch die
„Tonnagesteuer“: Für ihre Millionengewinne zahlen Reeder und Investoren nur
ein paar Euro Steuern. Die „Küstengangs“ der Landespolitiker taten das
Ihrige dazu.
Im Gegenzug verpflichtete sich die Branche, Hunderte Schiffe wieder unter
Schwarz-Rot-Gold zu bringen und Tausende Seeleute auszubilden. Sie werden
gebraucht als Lotsen, Marinesoldaten oder Hafenkapitäne. Doch dann kam der
Crash.
Von der 2007 ausgebrochenen Finanzkrise und dem folgenden Einbruch des
Welthandels hat sich die Branche bis heute nicht erholt. Und seit dem
neuerlichen Einbruch der Transportpreise 2015 hat sich die Lage weiter
zugespitzt: Zeitweilig fielen die Frachtraten für einen Standardcontainer
(TEU), die in Hochzeiten deutlich über 1.000 Dollar lagen, auf unter 100
Dollar.
Zwar entlasten die gesunkenen Treibstoffpreise. Aber die globale Nachfrage
bleibt schwach. Und die fortwährende Auslieferung großvolumiger Schiffe
lässt die Überkapazitäten weiter anschwellen. In den letzten sechs Jahren
haben zwölf der 20 größten Reedereien, vor allem aus Asien, rund zwölf
Milliarden Euro versenkt – „vor Abschreibungen und Steuern“, rechnet
Hapag-Lloyd-Boss Rolf Habben Jansen vor.
Dabei kennt die Branche ihren „Schweinezyklus“ eigentlich seit
Jahrhunderten: In Hochzeiten werden massenhaft neue Schiffe geordert, weil
jeder Reeder sich das dickste Stück vom Kuchen abschneiden will. So
produziert die traditionell kapitalstarke Branche immer wieder neue
Überproduktionskrisen: zu viel Schiffsraum für zu wenig Ladung. Dann kracht
es, und die nächste Runde beginnt.
Der Krach hat Folgen, zum Beispiel Notverkäufe wie der von Hamburg-Süd.
Pizza-Produzent Oetker verkaufte nach mehr als 80 Jahren seine
Tochtergesellschaft an den Weltmarktführer Maersk. Für mehrere Hundert
Schiffe von Schiffsfonds wurde bislang in Deutschland Insolvenz angemeldet.
Die Bremische Landesbank hält sich nur durch den Verkauf an die NordLB über
Wasser. Werften taumeln.
Eine Antwort der Reeder sind neue Allianzen. Und Fusionen. Die
teilstaatliche Hapag-Lloyd schließt sich mit dem arabischen Konkurrenten
USAC zusammen, der Israel nicht beliefert. Ob solche Maßnahmen ausreichen,
muss die Zukunft weisen.
Angesichts eines erwarteten ansehnlichen Wachstums der Weltwirtschaft von
3,5 Prozent in diesem Jahr geht die Bundesregierung in ihrem Anfang März
veröffentlichten Bericht über die maritime Wirtschaft von einer Erholung
der Schifffahrtsmärkte aus. Bei ihrem Optimismus will es die
Bundesregierung aber nicht belassen.
Pünktlich zum maritimen Gipfeltreffen stimmte der Bundestag mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD – auch denen aus Schleswig-Holstein – Kanzlerin Merkels
„Maritimen Agenda 2025“ zu. Mit einer millionenschweren Forschungs- und
Innovationsförderung soll die Branche gestärkt werden. „Die Agenda ist
gut“, sagte Reederpräsident Ralf Nagel. Sie müsse aber zu einer
Gesamtstrategie weiterentwickelt werden.
3 Apr 2017
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Reederei
Schwerpunkt Finanzkrise
Werften
Welthandel
Containerschifffahrt
Donald Trump
Hamburger Hafen
Kuba
Meere
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