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# taz.de -- Massenproteste in Chile: Die Wut der verarmten Rentner
> Das private Rentenversicherungssystem schafft in Chile Altersarmut.
> Dagegen gehen nun Hunderttausende auf die Straße und fordern eine Reform.
Bild: Unbeliebtes System: Die private Rente reicht den Chilenen nicht zum Leben…
Buenos Aires taz | Am Sonntag haben in Chile Hunderttausende Menschen gegen
das private Rentenversicherungssystem protestiert. Dazu aufgerufen hatte
das Bündnis No+AFP. Nach dessen Angaben beteiligten sich landesweit rund
zwei Millionen Menschen. In der Hauptstadt Santiago seien 800.000 auf die
Straße gegangen. Die Polizei gab die Zahl mit 50.000 an.
Egal wie viele letztlich wirklich demonstriert haben: Unter den
Beitragszahlenden und RentnerInnen rumort es gewaltig. Eine staatliche
Rentenversicherung gibt es nicht, und das private Rentenversicherungssystem
ist ein profitables Geschäft für die beteiligten Unternehmen.
AFP steht für Administradoras de Fondos de Pensiones, Verwaltung der
Pensionsfonds. Sechs Privatunternehmen verwalten die Renten der
Beschäftigten, die monatlich rund zehn Prozent ihres Einkommens in einen
von fünf Fonds einzahlen. Die Fonds sind mit Investmentfonds vergleichbar.
Die Gelder werden in Wertpapieren angelegt, aus deren Renditen die Renten
und Pensionen gezahlt werden. Gleichzeitig kassieren die Verwalter satte
Gebühren.
Wählen können die Einzahlenden lediglich zwischen den spekulativen Risiken
der fünf Fonds. Je höher das Risiko, desto höher später die Auszahlung, die
bei dem Gros der Rentner jedoch monatlich 155.000 Pesos nicht übersteigt,
umgerechnet knapp 220 Euro. Damit aber kommt auch in Chile niemand bis ans
Monatsende. Pikanterweise verfügen Militär und Polizei über eine eigene
Rentenversicherung, bei der deutlich mehr ausgezahlt wird.
## Privatrentensystem unter Militärdiktatur geschaffen
„Nach 36 Jahren ist dieses System gescheitert und zusammengebrochen, es ist
nicht dafür geschaffen, angemessene und würdige Renten zu zahlen. Es ist an
der Zeit, die AFP abzuschaffen und eine soziale Absicherung zu fordern, die
unsere Ältesten nicht dazu zwingt, sich in Supermärkten oder als Pförtner
verdingen müssen“, sagt Luis Mesina vom Bündnis No+AFP.
Die AFP wurden während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet von dessen
Arbeits- und Sozialminister, José Piñera, eingerichtet, dem älteren Bruder
von Expräsident Sebastián Piñera. Versprochen wurden steigende Renditen,
aus denen einmal bis zu 100 Prozent der Löhne und Gehälter als Rente
weitergezahlt werden könnten. Das Versprechen blieb unerfüllt, aber die
Einzahlenden haben keine Alternative. Das sorgt zunehmend für Frust und
Wut.
Alle Versuche einer grundlegenden Reformierung sind bisher gescheitert. Bei
ihrem Amtsantritt hatte Präsidentin Michelle Bachelet ebenfalls eine Reform
versprochen. In zwei Monaten will sie ihren Vorschlag vorlegen. Schwer zu
glauben, dass dies vor der im November anstehenden Präsidentschaftswahl
noch viel Sinn ergibt.
27 Mar 2017
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Chile
Augusto Pinochet
Rentenversicherung
Michelle Bachelet
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