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# taz.de -- Grenzkonflikt Bolivien und Chile: Der alte Streit um das Meer
> Begleitet von Grenzvorfällen hat Bolivien die nächste Runde in dem
> Konflikt um einen Meereszugang beim Internationalen Gerichtshof
> eingeleitet.
Bild: Die Bolivianische Marine demonstriert auf dem Trockenen – La Paz am Die…
Buenos Aires taz | Der Witz geht so: Wie ärgert ein Chilene am leichtesten
einen Bolivianer? Er singt beschwingt: „Vamos a la playa“ (Lasst uns zum
Strand gehen). Zwar hat der Witz einen jahrhundertealten Bart, aber er
funktioniert noch immer prächtig.
1879 musste Bolivien nach dem sogenannten Salpeterkrieg mit dem
chilenischen Nachbarn 120.000 Quadratkilometer Festland und 400 Kilometer
Pazifikküste an Chile abtreten. Seither ist Bolivien ein Binnenstaat – und
seither tobt der Streit um einen Zugang zum Meer.
Daran änderte auch der 1904 zwischen beiden Staaten vereinbarte
Friedensvertrag wenig. Während Chile darauf besteht, dass darin die
Grenzziehung völkerrechtlich festgelegt ist, argumentiert Bolivien, die
Vertragsunterzeichnung sei unter Androhung einer militärischen Invasion
erzwungen worden. Deshalb unterhalten die beiden Staaten seit knapp 40
Jahren keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mehr.
Dennoch werden rund 70 Prozent der bolivianischen Exporte über chilenische
Häfen verschifft: Seit 1913 ist die Hafenstadt Arica zu diesem Zweck per
Eisenbahnlinie mit Boliviens Regierungssitz La Paz verbunden.
## Chile nimmt bolivianische Soldaten fest
Wie blank die Nerven liegen zeigt der jüngste Fahnenstreit. Vergangene
Woche ließ Chiles Polizei in der nordchilenischen Küstenstadt Antofagasta
die bolivianische Fahne einholen. Skandal, wetterte es aus La Paz, die
Fahne habe am bolivianischen Konsulat gehangen. Das Gebäude habe keinen
diplomatischen Status, so die Antwort aus Santiago, weshalb die Flagge
eine Ordnungswidrigkeit darstelle.
Noch heftiger wurde es am Sonntag. Zwei Militärs und sieben Zollbeamte aus
Bolivien wurden von der chilenischen Polizei festgenommen und sitzen
seither im chilenischen Gewahrsam. Die neun seien bei einem
Antischmuggeleinsatz auf bolivianischem Territorium von chilenischen
Polizisten gekidnappt worden, wetterte Boliviens Präsident Evo Morales.
Von wegen Entführung, die Verhafteten seien unbefugt 400 Meter weit nach
Chile eingedrungen und beim Versuch erwischt worden, Lastwagen zu klauen,
konterte Chiles Außenminister Heraldo Muñoz.
Boliviens Präsident Evo Morales hatte Anfang des Jahrzehnts angekündigt,
Chile auf juristischem Weg an den Verhandlungstisch zu zwingen. Im April
2013 wurde beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine entsprechende
Klage eingereicht. Das falle überhaupt nicht in die Kompetenz von Den Haag,
argumentierte Chiles Regierung. Im September 2015 erklärten sich die
internationalen Richter jedoch für zuständig und nahmen die bolivianische
Klage an. Bolivien feierte das als ersten Sieg.
Der Streit hat in beiden Ländern eine starke innenpolitische Komponente.
Jenem bolivianischen Präsidenten, dem es einmal gelingen sollte, wieder
einen dauerhaften Zugang zum Meer zu erringen, ist der erste Platz in der
nationalen Ruhmeshalle sicher. Und jenem chilenischen Staatsoberhaupt, das
Bolivien dies zugesteht, ist Schimpf und Schande garantiert. Die
Gefühlslage beider Bevölkerungen ist so polarisiert, dass der Konflikt
jederzeit zum Überspielen innenpolitischer Probleme instrumentalisiert
werden kann.
## „Kein chilenisches Hoheitsgebiet für Bolivien“
Diesen Dienstag nun hat Bolivien eine Präzisierung seiner Klage in Den Haag
vorgelegt. Zwar ist das Dokument nicht öffentlich, aber nachdem der
jahrhundertealte Streit in beiden Ländern ganze Bücherregale füllt, dürfte
wenig Neues darin stehen. Die chilenische Antwort muss bin spätestens
September erfolgen. Anfang 2018 könnte dann die mündliche Verhandlung
beginnen. Ein vorheriges Einlenken ist von beiden Seiten nicht zu erwarten.
Alle redeten davon, es ginge um einen souveränen Meereszugang für Bolivien,
dies stimme aber nicht, sagt Chiles Außenminister Muñoz, und so sehe das
auch der Gerichtshof, vor dem es nur darum gehe, ob Chile zu entsprechenden
Verhandlungen gezwungen werden könne.
„Das Gericht wird Bolivien kein chilenisches Hoheitsgebiet zusprechen, das
würde Chile nicht akzeptieren und steht auch gar nicht zur Debatte“, so
Muñoz. Bolivien habe Zugang zum Meer, nur eben keinen auf eigenem
Hoheitsgebiet.
22 Mar 2017
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Bolivien
Chile
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Bolivien
Chile
Chile
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Nachbarn Chile.
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