# taz.de -- Volksbegehren für Tegel endet: Berlins beliebteste Luftnummer | |
> Bis Montag können Unterschriften für die Offenhaltung von Tegel gesammelt | |
> werden. Was macht der Senat, wenn genug Stimmen zusammenkommen? | |
Bild: Laut und voll, das ist Tegel, der innerstädtische Flughafen Berlins | |
Diese Woche könnte für den Berliner Senat unangenehme Wahrheiten mit sich | |
bringen. Eine davon: Viele Berliner stellen ihre Bequemlichkeit über die | |
gesundheitliche Belastung von Mitbürgern durch Fluglärm. So viele, dass das | |
Volksbegehren „Berlin braucht Tegel“, für das die viermonatige Phase der | |
Unterschriftensammlung am heutigen Montag endet, erfolgreich sein könnte. | |
Von 158.000 Unterschriften sprachen die Initiatoren Mitte der vergangenen | |
Woche, offensichtlich ungültige wollten sie dabei schon herausgerechnet | |
haben. Damit das Volksbegehren zustande kommt, müssen es 174.000 gültige | |
Unterschriften sein. | |
So zuversichtlich sind die Initiatoren, dass FDP-Fraktionschef Sebastian | |
Czaja, der Kopf der Kampagne, sich zu einem möglichen Plan B gar nicht | |
äußern will: „Davon gehen wir nicht aus.“ Sich und seine Mitstreiter | |
versteht er als eine Art umgekehrte Steigbügelhalter: Der Regierende | |
Bürgermeister Michael Müller könne sich „jetzt endlich trauen, vom toten | |
Pferd der Tegel-Schließung abzusteigen“. Czaja findet: Wenn beim Antrag auf | |
ein Fahrrad-Volksbegehren 100.000 Unterschriften für einen | |
„Paradigmenwechsel beim Radverkehr“ ausgereicht hätten, sollten es 174.000 | |
oder mehr in Sachen TXL allemal tun. | |
## Kein Gesetz, nur ein Appell | |
Die Initiative setzt voll und ganz auf ihre symbolische Wirkung – und sie | |
muss es auch. Was sie zur Unterschrift vorgelegt hat, ist kein | |
Gesetzestext, der in einer dritten Stufe per Volksentscheid in Kraft | |
gesetzt werden könnte, sondern lediglich ein Appell: „Der Berliner Senat | |
wird aufgefordert, sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle | |
Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten | |
Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern“, lautet | |
die knappe Forderung. Müssen muss der Senat gar nichts. Aber, so das | |
Kalkül, er kann nicht gegen den Willen der Mehrheit regieren. | |
Dieser Mehrheitswille schlägt sich auch in Umfragen nieder. Nicht wirklich | |
ernst zu nehmen war der „B.Z.-Ted“, bei dem sich fast 90 Prozent von 20.000 | |
Springer-Lesern für den Weiterbetrieb von Tegel aussprachen. Schwerer wiegt | |
eine vom Forsa-Institut für die Berliner Zeitung nach den Regeln der | |
demoskopischen Zunft durchgeführte Erhebung, bei der immer noch 73 Prozent | |
dagegen waren, dass zwischen Wedding und Spandau die Turbinen schweigen. | |
Eine andere für die Landesregierung unangenehme Wahrheit, die bald | |
endgültig ans Licht kommen dürfte, lautet: Der Beschluss, Tegel | |
dichtzumachen, ist nicht in Granit gemeißelt. FDP und Konsorten weisen | |
beharrlich darauf hin, dass die entsprechenden Beschlüsse – der | |
Landesentwicklungsplan, die Planfeststellung für den BER und die Aufhebung | |
der Betriebsgenehmigung für TXL – reversibel sind beziehungsweise ignoriert | |
werden können. Das sagt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts | |
des Bundestags. In den vergangenen Jahren haben Regierungsvertreter alle | |
möglichen verbalen Verrenkungen unternommen, um diese Tatsache zu leugnen. | |
Dass es dennoch so ist, dafür spricht schon ein Blick in die Stellungnahme | |
zum Antrag auf das Volksbegehren, die der damalige Senat im Mai 2016 an das | |
Abgeordnetenhaus schickte: Nichts darin belegt die vermeintliche | |
juristische Unmöglichkeit. Es wird lediglich auf das gültige Ziel des | |
Landesentwicklungsplans verwiesen, an dem man „festhalte“, und auf die | |
„große Gefahr“, dass die Planrechtfertigung des | |
BER-Planfeststellungsbeschlusses nachträglich entfallen könnte – „mit | |
ungewissen Folgen“. Zudem spreche die – mit dem BER gegengerechnete – | |
Netto-Entlastung von rund 100.000 Lärmbetroffenen genauso gegen den | |
Weiterbetrieb wie potenzielle Lärmschutzkosten von mehreren hundert | |
Millionen Euro. | |
## Stoff für Tegel-Nostalgiker | |
Das Problem für Czaja und die anderen Tegel-Fans: Die Schließung des | |
innerstädtischen Flughafens steht in der vor weniger als einem halben Jahr | |
unterzeichneten Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot-Grün, und weder Linke | |
noch Grüne dürften sich davon abbringen lassen. „Wir bleiben dabei: Tegel | |
muss geschlossen werden“, so Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek am | |
Wochenende zur taz. Der Fluglärm mache „Hunderttausende krank“ und die | |
Stadt brauche den Platz für günstige Wohnungen und neue Arbeitsplätze. „Wer | |
heute Gewohnheiten pflegt, hat morgen den Anschluss verpasst“, so Kapeks | |
Botschaft an die Adresse der Tegel-Fans. | |
Zwar dürften vor allem in der SPD nicht wenige Tegel-Nostalgiker sitzen, | |
ein Zerbrechen der noch jungen Koalition an der Causa Tegel ist aber höchst | |
unwahrscheinlich. Das Abgeordnetenhaus wird also das Volksbegehren, so es | |
denn zustande kommt, zurückweisen. Dann würde ein Volksentscheid folgen. | |
Im Haus von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) | |
gibt man sich trotzdem betont gelassen: „Wenn ein Volksentscheid die | |
nötigen Unterschriften sammelt und rechtlich zulässig ist, wird der | |
Volksentscheid durchgeführt“, so Sprecher Matthias Tang zur taz. „Das ist | |
in der Demokratie eine Selbstverständlichkeit.“ | |
20 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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