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# taz.de -- Diskussion um Offenhaltung von Tegel: Müller muss abheben
> Der Tegel-Volksentscheid wird wohl kommen: Für den Senat wäre das die
> Chance, endlich für seine Flughafenpolitik zu werben – einschließlich
> BER.
Bild: Platz aus allen Nähten und bröckelt auch schon ein bisschen, manche lie…
Ein Flughafen gehört nicht in die Stadt. Um das zu begreifen, muss man nur
mal eine Stunde am „Kutschi“ – dem Kurt Schumacher-Platz in Reinickendorf…
den Fliegern im Landeanflug auf Tegel zuhören.
Eine große Gruppe Berliner will den Flughafen dennoch behalten: Am Dienstag
hat Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach bekannt gegeben, dass rund
247.000 Unterschriften für das Volksbegehren für die Offenhaltung von Tegel
eingereicht wurden. Montagnacht, 24 Uhr, war die viermonatige Frist
abgelaufen.
Von den 247.000 Stimmen müssen rund 174.000 gültig sein. Bei früheren
Begehren lag die Zahl der ungültigen Unterschriften – zum Beispiel doppelt
geleistete oder jene von Menschen, die nicht in Berlin wahlberechtigt sind
– zwischen 15 und 20 Prozent. Sehr wahrscheinlich war das Volksbegehren
also erfolgreich und es kommt zum Volksentscheid. Denn der rot-rot-grünen
Senat lehnt einen Weiterbetrieb von Tegel ab, nachdem der BER in Schönefeld
eröffnet hat.
Für den Senat wird der Volksentscheid eine Herausforderung: Denn er
betrifft die für Rot-Rot-Grün zentrale Verkehrs- und Infrastrukturpolitik –
beides fast ideologisch aufgeladene Themen. Bei Tegel kommt zudem der BER
ins Spiel: Von dem Großflughafen weiß aber niemand, wie es um ihn steht. Am
Montag hat dessen neuer Chef Engelbert Lütke Daldrup verkündet, dass 87
Prozent gebaut wären, also noch 13 Prozent fehlen. Aber was heißt das schon
bei dem Fluchhafen?!
Skepsis ist beim BER grundsätzlich angesagt. Das zeigen die Pannen, vor
allem beim Brandschutz, und bisweilen peinlichen Versuche, sie zu beheben,
seit der gescheiterten Eröffnung 2012. Politiker der drei Eigentümer
Berlin, Brandenburg und dem Bund hatten mit den Pannen zwar selten etwas zu
tun, aber sie konnten sie auch nicht verhindern, obwohl sie im Aufsichtsrat
der Flughafengesellschaft saßen und sitzen. Der BER ist kein überzeugendes
Argument für eine erfolgsversprechende Verkehrs- und Infrastrukturplanung.
Dazu kommt: Selbst wenn der BER doch noch eröffnet – 2018, 2019 und 2020 –
wird er zu klein sein für all jene Menschen, die nach Berlin mit dem
Flugzeug kommen. Der BER ist auf 27 Millionen Passagiere pro Jahr
ausgelegt, Tegel und Schönefeld haben 2016 bereits rund 32,9 Millionen
Fluggäste abgefertigt. Und: „Wir rechnen damit, dass die Fluggastzahlen
auch 2017 weiter steigen“, sagte der damalige Flughafenchef Karsten
Mühlenfeld.
Die stetige Steigerung der Flugzahlen – 2009 waren es noch 20,8 Millionen –
erfreut die Politik: Je mehr Menschen Berlin besuchen, desto attraktiver
sei die Stadt. So lautet der politische Konsens. Dass Fliegen – vorsichtig
formuliert – ökologisch problematisch ist und eine Senkung der
Passagierzahlen umweltpolitisch sinnvoll, trauen sich nicht mal mehr die
Grünen zu sagen. Klingt ja fast wie der Vorschlag eines Flugverbots für
brave Bürger.
Die Frage allerdings, warum bei politisch gewollten, steigenden
Passagierzahlen und einem absehbar zu kleinen, vielleicht pannenbehafteten
BER ein bestehender Flughafen nicht offen bleiben soll, ist schwer von der
Hand zu weisen. Zu einfach scheint die Fluggast-Rechnung.
Der Senat unter Michael Müller (SPD) muss sich also ins Zeug legen und
keinesfalls zurückzuziehen auf das Argument, dass der Volksentscheid der
Tegel-Fans nicht bindend ist: Beim abzustimmenden Text handelt es sich
nicht um einen Gesetzentwurf, sondern lediglich um einen Appell an den
Senat. Doch Rot-Rot-Grün hat in seinem Koalitionsvertrag betont, wie
wichtig Direkte Demokratie ist. Entsprechend hat der Senat am Dienstag
angedeutet, dass der Volksentscheid Ende September parallel zur
Bundestagswahl stattfinden soll. Eine hohe Beteiligung wäre damit sicher.
Und der Senat muss mehr bieten als die matramäßige Wiederholung der
bisherigen Argumente. 300.000 Menschen in der Stadt müssten vom Fluglärm
entlastet werden, betonte der Verkehrsexperte der Linkspartei Harald Wolf
am Dienstag noch einmal. Wie stark dieses Argument ist, wird sich erst im
Wahlkampf zeigen – wenn es gelingt, dies auch jenen nicht vom Fluglärm
betroffenen Tegelnutzern zu vermitteln. Die not-in-my-backyard-Haltung ist,
wie sich in vielen anderen Streitigkeiten zeigt, weit verbreitet.
Nur auf den ersten Blick stichhaltig ist auch das Argument, dass es für den
Weiterbetrieb von Tegel nach der Eröffnung des BER keine rechtliche
Grundlage mehr gebe. Dies wird zwar immer wieder vom Senat behauptet; es
gibt aber auch solide Gegenmeinungen. Letztlich werden diesen Punkt wohl
nur die Gerichte klären können – irgendwann. Und dass die Fläche des
Flugfeldes für den Bau dringend benötigter Wohnungen gebraucht wird, hat
schon beim Volksentscheid übers Tempelhofer Feld 2014 nicht so überzeugt
wie gewünscht.
Trotzdem ist der anstehende Abstimmungswahlkampf mehr Chance als Risiko für
Rot-Rot-Grün, für einen Senat, der Transparenz auf seine Fahnen geschrieben
hat: Endlich ergibt sich die Möglichkeit, die Flughafen- und
Verkehrspolitik im großen Stil den Bürgern zu vermitteln. Dazu gehört auch,
den BER einzubeziehen: Im Wahlkampf vor der Abgeordnetenhauswahl im
September 2016 hat das Fiasko im märkischen Sand fast keine Rolle gespielt
– absurd angesichts der finanziellen Dimension. Vor dem Volksentscheid muss
dieses Desaster besser erklärt werden, als dass man weiterhin hoffe, dass
„das Ding“ irgendwann eröffnet. Nicht schlecht wäre es außerdem zu sagen,
ob und gegebenenfalls wie der BER nach Fertigstellung erweitert werden
soll. Kurz: Es geht um Ehrlichkeit bei einem Thema, das teuer ist wie kaum
ein anderes. Und deswegen diskutiert gehört.
21 Mar 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Flughafen Tegel
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