# taz.de -- Teppich-Recycling in Deutschland: Mission Zero vertagt | |
> Alte Teppiche werden in Deutschland überwiegend verbrannt. Eine | |
> Wiederverwertung setzt sich nur sehr langsam durch. | |
Bild: Die meisten Teppiche landen nach spätestens zehn Jahren im Müll | |
Berlin taz | Sie liegen in Büros, auf Schiffen, Messen, zu Hause: | |
Teppichböden. Häufig bestehen sie aus Nylon oder anderen Kunststoffen, bei | |
deren Herstellung Rohstoffe wie Öl verbraucht werden. In der Regel werden | |
sie nach spätestens zehn Jahren entsorgt – und das heißt in erster Linie: | |
verbrannt. Dabei ließen sie sich weitgehend recyceln. | |
Im Jahr 2016 wurden in der EU 700 Millionen Quadratmeter Auslegeware | |
verkauft, allein in Deutschland waren es rund 180 Millionen Quadratmeter. | |
Im selben Jahr wurden nach Angaben der Europäischen Kommission 1,5 | |
Millionen Tonnen gebrauchter Teppichböden vernichtet. Der genaue Anteil | |
Deutschlands daran wird nicht genannt, die jüngste absolute Schätzung | |
stammt aus dem Jahr 2000: rund 400.000 Tonnen. | |
Seit die EU-Kommission 2013 eine Richtlinie zum effizienten | |
Ressourceneinsatz in Gebäuden erlassen hat, experimentieren viele | |
Hersteller mit ökologischeren Materialien und Nachhaltigkeitskonzepten. Der | |
Firmenverband Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden, in dem sich | |
nach eigenen Angaben 95 Prozent der Hersteller versammeln, hätte gern ein | |
branchenübergreifendes Recycling. | |
Geschäftsführer Edmund Vankann gesteht aber ein, dass Recycling-Projekte | |
bislang am unterschiedlichen Design der Hersteller scheiterten. Bis es | |
dafür eine Lösung gibt, plädiert er für die thermische Verwertung: | |
„Teppiche brennen gut“, sagt Vankann. | |
Immerhin Einzellösungen bieten dagegen die beiden größten Hersteller in | |
Europa, Weltmarktführer Interface und Desso, die niederländische Tochter | |
des US-Konzerns Tarkett. Interface verfolgt seit 1994 die „Mission Zero“, | |
einen Null-Abfall-Plan, den das Unternehmen bis zum Jahr 2020 umsetzen | |
will. | |
## „Abfall ist Nahrung“ | |
Kernelement: Müll vermeiden und erneuerbare Energien einsetzen. Außerdem | |
will Interface den Stoffkreislauf seiner Produkte schließen, indem es | |
gebrauchte Fliesen von seinen Kunden zurücknimmt und in einer eigenen | |
Anlage recycelt. | |
Nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe hat Interface 2015 in Europa | |
gerade einmal 900 Tonnen zurückgenommen – das entspricht 1,5 Prozent der im | |
selben Jahr verkauften Menge. „Wir räumen ein, dass es zu diesem wichtigen | |
Aspekt noch viel zu tun gibt“, sagt auch Erin Meezan, die | |
Nachhaltigkeits-Managerin des Unternehmens. | |
Noch prominenter als Interface wirbt Konkurrent Desso mit Nachhaltigkeit. | |
Die Idee: „Abfall ist Nahrung“. Die Teppichfliesen sollen komplett | |
zurückgenommen, die Materialien wiederverwendet werden können. | |
Allerdings fällt schon beim Internetauftritt auf, dass die | |
Rückenbeschichtungen nach der Trennung von den Fasern vor allem an den | |
Straßenbau weiterverkauft, andere Komponenten zur Verbrennung an die | |
Zementindustrie weitergegeben werden. Desso hat 2015 in Europa auch nur | |
1.342 Tonnen Auslegeware zurückgenommen, das waren drei Prozent der | |
verkauften Menge. | |
„Desso und Interface arbeiten im Vergleich zu anderen Herstellern mehr am | |
Recycling. Doch vieles steckt hier noch in den Kinderschuhen“, sagt Thomas | |
Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. Im Marketing erweckten die | |
Unternehmen allerdings den Eindruck, die Kreislaufstrukturen seien voll | |
aufgebaut. Für Fischer ist das „Greenwashing“. | |
## Reduce, Reuse, Recycle | |
Das weisen die Firmen jedoch zurück. Desso schreibt: „Wir sind sicher, dass | |
die vorgesehene Menge von 16.000 bis 20.000 Tonnen eingesammelter (Fliesen) | |
erreicht werden kann, auch wenn es länger dauert als erwartet.“ Der Vorwurf | |
des Greenwashings sei „völlig falsch und unbegründet, wenn man | |
berücksichtigt, was die Firma täglich leistet“. | |
Eine Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes könnte Teppichrecycling | |
stärker verbreiten. Eigentlich gilt nach der EU-Abfallrahmenrichtlinie eine | |
fünfstufige Vorgehensweise: Vermeidung, Aufbereitung und Wiederverwertung, | |
Recycling, Verbrennen, Deponieren. Letzteres ist für gebrauchte Teppiche | |
seit 2005 verboten. | |
Teppiche weisen so hohe Brennwerte auf, dass die Entsorgungsindustrie | |
bislang die ersten Stufen überspringen und die Fliesen gleich zur | |
Verbrennung geben durfte. Diese sogenannte Heizwertklausel wurde Ende 2016 | |
gestrichen. Ab Sommer 2017 sollen Entsorger alte Teppiche nach den ersten | |
Stufen behandeln. | |
22 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Benedict Wermter | |
Amanda Chaparro | |
Delphine Reuter | |
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