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# taz.de -- Wir retten die Welt: Mehr ist weniger
> Nachhaltiger Konsum? Schön und gut. Aber dann macht das Möbelhaus uns ein
> Angebot, das wir nicht ablehnen können.
Bild: Alles billig im Möbelhaus
Der Flur in unserer Wohnung ist dunkel und eng. Er wird noch dunkler und
enger, wenn er vollgerümpelt ist mit Laufschuhen, Halbschuhen, Sneakers und
Stiefeln. Als ich mir dort beinahe den Knöchel brach, weil ich über ein
paar Latschen stolperte, wurde auch dem letzten Konsumfeind in der Familie,
also mir, klar: Wir brauchen einen Schuhschrank.
Also ab zu Möbel Höffner an der Stadtautobahn. Ein riesiger Klotz, in den
mit ein bisschen Quetschen die Kuppel des Petersdoms passen würde. Hier
gibt es alles: Sofas, Sessel, Vasen, Gartengeräte, Fernseher, Betten und
natürlich auch Schuhschränke. Wir fanden schnell den Mehrzweckhochschrank
„Cabino“, weiß, zehn Einlegefächer. Der sollte den Flurschaden zu Hause
schon in Grenzen halten.
Nur die Bestellung stürzte mich in Verwunderung. Das gute Teil sollte 320
Euro kosten. „Aber wenn Sie auf über 400 Euro kommen, kostet es nur rund
300 Euro“, sagt die nette blondierte Dame an der Auskunft. Bitte? Ja,
erklärt sie das Superangebot des Hauses: Wenn wir uns noch was aussuchen,
was uns gefällt, würde es billiger.
Ich sah das gefährliche Flackern in den Augen meiner Frau. Ein Deal, wie
ihn Donald Trump nicht besser aushandeln könnte! Wir bekommen mehr und
zahlen weniger! Ich sank hilflos in ein Sofa, meine Frau zog los und kam
zurück. Im Arm der stolzen Schnäppchenjägerin: Couchtisch „Bamboo“ und
Hocker „Beatrice“.
## Der alltägliche Konsumterror
Nicht, dass ich den alltäglichen Konsumterror nicht gewohnt wäre. Auch ich
schlage als Chefeinkäufer der Familie gnadenlos zu, wenn der
Ritter-Sport-Index bei meinem Edeka unter einen Euro fällt. Die drei Kinder
habe ich mir nur angeschafft, um mit gutem Gewissen die Familienpackung
Spaghetti nach Hause zu schleppen. „3 für den Preis von 2“ macht sich da
immer wieder praktisch und auch ich denke nicht zuerst an eine Stadt in
Marokko, wenn ich „Rabat“ höre.
Aber wie kann dieser Höffner-Deal funktionieren? Wahrscheinlich nur als
Ausnahme. Die nette Verkäuferin war auch keine Hilfe. Während ich noch über
die Gewinnmargen staunte, die so einen Blödsinn möglich machen, war meine
Frau schon zur Kasse geeilt.
Ich rappelte mich aus den Tiefen des Sofas hoch. Mit mir stiegen die Fragen
auf. Jede Art von „nachhaltigem Konsum“ fällt bei so etwas natürlich hint…
runter. Suffizienz, Genügsamkeit, Entschleunigung? Denkste. Wenn „Preise
die Wahrheit sagen“ sollen, heißt diese Wahrheit wohl: Je mehr Ressourcen
ihr verbraucht, desto weniger müsst ihr zahlen. Das klassische falsche
Versprechen, dass wir uns aus unseren Problemen herausshoppen können.
Offenbar hatte ich diese Gedanken halblaut vor mich hingemurmelt. Und
offenbar schlummert irgendwo doch das schlechte Gewissen. Jedenfalls drehte
sich meine Frau an der Kasse zu mir um und raunte mir zu: „Wehe, wenn du
darüber eine Kolumne schreibst!“
7 Apr 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Konsum
Nachhaltigkeit
Möbel
Grüne
Recycling
Schwerpunkt TTIP
Mehr Demokratie
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