# taz.de -- Wilde StreikerInnen scheitern mit Klage: Der Kampf geht vielleicht … | |
> Das Landesarbeitsgericht Bremen hat die Berufung der wilden StreikerInnen | |
> von Daimler zurückgewiesen. Aus ihrer Sicht hat der Richter sich ums | |
> Urteil gedrückt. | |
Bild: Protest vor dem Landesarbeitsgericht in Bremen: Die KlägerInnen wollen d… | |
BREMEN taz | Die Berufung der WildstreikerInnen von Daimler ist vor dem | |
Landesarbeitsgericht gescheitert. Das Gericht begründete die Zurückweisung | |
mit der Prozessordnung. Es könne keine nachträglich Prüfung des Falles | |
geben, da Daimler die 761 Abmahnungen gegen seine MitarbeiterInnen aus der | |
Personalakte entfernt habe, bevor die KlägerInnen Berufung eingelegt | |
hatten. Eine Revision des heutigen Urteils ließ der Richter nicht zu. | |
Wie schon zuvor das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven traf auch das | |
Landesarbeitsgericht damit keine Entscheidung zum grundsätzlichen | |
Streikrecht ohne gewerkschaftliche Organisation. „Feige“ nannten die Kläger | |
die Entscheidung des vorsitzenden Richters. Daimler freute sich über das | |
Urteil. Die Arbeitsniederlegungen seien „illegale Streiks, die der Daimler | |
AG materiellen Schaden zufügten“. | |
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein „wilder Streik“ gegen Fremdvergabe | |
und Leiharbeit im bremischen Mercedes-Werk. Im Dezember 2014 hatten nach | |
Angabe der Streikenden über 1.000 ArbeiterInnen die Nachtschicht ohne | |
Unterstützung einer Gewerkschaft bestreikt und in der Arbeitszeit eine | |
Kundgebung abgehalten. Daimler mahnte großzügig ab. 30 Betroffene klagten | |
mit der Hoffnung, das restriktive deutsche Streikrecht an moderne und | |
prekäre Arbeitsverhältnisse anzupassen. | |
Das Arbeitsgericht hatte jedoch in erster Instanz die Rechtmäßigkeit der | |
Abmahnungen bestätigt. Daimler hatte die Disziplinierungsmaßnahmen dennoch | |
nach öffentlichem Druck freiwillig zurückgezogen. Das hat nun positive | |
Folgen für den Konzern: Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ist ohne | |
Abmahnungen in den Personalakten aus Sicht des Richters gegenstandslos. | |
Somit könne in der zweiten Instanz nicht mehr über deren Rechtmäßigkeit | |
geurteilt werden. „Ein geschicktes juristisches Manöver von Daimler“, | |
nannte das einer der Rechtsanwälte der KlägerInnen, Helmut Platow. | |
## „Die Gerichte haben sich zu Komplizen von Daimler gemacht“ | |
Aus ihrer Sicht hätte das Gericht durchaus Spielraum gehabt, um die | |
Rechtslage für eine vergleichbare Situation in der Zukunft zu beurteilen. | |
Zumal selbst die zurückgenommenen Abmahnungen weiterhin einen bestehenden | |
Einschüchterungscharakter hätten, so ihre Argumentation in der mündlichen | |
Verhandlung. | |
Fremdvergabe von Arbeit werde es weiterhin geben, ArbeitnehmerInnen seien | |
demgegenüber jedoch machtlos, weil weder Betriebsrat noch Gewerkschaften | |
die Konzerne in diesem Punkt angreifen könnten. Laut der Wildstreikenden | |
müssten an die Rechtsordnung und das grundsätzliche bestehende Streikrecht | |
moderne Maßstäbe angelegt werden. Daher habe man vom Gericht wissen wollen, | |
ob künftige Abmahnungen in einer vergleichbaren Situation zulässig seien. | |
Das Gericht lehnte alle Feststellungsanträge der KlägerInnen jedoch mit | |
Hinweis auf fehlende Abmahnungen ab, es gäbe in diesem Verfahren daher | |
keine Anknüpfungspunkte zur Klärung dieser „hochspannenden Frage“. | |
In diesem Punkt waren die KlägerInnen mit dem Gericht besonders | |
unzufrieden. Aus ihrer Sicht hat der Richter sich um eine möglicherweise | |
politisch ungewollte Entscheidung gedrückt. Der Richter müsse bemüht sein, | |
dem Kläger Hinweise auf richtige Beantragung zu geben, wenn ihm | |
Feststellungsanträge fehlerhaft oder gegenstandslos erschienen. | |
Normalerweise helfe das Gericht, auf Kriterien und Hindernisse aufmerksam | |
zu machen. Platow sagt: „Das hat er nicht getan. Er hat sich weggeduckt und | |
wollte nicht gegen geltende Rechtsprechung urteilen.“ | |
„Die Gerichte haben sich zu Komplizen von Daimler gemacht“, sagt Benedikt | |
Hoppmann, der ebenfalls die KlägerInnen vertritt. Die Strategie Daimlers | |
sei es, gezielt einzuschüchtern und gleichzeitig die Möglichkeit zu nehmen, | |
sich zu wehren. | |
Für Thomas Langenbach, Mitglied der IG Metall und einer der Kläger, hat | |
sich wenig geändert. Er sagte: „Uns bleibt nichts übrig, als weiter zu | |
kämpfen. Ich rechne mit der nächsten Abmahnung und dagegen klagen wir | |
wieder.“ | |
Die Wildstreiker können jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem | |
Bundesarbeitsgericht stellen. Im Verlauf der Klage hatten die KlägerInnen | |
angekündigt, bis vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu | |
ziehen: Die EU-Sozialcharta garantiere ein wildes Streikrecht wie etwa in | |
Frankreich und Italien. | |
9 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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