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# taz.de -- Einsatz der Bundeswehr im Inneren: Die Armee hilft bei Anti-Terror-…
> Die Union lotet mit Anti-Terror-Übungen in sechs Bundesländern aus, was
> im Rahmen der geltenden Verfassungslage bereits möglich ist.
Bild: Nun auch gemeinsam im Einsatz: Bundeswehr und Polizei
Saarbrücken taz | Der blaue Nissan steht verlassen auf der Straße,
eingekeilt von Polizeiautos und einem Eagle IV, einem gepanzerten
Geländewagen der Bundeswehr. Sieben Polizisten und fünf Soldaten haben sich
aufgereiht, um das Fahrzeug der Terroristen zu bewachen, die gestellt und
abgeführt wurden. Den Wagen selbst rühren sie nicht an: an Bord ist noch
Sprengstoff. So weit das Szenario am Mittwochmittag auf dem Hof des
Landespolizeipräsidiums in Saarbrücken.
Seit Dienstag übt die Bundeswehr zusammen mit der Polizei den Einsatz im
Inneren, hier sowie in fünf anderen Bundesländern. Diese „Gemeinsame
Terrorismusabwehr Excercise“ (schmissige Abkürzung: Getex 2017) ist für die
Bundesrepublik eine Premiere.
Bislang war die Bundeswehr im Inland nur im Rahmen der technischen
Amtshilfe aktiv: Sandsäcke schleppen bei Hochwasser oder Zelte aufbauen in
der Fluchtkrise. Auch jetzt, bei der Anti-Terror-Übung, leistet die
Bundeswehr einfache Amtshilfe: die Simulation sieht unter anderem vor, dass
sie Sanitäter und Sprengstoffhunde zur Verfügung stellt, das ist relativ
unumstritten.
Neu ist, dass die Bundeswehr aber auch „hoheitliche Aufgaben“ übernimmt,
die sonst der Polizei vorbehalten sind. Im Ernstfall würden bewaffnete
Soldaten den Bürgern Anweisungen geben und diese mit Gewalt durchsetzen. In
der aktuellen Übung ist theoretisch vorgesehen, dass sie gemeinsam mit
Polizisten eine Schule im Saarland abriegeln und bewachen – das Ziel der
Attentäter im blauen Nissan.
## Attentate von „katastrophischem Ausmaß“
Dass die Bundeswehr nach Terroranschlägen solche Aufgaben übernimmt, ist
erst seit einem Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2012
möglich. Als Bedingung nannten die Richter damals, dass die Attentate von
„katastrophischem Ausmaß“ sein müssen. Was das genau heißt, ist
Auslegungssache.
Von so einem Szenario gehen Bund und Länder in der aktuellen Übung aus: Am
Dienstag, so die Annahme, verübt eine islamistische Terrorgruppe mehrere
Anschläge, in München und Düsseldorf sterben bei Explosionen je 20
Menschen, in Bremen schießen Angreifer in einer Schule um sich. Am
Mittwochmorgen ereignet sich ein Anschlag in Baden-Württemberg, am Mittag
stoppen die Einsatzkräfte in Saarbrücken die Terroristen im Nissan, die auf
dem Weg zu einer weiteren Schule waren.
Genau genommen sind der blaue Wagen und die Einsatzkräfte davor allerdings
nur Kulisse für den Auftritt von Verteidigungsministerin Ursula von der
Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes.
Die beiden CDU-Politikerinnen inspizieren am Mittwoch das Polizeipräsidium,
in dem ein Teil der tatsächlichen Übung stattfindet. Im Gebäude sitzen
Führungsstäbe von Polizei und Armee zusammen; sie halten Besprechungen ab
und telefonieren mit Kollegen in anderen Ländern und im Bund. Die Behörden
spielen den Ernstfall theoretisch durch – im Büro. Auf der Straße sind im
Rahmen der Übungen weder Soldaten noch Polizisten unterwegs. Das war eine
Bedingung von SPD und Grünen in den beteiligten Ländern, die die
Bevölkerung nicht verunsichern wollten, indem sie Panzer durch die Städte
fahren lassen.
Nutzlos ist die Aktion laut Oberst Frank Baumgard, der die Übung mit
vorbereitet hat, dennoch nicht. Für die Amtshilfe bei Naturkatastrophen sei
die Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Stellen seit
Jahrzehnten eingespielt. Bei Terroranschlägen seien aber nicht „die
Landräte und Oberbürgermeister mit ihren technischen Einsatzleitern
zuständig, sondern die Polizeibehörden mit ihren Führungsstäben“. Polizei
und Bundeswehr könnten jetzt also lernen, wer genau im Ernstfall wofür
zuständig wäre.
Daneben hat die Übung aber auch noch eine politische Dimension: Im
September ist Bundestagswahl, Ende März Landtagswahl im Saarland. Die CDU
möchte sich sicherheitspolitisch profilieren. „Dieser Tag ist eine ganz
wichtige Etappe auf dem Weg zu mehr Sicherheit für die Bürger“, sagt
Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer am Mittwoch im Hof des
Polizeipräsidiums.
## Gewerkschaft der Polizei ist dagegen
Einsätze der Bundeswehr im Inneren sind der Union schon lange ein
Herzensthema. Am liebsten würde sie dafür das Grundgesetz ändern, da spielt
die SPD aber nicht mit. Also machen CDU und CSU jetzt das, was ihnen mit
Zustimmung von Sozialdemokraten und Grünen in den Ländern möglich ist, und
loten aus, was im Rahmen der geltenden Verfassungslage geht.
Dagegen gibt es aber auch Widerstand: Die Bundeswehr sei für militärische
Konflikte ausgebildet, heißt es von der Gewerkschaft der Polizei. Anschläge
seien aber keine kriegerischen Angriffe, sondern schwerste Straftaten – und
dafür sei die Polizei zuständig.
Die Kritik der Linkspartei geht noch weiter: „Die Bundeswehr wird auf den
Krieg vorbereitet und darauf, getötete Zivilisten als sogenannte
Kollateralschaden hinzunehmen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Ulla
Jelpke. Das dürfe nicht auch noch im Inland um sich greifen.
8 Mar 2017
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Terrorismus
Innere Sicherheit
Polizei
Bundeswehr
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt Landtagswahlen
Datenschutz
Thomas de Maizière
Schwerpunkt Überwachung
migControl
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