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# taz.de -- NS-Unrecht und Kunstrestitution: Ein ganz neues Kapitel
> US-Erben finanzieren mit deutschen Institutionen ein Projekt zur
> Rekonstruktion der Kunstsammlung des Verlegers Rudolf Mosse.
Bild: Sarkophag eines römischen Kindes: ein Stück aus der Sammlung von Rudolf…
Weil es den amerikanischen Erben letztlich darum gehe, an Rudolf Mosse
(1843–1920) nicht nur als Verleger, sondern auch als großen Kunstsammler
und Mäzen zu erinnern, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, hätten sie sich
bewunderswerterweise auf ein gemeinsam mit deutschen Museen, Archiven, der
Kulturstiftung der Länder und Provenienzforschungseinrichtungen aufgelegtes
und finanziertes Forschungsprojekt zur Restitution verfolgungsbedingt
entzogenen Kulturgutes eingelassen.
Das ist viel mehr, als die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder
je zu erreichen hoffte, als sie vor einem Jahr bei den Erben der
enteigneten Familie vorsprach: Was sei zu tun, damit die von einem
Restitutionsbegehren betroffene Kunsthalle Karlsruhe, die ein Gemälde von
Carl Blechen zurückgeben und doch gern behalten mochte, eine Chance auf
einen Rückkauf bekäme?
Ein Jahr später kann der staunenden Öffentlichkeit in Anwesenheit von Roger
Strauch, dem Sprecher der Erbengemeinschaft, die Mosse Art Research
Initiative (MARI) vorgestellt werden. Sie hat die Rekonstruktion der
Kunstsammlung von Rudolf Mosse zum Ziel. Träger des bislang einmaligen
Projekts ist das Kunsthistorische Institut der FU Berlin mit ihrer
Forschungsstelle „Entartete Kunst“ unter der Leitung von Dr. Meike
Hoffmann.
Uwe Schneede vertritt in seiner Funktion als Vorstand das Deutsche Zentrum
für Kulturgutverluste, das mit der Erbengemeinschaft über zwei Jahre
hinweg, bis zum Februar 2019, drei wissenschaftliche Forschungsstellen,
eine Stelle für Archivrecherchen, eine Stelle für die Online-Publikationen
und eine Assistentenstelle dank einem Budget von einer halben Million Euro
finanziert.
## Nur teilweise entschädigt
Zu den Projektpartnern zählt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die
bislang neun Kunstwerke an die Mosse Erben rückerstattete, wobei sie zwei
Werke wiedererwerben konnte. Für die Stiftung, so ihr Präsident Helmut
Parzinger auf der Pressekonferenz, sei MARI Neuland, sei es doch ihre
Aufgabe, die eigenen Bestände auf Raubkunst zu überprüfen, nicht
Privatsammlungen zu rekonstruieren.
Im vorliegenden Fall muss nun aber dieser Bestand überhaupt erst einmal
identifiziert werden. Der große Berliner Zeitungsverleger, dessen liberales
republikanisches Flaggschiff das berühmte Berliner Tageblatt war, mit
Theodor Wolff als langjährigem Chefredakteur, war ein großer Mäzen der
Künste und der Wissenschaften. Er hatte eine bedeutende Kunstsammlung mit
Werken von Adolf Menzel, Max Liebermann, Lovis Corinth, Karl Spitzweg,
Wilhelm Leibl und Arnold Böcklin zusammengetragen, die nach seinem Tod 1920
im Stadtpalais der Familie am Leipziger Platz öffentlich zugänglich war.
1934 wurde sie mit dem gesamten Vermögen der Familie von den
Nationalsozialisten zerschlagen, verauktioniert und zum Teil auch einzeln
verkauft.
Zwar wurde seine Tochter und Alleinerbin Felicia Lachmann-Mosse 1952
teilweise entschädigt, doch das wertvolle Grundstück am Leipziger Platz
wurde ihren Erben erst 1992 restituiert. Für sie war es bis dahin
beziehungsweise bis zur Washingtoner Erklärung vom Aufwand her kaum
möglich, die verlorenen Erbstücke ausfindig zu machen.
Nach der Umsiedlung in die USA glänzte die Familie Mosse mit bedeutenden
Wissenschaftlern wie etwa dem bekannten Historiker George L. Mosse. Ihr
Lebenswerk zu erinnern und fortzuschreiben sieht sich die Familienstiftung
verpflichtet. In diesem Kontext erkannte sie in einer auf die
Sammlungsrekonstruktion erweiterten Restitutionsforschung eine Chance,
Nämliches für ihren berühmten Gründer zu leisten. Daher sahen sie im
deutschen Gesprächsbedarf ein Angebot, Brücken zu bauen statt Mauern, wie
es Roger Strauch ausdrückte.
7 Mar 2017
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NS-Raubkunst
Zeitungsverlage
Verleger
NS-Raubkunst
Humboldt Forum
Dokumentarfilm
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