# taz.de -- Preis der Nationalgalerie: Frauen mit Projektraum | |
> Coole Sache: Überraschend nominierte die Jury für den Preis der | |
> Nationalgalerie vier Künstlerinnen nichtdeutscher Herkunft. | |
Bild: Die nominierten Künstlerinnen Iman Issa, Agnieszka Polska, Sol Calero un… | |
Sol Calero (1982 Caracas), Iman Issa (1979 Kairo), Jumana Manna (1987 | |
Princeton) und Agnieszka Polska (1985 Lublin) sind für den Preis der | |
Nationalgalerie nominiert. Die Wahl der Jury mit den Schauspielern Meret | |
Becker und Alexander Beyer für die Deutsche Filmakademie, mit Natasha | |
Ginwala, Kuratorin der Contour Biennale 8 in Mechelen, Belgien, Alice | |
Motard, Chefkuratorin am Musée d'art contemporain de Bordeaux und Alya | |
Sebti, der Leiterin der ifa-Galerie in Berlin, fiel damit ausschließlich | |
auf Künstlerinnen nichtdeutscher Herkunft. | |
Alle leben und arbeiten sie freilich in Berlin. Das rückt die Stadt einmal | |
mehr als Kunststandort in den Fokus, der ermöglicht, was andernorts | |
undenkbar ist: Keine der Künstlerinnen wird etwa durch eine der großen | |
lokalen oder auswärtigen Galerien vertreten, die auch international | |
unterwegs sind. Ganz typisch für Berlin, wie man es sich vorstellt, | |
betreibt vielmehr Sol Calero zusammen mit Christopher Kline in Kreuzberg | |
den Projektraum Kinderhook & Caracas. | |
In der erfreulich coolen Wahl der Jury spiegelt sich also die Berliner | |
Situation wider, die noch immer Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt | |
in die Stadt lockt, indem sie ihnen – gleichgültig ob sie schon | |
international renommiert sind wie Iman Issa oder noch als vielversprechende | |
Newcomer gelten – interessante Arbeits- und Lebensbedingungen bietet. | |
Gleichzeitig ist der von den Freunden der Nationalgalerie organisierte und | |
von BMW geförderte Preis alles andere als ein provinzielles Ereignis. Das | |
zeigte am Abend der Bekanntgabe der Nominierten das Display in der Galerie | |
bei BMW am Kurfürstendamm. Dort waren die Vorgänger aufgeführt, angefangen | |
im Jahr 2000, wo mit Olafur Eliasson, Katharina Grosse, Christian Jankowski | |
und Dirk Skreber gleich vier heutige Weltstars um den Preis konkurrierten. | |
Anne Imhof, Gewinnerin des zuletzt 2015 vergebenen Preises, ist dieses Jahr | |
auf der Biennale von Venedig die Künstlerin des Deutschen Pavillons. | |
## Bunt und lebendig | |
Am 29. September wird nun im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für | |
Gegenwartskunst eine gemeinsame Ausstellung der Künstlerinnen eröffnet, die | |
bis zum 14. Januar läuft. Eine zweite, namentlich noch nicht bekannte Jury | |
wird dann am 20. Oktober die Gewinnerin des Preises ausloben. Sie erhält im | |
darauf folgenden Jahr eine Einzelausstellung samt Begleitpublikation. | |
Wenn sich die Kunstwelt im September auf eine bunte, lebendige Ausstellung | |
freuen darf, liegt das vor allem an Sol Calero, die Malerei und Skulptur zu | |
hybriden installativen Räumen verbindet. Sie fungieren als soziale | |
Environments und Kommunikationsorte in Form wunderbar artifizieller | |
Friseursalons, Wechselstuben, Saunas und ähnlicher Räume, die Sol Calero | |
reichlich „tropisch“ ausstattet. Denn die Künstlerin arbeitet wie sie | |
selbst sagt, „durch und nicht gegen das kodierte kulturelle Vokabular des | |
Klischees“. | |
Bunt, dabei aber vergleichsweise kryptisch sind die makellosen, in | |
minimalistischer Formensprache ausgeführten Skulpturen von Iman Issa. | |
Manchmal meint man ein dekonstruiertes Deutsche Bank Logo zu erkennen und | |
Punkte, die einem sehr vertraut sind, die man aber trotzdem nirgendwo | |
hinstecken kann. Ihr Werk, das sich mit Monumenten und Denkmälern und deren | |
ästhetischer wie politischer Bedeutung beschäftigt, umfasst dazu | |
Fotografie, Text und Video. | |
## Gehöriger Wirbel | |
Film ist auch das Medium von Agnieszka Polska und Jumana Manna, wobei | |
Agnieszka Polska auch mit Fotografie arbeitet und Jumana Manna skulpturale | |
Arbeiten herstellt. In „Future Days“, einem 2014 entstandenen Film, lässt | |
Polska in einer zukünftigen Welt einige tote Künstler der Neo-Avantgarde | |
des 20. Jahrhunderts wie Paul Thek, Charlotte Posenenske oder Lee Lazano | |
zusammentreffen, um die Erzählung von der Geschichte der letzten | |
Avantgarden noch einmal gehörig durcheinander zu wirbeln. | |
Auch Jumana Manna hinterfragt in ihren Arbeiten Meisternarrative. Weil sie | |
in der häufig allegorisch gestaltete Dramaturgie ihrer Filme dabei vor | |
allem aber „den drängenden politischen Fragen unserer Gegenwart“ nachgehe, | |
so die Jury, sei ihre Wahl auf sie gefallen. Wie sie das macht, zeigt der | |
Forums-Beitrag „A Magical Substance Flows Into Me“ der palästinensischen | |
Künstlerin auf der Berlinale 2016. | |
In diesem Film startete Manna, ausgehend von einem Radioprogramm des | |
deutsche Ethnomusikologen Robert Lachmann, das der palästinensische | |
Rundfunk für1936/37 ausstrahlte, eine Erkundungsreise durch das heutige | |
Israel und die palästinensischen Gebiete, um zu erfahren, wie der Nahe | |
Osten klingt und zwar seit Jahrhunderten. Dabei begegnet man einer | |
kulturellen Vielfalt, die die Unterscheidung in „arabisch“ und „jüdisch�… | |
unterwandert. | |
10 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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