# taz.de -- 300 Werft-Arbeitsplätze entfallen: Kahlschlag bei Blohm+Voss | |
> Bei der Hamburger Traditionswerft soll ein Drittel der 1.000 | |
> Arbeitsplätze wegfallen. Wegen der kritischen Lage will man nun | |
> Kriegsschiffe bauen. | |
Bild: Blicken in eine ungewisse Zukunft: Arbeiter der Hamburger Werft Blohm+Voss | |
HAMBURG taz | Die Hamburger Werft Blohm+Voss befinde sich „in einem | |
kritischen Zustand“, sagt ihr Geschäftsführer Dieter Dehlke. Und deshalb | |
sollen etwa 300 der rund 1.000 Arbeitsplätze im Hamburger Hafen entfallen. | |
Auch betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgeschlossen. | |
„Anpassungsmaßnahmen auf allen Ebenen“ nennt Dehlke den angedrohten | |
Kahlschlag. Schon am heutigen Mittwoch sollen die Verhandlungen zwischen | |
der Unternehmensführung und dem Betriebsrat über den Stellenabbau und einen | |
Sozialplan beginnen. „Einfach wird das nicht“, schwant Emanuel Glass, | |
Geschäftsführer der Hamburger IG Metall. | |
Am Dienstagmorgen hatten Dehlke und der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus | |
Borgschulte auf einer Betriebsversammlung die Belegschaft über ihre Pläne | |
unterrichtet. „Hohe Kostenstrukturen, versäumte Investitionen und ein zu | |
niedriger Auftragsbestand“ seien die Ursachen für die schwierige Lage des | |
Unternehmens, sagten die beiden Manager. Deshalb seien einschneidende | |
Maßnahmen notwendig, „um die Werft wieder wettbewerbsfähig und profitabel | |
zu machen“. | |
Die Bremer Werftengruppe Lürssen, der führende deutsche Hersteller von | |
Luxusjachten, hatte Blohm+Voss im November vorigen Jahres vom britischen | |
Finanzinvestor Star Capital erworben und „ein langfristiges Engagement“ | |
angekündigt. Die erste „umfassende Bestandsaufnahme“, sagte Borgschulte, | |
sei aber ernüchternd ausgefallen. „Unsere Analyse zeigt, dass dringend | |
erforderliche Investitionen ausgeblieben sind, Konstruktions- und | |
Fertigungsprozesse nicht ausreichend modernisiert und die Kostenstrukturen | |
nicht den realen Bedingungen angepasst wurden“, sagte er zur | |
Unternehmensführung durch Star Capital. | |
Zeitgleich sei außerdem der Auftragsbestand im Schiffsneubau in Folge der | |
seit Jahren andauernden Krise der Weltwirtschaft und Handelsschifffahrt | |
erheblich gesunken. Hinzu komme, dass die schwache Auftragslage in Teilen | |
des Reparaturgeschäfts das Unternehmen zusätzlich belaste. Dem Vernehmen | |
nach soll die Werftengruppe mehrere große Aufträge für die Reparatur von | |
Luxusjachten verloren haben. | |
## „Vielzahl von Defiziten“ in der Unternehmensführung | |
Nun soll die Hamburger Werft sich innerhalb der Lürssen-Gruppe vor allem | |
mit der Konstruktion und der Fertigung von Kriegsschiffen über Wasser | |
halten. Damit will Lürssen sich auf den Bau weiterer Korvetten der Klasse | |
130 vorbereiten. Ab 2019 sollen drei oder vier dieser Schiffe für die | |
Bundesmarine gebaut werden, auch ein Auftrag für vier Fregatten ist ab 2021 | |
möglich. „Das sind Milliardenaufträge“, sagt Gewerkschafter Glass, „die | |
sichern Beschäftigung für mehrere Jahre.“ | |
Zudem soll Blohm+Voss aber auch zivile Aufträge abarbeiten. Lürssen plane, | |
den Schwerpunkt der gruppenweiten Refit-Aktivitäten in Hamburg zu | |
konzentrieren, das ist die Überholung und oft luxuriöse Aufwertung von | |
Jachten, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens vom Dienstag. | |
Erste Aufträge für zwei Motorjachten lägen bereits vor. | |
Dehlke versicherte zugleich, dass Lürssen investieren wolle, „wo es | |
notwendig und sinnvoll ist, um die Potenziale unserer Werft gezielt zu | |
modernisieren und zu stärken“. Das betreffe vor allem moderne | |
Fertigungsstrukturen. Die Höhe der geplanten Investitionen und Einzelheiten | |
nannte er jedoch nicht. | |
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), einst selbst | |
Geschäftsführer bei Blohm+Voss, sprach von einer „Vielzahl von Defiziten“ | |
in der Unternehmensführung. Die Integration in den Lürssen-Konzern sei „die | |
einzige Chance für Blohm+Voss“. | |
„Wir haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass sich etwas ändern muss“, | |
sagte Gewerkschafter Glass. „Nun ist der Schlamassel da und die Kollegen | |
müssen ihn ausbaden, die nichts dafür können.“ In den nun folgenden | |
Verhandlungen solle versucht werden, möglichst sozialverträgliche Lösungen | |
zu finden und betriebsbedingte Kündigungen weitestgehend zu vermeiden. | |
28 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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