| # taz.de -- Kommentar zum Bundestagswahlkampf: Schuld ist Schulz | |
| > Mag sein, dass die Kanzlerin angesichts ihres Herausforderers hilflos | |
| > wirkt. Doch Schulz’ Kandidatur hat auch Vorteile für sie. | |
| Bild: Sie hat sich die ganze Wahlkampfnummer nochmal aufgebürdet – aber gege… | |
| Schon das Wochenend-Programm der beiden Kandidaten spricht Bände. Während | |
| sich [1][SPD-Schulz] im hippen Leipziger Kunstkraftwerk mit seiner Basis | |
| „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ nimmt, kommt CDU-Merkel in die Alte Brauerei | |
| zu Stralsund, um sich von ihrer Landesvertreterversammlung auf Listenplatz | |
| 1 zur Bundestagswahl küren zu lassen. Während also in Sachsen die Genossen | |
| das Wunder von Würselen feiern dürfen, müssen die Parteifreunde in | |
| Mecklenburg-Vorpommern dem Wahltag entgegenzittern und vorab ihre | |
| Spitzenkandidatin so wenig wie möglich beschädigen. Und schuld daran ist: | |
| Schulz. | |
| Der SPD-Spitzenkandidat ist schon habituell eine Zumutung für Merkel. Der | |
| ganze Mann: eine Umarmung auf zwei Beinen. Und doch birgt diese | |
| Herausforderung auch Vorteile für die Amtsinhaberin. Und das aus gleich | |
| fünf Gründen. | |
| Mit Martin Schulz werden wieder [2][klare inhaltliche Linien] zwischen | |
| Union und Sozialdemokraten erkennbar. Wer soll regieren – die oder wir? Das | |
| ist die Frage, die am 24. September den WählerInnen vorgelegt wird. Will | |
| die Union siegen, muss sie die von ihr reklamierte Mitte verlassen. Sie | |
| muss sich die Finger schmutzig machen – und dafür wahlweise Hass oder | |
| Bewunderung ernten. | |
| Ältere CDUler dürften das noch aus den Barzel/Brandt- und | |
| Strauß/Schmidt-Wahlkämpfen der Siebziger und Achtziger kennen. Zu wissen, | |
| auf welcher Seite man steht, kann ungemein beleben. | |
| ## Liebling, ich hab die AfD geschrumpft | |
| Schulz schweißt die Union wieder zusammen. Die Abneigung zwischen CSU-Chef | |
| Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel war zuletzt mit Händen zu | |
| greifen. Länger als ein Jahr hat er sie geschurigelt. Plötzlich, eine Woche | |
| nach Schulz’ Ausrufung zum Kanzlerkandidaten, schaffte es Seehofer beim | |
| Münchner Friedensgipfel doch noch, sein Ego einzuhegen. Endlich: ein | |
| gemeinsamer Gegner. Im Wahlkampf wird der CSU-Chef hemmungslos auf den Sozi | |
| eindreschen dürfen, derweil Merkel ruhig ihre Bahnen ziehen kann. | |
| Schulz schrumpft die AfD. Und das freut auch die Union. Fünf Landtagswahlen | |
| hat die CDU im zurückliegenden Jahr durchlitten. Baden-Württemberg, | |
| Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin – überall | |
| haben die Konservativen Wähler verloren, während die AfD zweistellig in die | |
| Parlamente einzog. Seit Schulz’ Ausrufung ändert sich das wieder. | |
| Nur noch acht Prozent würden aktuell AfD wählen. Das mag auch an internen | |
| Querelen liegen. Doch auch die Aussicht, dass Angela Merkel das Kanzleramt | |
| räumen könnte, treibt die Wähler fort von den Populisten. Endlich lautet | |
| die Frage nicht mehr, wie die AfD kleingehalten werden kann. Sondern: Union | |
| oder Sozis? | |
| Schulz weckt nicht nur positive Gefühle. Beide SpitzenkandidatInnen könnten | |
| unterschiedlicher nicht sein. Hier der emotionalisierende Martin – dort die | |
| sachliche Angela. In dieser Kombination werden sich selbst die | |
| hartgesottensten Merkel-Kritiker noch freuen, solch eine Frau an der Spitze | |
| zu haben. Denn permanente Gefühlsgewitter, sieben Monate Klassenkampf, das | |
| hält weder ein Schulz durch noch seine Anhänger. Gut, wenn man da als Union | |
| eine Kandidatin hat, die Stringenz nicht nur verspricht, sondern sie auch | |
| verkörpert wie keine andere. | |
| ## Schulz könnte Merkels Exit-Strategie sein | |
| Schulz könnte Merkels Türöffner raus aus der Bundespolitik werden. Es ist | |
| bekannt, dass Angela Merkel lange mit ihrer Entscheidung gezögert hat, noch | |
| einmal anzutreten. Wahlkampf ist alles andere als | |
| vergnügungsteuerpflichtig, die politische Lage ebenfalls. Aber wer aus der | |
| CDU sollte sonst ran? Das war die Frage. | |
| Am Ende hat Merkel die Verantwortung gewählt, obwohl sie nicht einmal mehr | |
| die volle Unterstützung ihrer eigenen Partei hat. Martin Schulz ist ein | |
| Herausforderer, dem Merkel sich unter Wahrung ihres Gesichts geschlagen | |
| geben könnte. Und wer sagt denn, dass es nicht auch mit einem Kanzler | |
| Martin Schulz wieder eine Große Koalition gibt? Für Merkels Getreue wäre | |
| dann gesorgt. | |
| 25 Feb 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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