# taz.de -- Schweiz will Migranten fernhalten: Abschreckung per Fernsehserie | |
> Die Schweiz produziert eine TV-Serie für Nigeria. So sollen Migranten und | |
> Flüchtlinge von der Reise nach Europa abgehalten werden. | |
Bild: Szene aus „The Missing Steps“: die erste Befragung in der Schweiz | |
ABIDJAN taz | Auf einmal sind sie da: Zwei Polizisten, die in Bern durch | |
einen Park laufen und dem jungen Nigerianer Joshua Angst machen. Noch kann | |
er flüchten. Kurze Zeit später gelingt ihm das aber nicht mehr. Bei einer | |
Kontrolle in der Straßenbahn gehen die Türen nicht mehr auf. Joshua fliegt | |
als Migrant ohne Papiere in der Schweiz auf und wird abgeschoben. | |
All diese Szenen werden [1][nach Informationen des Schweizer Rundfunks] | |
gerade erst gedreht. Trotzdem kann man sie sich eindringlich vorstellen: | |
Das vor Angst verzerrte Gesicht des jungen Mannes; die Panik, die | |
aufsteigt, sobald es in der schweizerischen Hauptstadt zu einer | |
Routinekontrolle kommt; Joshuas wachsende Nervosität, wenn irgendwo am | |
Bildrand ein paar Polizisten auftauchen. | |
Sie sollen so sehr abschrecken, dass es gar nicht erst soweit kommt. Denn | |
der nigerianische Filmemacher Charles Okafor (56) dreht die 13-teilige | |
Reihe unter dem Arbeitstitel „The missing Steps“ schließlich für den | |
nigerianischen Markt. Die Aufnahmen aus Nigeria sollen schon fertig sein. | |
Wann und auf welchem Sender die Serie jedoch ausgestrahlt wird, steht noch | |
nicht fest. Wohl aber, wie viel sich die Schweiz die Serie kosten lässt: | |
umgerechnet 422.559 Euro. | |
Finanziert wird sie im Rahmen der 2011 geschlossenen | |
Migrationspartnerschaft. Eins ihrer Ziele ist die „Prävention irregulärer | |
Migration“. Aus dem Staatssekretariat für Migration heißt es laut Schweizer | |
Rundfunk. „Wir möchten objektive Informationen über die Migration liefern. | |
Wir wollen zeigen, dass die Überfahrt mit Gefahren verbunden ist, dass die | |
Chance auf Asyl sehr klein ist.“ | |
## Erfolgsgeschichte Nollywood | |
Für Nigeria ist es nicht ungewöhnlich, Filme mit dem erhobenen Zeigefinger | |
zu drehen und zeigen, im Gegenteil. Am besten dafür bekannt ist Nigerias | |
Filmindustrie Nollywood, die 1992 startete und heute als Erfolgsgeschichte | |
gilt. Auf den ersten Blick haben die Filme, die meist im Süden des Landes | |
gedreht werden, einen unterhaltenden Charakter. | |
Es wird viel gelacht und manchmal auch gesungen, dann wieder entsetzt | |
geschaut, geschrien und lauthals gebetet. Gerade in den Anfangsjahren waren | |
Ton- und Bildqualität zum Teil so schlecht, dass die Streifen kaum | |
aushaltbar waren. Doch die allermeisten haben einen erzieherischen | |
Charakter, und aus dem Menschen, der vom rechten Weg abgekommen ist, wird | |
letztendlich doch noch ein guter. Die Handlung ist extrem vorhersehbar. | |
## Aufklärung über Hexen | |
Mittlerweile nutzen aber auch Nichtregierungsorganisationen (NRO) die | |
Filmbegeisterung. So ließ „Safe Child Africa“, eine britische NRO, die in | |
Nigeria arbeitet, 2010 den Film „Der falsche Prophet“ drehen. Es ist ein | |
Nollywood-Streifen, der über Kinderrechte aufklärt, vor allem aber | |
anprangert, dass in Teilen des Landes bis heute Mädchen und Jungen als | |
Hexen bezeichnet, verstoßen und sogar ermordet werden. Es gibt keine Zahlen | |
darüber, wie häufig er gesehen wurde. Dennoch dürften so mehr Menschen | |
erreicht werden als etwa über Informationsbroschüren oder Veranstaltungen. | |
Neu ist auch das Thema Migration nicht. Bereits 2003 entstand der | |
vielbeachtete Film „Osuofia in London“. Anders als bei dem Projekt des | |
Schweizer Staatssekretariats geht es dort ebenfalls um die Vorstellung von | |
geglückter Migration. Im Jahr 2015 sollen Nigerianer laut einer | |
Untersuchung der Weltbank 19,7 Milliarden US-Dollar zurück in ihr | |
Heimatland geschickt haben. Damit wird Migration zur Erfolgsgeschichte, von | |
der sich viele Menschen mehr anstacheln lassen dürften. | |
Wie weit sich potenzielle Migranten aufgrund der neuen TV-Serie abschrecken | |
lassen, sei deshalb dahingestellt. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der | |
Vereinten Nationen (UNHCR) steht Nigeria beim Überqueren des Mittelmeeres | |
mittlerweile hinter Syrien und Afghanistan an dritter Stelle. In den | |
vergangenen 13 Monaten kamen so offiziellen Angaben zufolge auf diesem Weg | |
gut 38.000 Menschen nach Europa. Im Vergleich zu früheren Erhebungen steigt | |
die Zahl. Gerade über die Gefahren bei Reise durch die Sahara und der | |
Mittelmeer-Überquerung sind viele Migranten recht genau aufgeklärt. | |
22 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-will-mit-tv-serie-nigerianer-abhalten | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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