# taz.de -- Türkisch-nationalistisches Theaterstück: Des Putsches letzter Akt | |
> Eine Theatergruppe aus Istanbul will ein umstrittenes Stück in Hamburg | |
> aufführen. In anderen Städten wurde es wegen extremistischer Inhalte | |
> abgesagt | |
Bild: Freude nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei. Den thematisiert jet… | |
HAMBURG taz | Ein Theaterstück sorgt in Hamburg für Wirbel: „Son Kale | |
Türkiye – Letzte Bastion Türkei“ soll am Sonntag in einem Hotel im | |
Stadtteil Wilhelmsburg aufgeführt werden. Das Stück handelt vom | |
Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 und steht im Verdacht, eine | |
ultranationalistische türkische Sicht auf die Ereignisse abzubilden. Die | |
Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linkspartei, Cansu Özdemir, forderte den | |
Senat auf, zu intervenieren, damit das Stück abgesagt werde – doch der | |
Senat ist gegen ein Verbot. | |
Die CDU nutzte die Diskussion, um von der Oppositionsbank aus einmal mehr | |
die Kündigung des Staatsvertrags mit dem Moscheedachverband Ditib zu | |
fordern. Doch Ditib hat mit dem Theaterstück gar nichts zu tun. Die | |
Theatergruppe Gözyasi aus Istanbul tourt seit einiger Zeit mit ihrer | |
Aufführung durch Europa und ist auch in Deutschland schon mehrfach mit | |
diesem und anderen Stücken aufgetreten. Zum Teil traten Gruppen als | |
örtliche Veranstalter auf, die Recep Tayyip Erdoğans Partei AKP nahe | |
stehen, und in Bayern sogar die rechtsextremen Grauen Wölfe. | |
Die Städte Erlensee und Augsburg haben die Aufführung von „Letzte Bastion | |
Türkei“ abgesagt – wegen ultranationalistischer und gewaltverherrlichender | |
Inhalte. In Witten setzte ein Moscheeverein die Veranstaltung kurzfristig | |
aus, nachdem es Kritik von Abgeordneten gegeben hatte. Der Hamburger Senat | |
plant hingegen nicht, gegen die Aufführung am kommenden Sonntag zu | |
intervenieren, sondern beruft sich in einer Antwort auf eine Anfrage | |
Özdemirs auf die Kunstfreiheit. | |
Aus der Senatsantwort geht außerdem hervor, dass das Landeskriminalamt sich | |
zwar mit einer Einschätzung des Stücks befasst, offenbar aber noch zu | |
keinem Ergebnis gekommen ist. Auch Erkenntnisse über den örtlichen | |
Veranstalter liegen den Behörden nicht vor, steht in der Antwort. | |
Özdemir findet das merkwürdig: „Die Veranstaltung tourt seit Wochen durch | |
Deutschland und sorgt überall für Diskussionen, aber eine Meinung über den | |
Inhalt hat der Senat immer noch nicht“, kritisierte sie. Das Stück | |
transportiere eine menschenverachtende Ideologie, es werde darin gehetzt | |
und aufgestachelt und der Westen werde als Gründer der Terrororganisation | |
Islamischer Staat verunglimpft. „Auf mich wirkt es wie eine | |
Propagandaveranstaltung für die AKP vor dem Referendum“, sagte sie. | |
Am 16. April sollen auch deutsche TürkInnen über eine Verfassungsänderung | |
in der Türkei abstimmen, die einen weiteren Schritt in Richtung | |
Alleinherrschaft Erdoğans bedeuten würde. | |
Bilal Sahin, einer der Organisatoren der geplanten Theateraufführung in | |
Hamburg, weist die Vorwürfe von sich. Das Stück sei überhaupt nicht | |
politisch, sagte er auf taz-Anfrage. Stattdessen gehe es um Glauben: „Das | |
Stück zeigt eine islamische Sicht auf den Putschversuch und die vielen | |
Toten, die es gab“, sagte er. Von AKP-Propaganda wisse er nichts – aber | |
nach der Kritik und dem Verbot der Aufführung in anderen Städten habe man | |
kritische Stellen aus der Inszenierung herausgenommen. „Also die Stellen, | |
die man als politisch verstehen könnte“, sagte er. | |
Da die Aufführung am Sonntag in einem privaten Hotel stattfinden soll, hat | |
der Senat ohnehin wenig Handhabe, etwas dagegen zu unternehmen. Auch von | |
Seiten des Hotels werde es keine Absage geben, sagte dessen Manager Güner | |
Kara. Er sei zwar in Sorge, weil jetzt so ein Wirbel gemacht worden sei, | |
aber letztlich habe er nur seine vier Wände vermietet und mit den Inhalten | |
des Stücks nichts zu tun. | |
Ebenso wenig, wie die Aufführung des Theaterstücks zu verhindern, plant der | |
Senat, den Staatsvertrag mit Ditib aufzulösen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende | |
André Trepoll, der dies am Donnerstag zum wiederholten Mal forderte, hatte | |
ein Facebook-Zitat angeführt: Der Vorsitzende eines Ditib-Moscheevereins, | |
Ishak Kocaman, hatte in dem sozialen Netzwerk geäußert „Demokratie ist für | |
uns nicht bindend. Uns bindet der Koran.“ | |
23 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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