# taz.de -- Konflikt Aachener Theater und AfD: Unaussprechliches auf der Bühne | |
> Das Stück „Heiliger Krieg“ verweist auf Gemeinsamkeiten von Islamisten | |
> und Rechten. Ein AfD-Sprecher will, dass diese Passagen gestrichen | |
> werden. | |
Bild: Das gefällt der AfD: Wenn sie (hier in Person von Marcus Pretzell, recht… | |
Das Chaostheater ist eine Institution in der Aachener Kulturlandschaft. | |
Seit 2004 bringt das multikulturelle Ensemble Stücke mit gesellschaftlichem | |
Anspruch auf die Bühne, behandelt immer wieder die Probleme von Kindern und | |
Jugendlichen in kulturellen Spannungsfeldern – teils mit Rückgriff auf | |
Stoffe wie „Die Welle“ oder „Clockwork Orange“. | |
Die neueste Inszenierung ist Reza Jafaris „Heiliger Krieg“. Im Fokus stehen | |
die Mütter von jungen Menschen, die sich dem „Islamischen Staat“ | |
angeschlossen haben. Es geht um die Verzweiflung der Angehörigen ebenso wie | |
um die Frage, wie es dazu kommen kann, dass Jugendliche sich | |
radikalisieren. Und es geht auch um den Alltagsrassismus, Ausgrenzung und | |
die Ursachen dafür in politischem Populismus. In einer Szene heißt es, die | |
Gemeinsamkeit von Islamisten und Rechten sei, dass beide nicht akzeptieren | |
wollen, dass Menschen das Recht haben, anders zu sein. | |
Diesen Aspekt hoben auch die Aachener Nachrichten in einer Rezension zur | |
Premiere hervor. Dem Sprecher der Aachener AfD, Jan-Peter Trogrlic, gefiel | |
das offenbar nicht. Er schrieb eine aufgebrachte Mail an Regisseur Jafari, | |
in der er ihn auffordert, „diese Passage in Deinem Stück zu streichen“. Er | |
setzt eine Frist und droht: „Ich werde sonst mit juristischen Mitteln gegen | |
Deine hetzerische, beleidigende und verleumderische Aussage vorgehen | |
müssen.“ Denn er sieht darin eine Gleichsetzung der AfD mit den Mördern des | |
IS. Wohlgemerkt: Laut Jafari hat der AfD-Mann das Stück gar nicht gesehen. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Trogrlic Jafari angreift. „Er versucht | |
öfter, mir seine Position zu erklären“, sagt Jafari. In einer Mail vom 27. | |
Oktober 2016 nimmt er einen Bericht der Neuen Zürcher Zeitung über die | |
prekäre Lage von psychisch Kranken in Somalia zum Anlass, gegen | |
afrikanische Migranten zu hetzen. „Schwachsinn und dazu noch der Islam in | |
Verbindung mit westlicher, freiheitlicher Dekadenz“, schreibt er und | |
behauptet noch, frei nach dem Lügenpressemotto: „Keine deutsche Zeitung | |
klärt über die Realität auf.“ Es sind die üblichen Versatzstücke des | |
rechten Populismus. Jafari wird in einer weiteren Mail vorgeworfen, sein | |
Publikum aufzuhetzen. | |
## „Das Ensemble wird unter Druck gesetzt“ | |
Trogrlic und Jafari kennen sich. Trogrlic hat selbst lange beim OT | |
Josefshaus, dem Träger des Chaostheaters, gearbeitet, hatte aber 2016 mit | |
dem Eintritt in die AfD seinen Hut genommen. Die Aachener Nachrichten | |
berichteten darüber im September. Demnach war er als Forentroll bekannt. Er | |
soll Begriffe wie „Jungneger“ benutzt und Geflüchtete „Lumpen“ genannt | |
haben. „Ich bekomme jetzt ständig solche Mails“, sagt Jafari. Ein Blick in | |
den Maileingang auf dessen Smartphone bestätigt das. „Das Ensemble wird | |
unter Druck gesetzt.“ | |
Darstellerin Mina Khani, selbst vor rund zehn Jahren aus Iran nach | |
Deutschland gekommen, sieht in diesen Angriffen eine Bestätigung dafür, wie | |
wichtig ihre Arbeit ist. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt sie. | |
„Trotzdem ist es immer wieder erschreckend und erschütternd, wenn so etwas | |
passiert.“ Jafari nickt. Für beide sind Angriffe aus der rechten Ecke | |
nichts Neues. „Aber“, fügt sie hinzu, „wir lassen uns davon nicht | |
abschrecken.“ | |
Wenig später steht sie auf der Bühne und stellt die Erzählung einer vom IS | |
verschleppten Jesidin mit einem Ausdruckstanz dar, der das Grauen und das | |
Leid der Opfer so spürbar macht, dass das Publikum hinterher wortlos und in | |
sich versunken den Saal verlässt. In einer nächsten Szene bricht die Mutter | |
eines Mädchens, das einen IS-Kämpfer geheiratet hat, verzweifelt zusammen – | |
ergreifend gespielt von Kerrin Thomas. | |
„Heiliger Krieg“ reiht Unaussprechliches aneinander. Jedes Wort, jeder | |
Blick hallt nach wie ein Schuss. Jafari lässt seinen Darstellern Zeit, | |
lässt sie wirken und stellt Fragen, die wir alle uns stellen müssen | |
angesichts dessen, was in der Welt geschieht. „Ich hoffe, dass wir das | |
Stück auch noch in anderen Städten auf die Bühne bringen können“, sagt er | |
nachdenklich. Und man kann nur mit ihm hoffen, dass das gelingt. | |
30 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Gerrit Wustmann | |
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