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# taz.de -- Rassistische Gewalt in Niedersachsen: Rechte Gewalt auf hohem Niveau
> Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Niedersachsen ist
> im vergangenen Jahr wieder leicht gestiegen. Ein Gewalt-Hotspot ist
> Braunschweig
Bild: In Braunschweig ist die Gefahr, Opfer rassistischer Gewalt zu werden, bes…
Hamburg taz | Braunschweig liegt vorn. In keiner anderen niedersächsischen
Stadt hat die Polizei im vergangenen Jahr mehr rechtsextreme Straf- und
Gewalttaten dokumentiert. „Mit 145 polizeilich registrierten rechten
Straftaten, davon 19 Gewalttaten, liegt Braunschweig an der Spitze der
Statistik“, David Janzen, Sprecher des Bündnisses gegen Rechts. „Nie gab es
in den letzten zehn Jahren in Braunschweig so viele polizeilich
registrierte rechte Straf- und Gewalttaten wie im letzten Jahr.“
Knapp hinter Braunschweig liegen die Stadt Hannover und die Region Hannover
mit jeweils 141 beziehungsweise 139 Straf- und Gewalttaten. Die Zahlen
beruhen auf der Antwort des Landtags zur quartalsweise gestellten Anfrage
der Grünen zu politisch motivierten Straftaten im Bundesland.
Erfasst werden Taten, bei denen Rassismus, Hass auf Ausländer und
Andersdenkende eine Rolle spielen: Hakenkreuz-Schmierereien oder rechte
Hetze im Netz, aber auch Brandanschläge oder gewalttätige Übergriffe. Auch
in Braunschweig gibt es das ganze Spektrum rechter Taten: Stolpersteine
sind mit Hakenkreuzen beschmiert worden, die KZ-Gedenkstätte Schillstraße
wurde mit rechten Symbolen verunziert und es gab gewalttätige Übergriffe.
„Der brutale Angriff auf zwei Schüler des Gymnasiums Neue Oberschule machte
Anfang des vergangenen Jahres Schlagzeilen“, sagt Janzen. Das Amtsgericht
Braunschweig verurteilte zuletzt einen stadtbekannten rechten Schläger und
Anhänger der NDP-Jugend wegen des Überfalls zu zwei Jahren Haft auf
Bewährung sowie zu 7.000 Euro Schmerzensgeld. Er hatte die Schüler
angegriffen, einem brach er den Kiefer, der andere trug eine
Gehirnerschütterung davon.
In Niedersachsen sind allein die Gewalttaten im Jahresvergleich 2015 und
2016 von 90 auf 106 Fälle angestiegen. Insgesamt registrierte die Polizei
im vergangenen Jahr 1.622 solcher Delikte, 2015 waren es mit 1.615 bereits
ähnlich viele Fälle. Ein Jahr zuvor hatte es einen sprunghaften Anstieg auf
dieses hohe Niveau gegeben: 2014 wurden in Niedersachsen lediglich 1.124
rechte Delikte erfasst.
„Der massive Anstieg rechter Straf- und Gewalttaten seit dem Jahr 2015
droht sich zu verstetigen“, sagt Julia Willie Hamburg, grüne
Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecherin für Antifaschismus in
Niedersachsen. Sie geht außerdem von einer hohen Zahl nicht erfasster Taten
aus und beruft sich hier auf Beratungsstellen für Opfer von rechter Gewalt.
Die erklären die hohe Dunkelziffer in diesem Bereich etwa damit, dass Opfer
aus Sorge darüber, von der Polizei nicht ernst genommen zu werden, keine
Anzeige erstatten oder weil sie Angst haben, dass der Täter erneut
zuschlägt oder auch weil die Polizei den politischen Hintergrund der Tat
ausblendet.
Diese Zahlen sind für Willie Hamburg auch ein Indiz dafür, dass sich die
rechte Szene jenseits der etablierten Parteien neu organisiert. Denn
einschlägige Parteien wie die NPD oder Die Rechte ziehen sich mehr und mehr
aus der Öffentlichkeit zurück, melden kaum noch offizielle Aufmärsche oder
Kundgebungen an. Gleichzeitig werde die rechte Szene aber vermehrt tätig
und sei zunehmend militant, sagt Willie Hamburg. „Offensichtlich haben sich
in Niedersachsen in den letzten zwei Jahren Nazi-Strukturen neu organisiert
und wurden reaktiviert.“
„Angst macht uns aber vor allem die zunehmende Radikalisierung eines Teils
der sogenannten Mitte der Gesellschaft“, sagt Janzen vom Bündnis gegen
Rechts. Die Vorurteile und der Hass gegen Geflüchtete, Muslime und
Migranten, aber auch gegen Medien, Politiker und Menschen, die sich für
Geflüchtete oder gegen Rechtsextremismus engagieren, sei „leider fast
Normalität“, sagt er.
Dabei dürften aber die nüchternen Zahlen von Opfern und Straftaten nicht
die Schicksale dahinter überblenden, sagt Willie Hamburg. „Wir dürfen die
Betroffenen nicht alleine lassen.“ Anfang des Jahres hat eine mobile
Opferberatung ihre Arbeit aufgenommen und wird bald in Niedersachsen
unterwegs sein. Das sei ein Schritt, „um den Opfern eine Stimme zu geben
und um die Dunkelziffer auszuleuchten“.
24 Feb 2017
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Gewalt
Niedersachsen
Rechtstextreme
Holocaust-Gedenktag
Braunschweig
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Ideologie
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