| # taz.de -- Folge von Polizeischüssen in Bremen: Polizist schießt, Mieter sol… | |
| > Ein Polizist schießt in Bremen auf eine geschlossene Wohnungstür und | |
| > verletzt eine 17-Jährige. Nicht er, sondern der Mieter wird nun belangt. | |
| Bild: So sieht Notwehr aus: Einschusslöcher an der Wohnungstür in Bremen | |
| BREMEN taz | In Bremen wird nach Polizei-Schüssen auf eine 17-Jährige im | |
| März 2016 nun der 33 Jahre alte Mieter der Wohnung belangt – und nicht der | |
| Beamte. Bei einem Einsatz hatte ein Polizist fünf Schüsse auf eine | |
| geschlossene Wohnungstür abgegeben. Die Jugendliche, die zufällig dahinter | |
| stand, war dabei lebensgefährlich verletzt worden. Dass der Polizist trotz | |
| geschlossener Tür in Notwehr gehandelt habe, hatte die Staatsanwaltschaft | |
| bereits im Juni 2016 erklärt. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt und | |
| stattdessen gegen den Mieter ermittelt. Nun wurde ein Strafbefehl erlassen, | |
| wie die Frankfurter Rundschau berichtete und eine Sprecherin des | |
| Amtsgerichts bestätigte. | |
| Wegen gefährlicher und fahrlässiger Körperverletzung erhielt der Mieter per | |
| Strafbefehl eine einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Er legte dagegen | |
| Einspruch ein, sodass nun eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht folgen | |
| wird. | |
| Laut Staatsanwaltschaft war es der Mieter selbst, der am ersten | |
| Märzwochenende 2016 die Polizei gerufen hatte: In seiner Wohnung hatte die | |
| 17-Jährige ihren Geburtstag gefeiert. Auch ungebetene Gäste waren gekommen | |
| und hatten wohl Ärger gemacht. Die Feiernden sollen die Störer rausgeworfen | |
| haben, wobei es zu Verletzungen gekommen und Blut geflossen sein soll. Als | |
| es wenig später im Treppenhaus rumpelte, soll der Mieter gedacht haben, | |
| dass es sich um die Störer handele. Er öffnete die Wohnungstür einen Spalt | |
| breit und schoss mit einer Schreckschusspistole. | |
| Draußen standen aber nicht die Störenfriede, sondern die herbeigerufenen | |
| Polizisten. Einer von ihnen, ein hospitierender Beamter des | |
| Spezialeinsatzkommandos, erwiderte das Feuer und schoss auf die bereits | |
| wieder geschlossene Wohnungstür. | |
| Laut Staatsanwaltschaft konnte der Polizist weder sehen, dass dahinter die | |
| junge Frau stand, noch, dass zuvor mit einer Schreckschusswaffe geschossen | |
| wurde. Bei ihrer Ankunft hätten die Polizisten im Treppenhaus Blutspuren | |
| gesehen, die zu der Wohnung führten. Sie seien davon ausgegangen, dass Leib | |
| und Leben der Beteiligten gefährdet gewesen seien. Die 17-Jährige wurde | |
| drei Mal getroffen und musste operiert werden. | |
| Schuld an allem ist für die Staatsanwaltschaft nun der Mieter. Silke | |
| Noltensmeier, Sprecherin der Bremer Staatsanwaltschaft, erklärte diese | |
| Bewertung so: Sowohl Polizist als auch Mieter seien einem Irrtum erlegen. | |
| Aber: „Im Unterschied zum Polizisten ist der Mieter nicht davon | |
| ausgegangen, dass auf ihn scharf geschossen wird.“ Der Mieter habe die | |
| Reaktion der Polizei provoziert und eine „fahrlässige Ursache für die | |
| Verletzung der 17-Jährigen gesetzt“. Gleichzeitig habe er durch den Schuss | |
| auf den Flur billigend in Kauf genommen, dass jemand verletzt wird – der | |
| Polizist erlitt ein Knalltrauma. | |
| Der Anwalt des Mieters war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. | |
| Rafael Behr, Professor an der Akademie der Polizei in Hamburg, befürchtet | |
| bei der Polizei insgesamt einem offensiveren Umgang mit Schusswaffen. Dass | |
| liege auch daran, dass in der Bevölkerung immer mehr Schreckschusswaffen in | |
| Umlauf seien. „Wenn die Waffe den Anschein macht, scharf zu sein, so | |
| urteilen die Gerichte, dass man den Polizisten nicht zumuten kann, den | |
| Unterschied in der Schnelligkeit eines Einsatzes zu beurteilen“, erklärte | |
| Behr. „Daran denken die meisten nicht, die sich bewaffnen: dass sie auch | |
| eine Gefahr für die Einsatzkräfte darstellen.“ | |
| Aus vielen Prozessen um Schusswaffeneinsätze sei bekannt, dass Richter ein | |
| Verständnis für die Einsatzsituation aufbringen: „Wenn die Sache | |
| uneindeutig ist und der Beamte darlegen kann, dass es eine | |
| Gefährdungssituation gab, bekommt er meist Recht“, sagte Behr. | |
| 15 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
| ## TAGS | |
| Polizeieinsatz | |
| Polizeieinsatz | |
| Polizei | |
| Polizei Bremen | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Staatsanwalt | |
| Taser | |
| Die Linke Hamburg | |
| Black Lives Matter | |
| Polizei Berlin | |
| Reichsbürger | |
| Polizei Bremen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bremer Streifenpolizisten mit Tasern: SPD versucht zu schocken | |
| Die SPD-Fraktion in Bremen will Taser als Polizeiwaffe im Testbetrieb. Der | |
| Grüne Koalitionspartner lehnt das ab, aber die CDU freut sich drauf. | |
| Anzeige gegen Bürgerschaftsabgeordneten: Polizeipräsident zeigt Linken an | |
| Ein Hamburger Linken-Abgeordneter nannte die Schüsse auf einen Ghanaer | |
| „rassistisch motiviert“ und kassierte eine Anzeige. Der Vorwurf ist | |
| allerdings nicht so abwegig. | |
| Polizist schoss auf Geflüchteten: Mehr Schüsse als nötig? | |
| Ein Zivilpolizist schoss vergangene Woche auf einen Geflüchteten in St. | |
| Georg und verletzte ihn schwer. Die Polizei spricht von Notwehr, andere | |
| bezweifeln das | |
| Tödlicher Vorfall in Berlin: Polizei erschießt 25-Jährigen | |
| Die Staatsanwaltschaft untersucht den Vorfall. Ein angefordertes | |
| SEK-Kommando war bei einem anderen Einsatz. | |
| Tödlicher Angriff von „Reichsbürger“: Polizist hätte Tat verhindern kön… | |
| Ein 50-jähriger Beamter ist wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen | |
| angeklagt. Er stand in Kontakt zu dem „Reichsbürger“, der einen Kollegen | |
| erschossen hat. | |
| Nackig: Jusos entwaffnen Polizei | |
| Die Bremer Jusos wollen Polizistinnen ohne Schusswaffe auf Streife | |
| schicken. Dies könnte in Konfliktsituationen deeskalierend wirken, so ihre | |
| Argumentation | |
| Statistik über Gebrauch von Schusswaffen: Beamte erschossen zehn Menschen | |
| Zum zweiten Mal hat die Innenministerkonferenz die Statistik über den | |
| Gebrauch von Schusswaffen nicht offiziell veröffentlicht. Der Chef der | |
| Polizeigewerkschaft kritisiert die Intransparenz. |