| # taz.de -- Buchverbot in Palästina: Onanie ist machbar | |
| > Weil der Held eines Buches homosexuell ist, sind die palästinensischen | |
| > Behörden in Aufruhr. Sie wollen das Werk konfiszieren. | |
| Bild: Der Autor Abbad Yahya bei einer Lesung in einem Konferenzssaal | |
| Jerusalem taz | Fuad Akleek ist entrüstet. „Wie einen Verbrecher haben sie | |
| mich auf offener Straße verhaftet und sehr grob ins Auto gestoßen“, | |
| berichtet der 41-jährige Palästinenser, „dabei verkaufe ich doch nur | |
| Bücher.“ Das Buch, das dem Buchhändler zum Verhängnis wurde, trägt den eh… | |
| unspektakulären Titel „Ein Verbrechen in Ramallah“. Es stammt aus der Feder | |
| des palästinensischen Schriftstellers Abbad Yachya. Nicht genug damit, dass | |
| Yachyas Held homosexuell ist. Der Held onaniert auch noch ausgiebig vor | |
| seinen Lesern. | |
| Für Generalstaatsanwalt Ahmad Brak von der Palästinensischen | |
| Autonomiebehörde (PA) war das Grund genug, das Buch zu verbieten. „Wir | |
| hatten noch 500 Stück auf Lager“, berichtet Akleek, den die Polizei für | |
| mehrere Stunden zum Verhör auf der Wache festhielt und dann zusammen mit | |
| ihm zu den Lagerräumen ging, um die verbotene Ware zu konfiszieren. „Die | |
| Hälfte der Gesamtauflage.“ | |
| Autor Yahya erreichte die Nachricht, dass auch er zum polizeilichen Verhör | |
| kommen soll, im Ausland, auf der Literaturmesse in Kairo. Von dort reiste | |
| nach Katar, wo er abwarten will, bis sich die Wogen glätten, bevor er zu | |
| seiner Frau zurückkehrt. „Ein Verbrechen in Ramallah“ ist sein viertes | |
| Buch. Für den Buchhändler Akleek war der Roman „ein Buch wie jedes andere�… | |
| Das habe er auch der Polizei erklärt und dem stellvertretenden | |
| Informationsminister Mahmud Khalife, der ihn zwei Tage nach dem Verhör noch | |
| einmal zu sich rief. Dies sei „kein Buch für die palästinensische | |
| Öffentlichkeit“, argumentierte Khalife ähnlich wie Generalstaatsanwalt | |
| Brak, der das literarische Werk schlicht für „unanständig“ hält. Der Fall | |
| werde „vorerst untersucht“, verlautete aus dem Büro von Brak. Akleek hofft, | |
| dass das Buch wieder freigegeben wird. „Ich hatte noch nie Probleme“, sagt | |
| er. „Ich drucke und verbreite, was ich will. Eine Zensur gibt es nicht.“ | |
| ## Ein Boykott klappt nicht | |
| Einen Buchladen nach dem anderen besuchten die palästinensischen Beamten, | |
| um Yahyas letztes Werk einzusammeln. Im al-Shurruq, dem größten Geschäft | |
| von Ramallah, lag nur noch ein Exemplar zum Verkauf, als die in zivil | |
| gekleideten Polizisten kamen. Die restlichen 29 seien bereits im Umlauf, | |
| berichtet der Mann an der Kasse. Er selbst habe das Buch auch schon gelesen | |
| und verstehe den Wirbel darum nicht. | |
| Es wird heftig gestritten im Westjordanland um den Roman und das Verbot, | |
| auch unter Politikern. Kulturminister Ehab Bseisso, der selbst gern | |
| schreibt, ist besorgt, hier könne ein Präzedenzfall geschaffen werden. „Ein | |
| Boykott klappt ohnehin nicht“, kommentierte er. „Es werden keine zwei | |
| Stunden vergehen, bis das Buch im Internet zu lesen ist.“ Schon die Debatte | |
| um den Roman findet Bseisso absurd. | |
| „Wer hat es überhaupt gelesen?“ Ahmad Nijim vom Palästinensischen | |
| Kulturforum verbringt viele freie Stunden im Al-Shurruq-Buchladen, wo er | |
| selbst manchmal Lesungen mit Autoren veranstaltet. Immer mehr junge | |
| Palästinenser wagten es heute, zur Feder zu greifen, meint er, doch | |
| „mangelt es vielen an der rechten Schulung“. | |
| Den Roman von Yachya will sich Nijim nicht antun. „Ich lese lieber einen | |
| Klassiker als solchen Schund.“ Den Autor des Romans scheint derartige | |
| Kritik kaum zu schrecken. „Das Buch wird am Ende gewinnen“, meinte Yachya | |
| im Gespräch mit einem palästinensischen Radiosender. | |
| „Auch wenn sie es hassen, dann wird ihr Verbot den Verkauf doch | |
| vorantreiben.“ Ganz vom Markt ist sein Roman noch nicht verschwunden. Im | |
| von Israel besetzten Ostjerusalem und in Haifa geht der Verkauf gerade | |
| jetzt erst richtig los. | |
| 13 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Palästina | |
| Israel | |
| Ramallah | |
| Westjordanland | |
| Jerusalem | |
| Film | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Israel | |
| USA | |
| Israelkritik | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Libanon verbietet Film „Wonder Woman“: Israelische Darstellerin unerwünscht | |
| Die libanesischen Behörden haben den neuen Film „Wonder Woman“ verboten. | |
| Dem Verbot vorausgegangen war eine Kampagne gegen Gal Gadot. | |
| Kinderherzchirurgie in Ostjerusalem: Tausend Herzen für Kinder | |
| Nizar Hijjeh gab seinen Job als Oberarzt auf, ließ seine Familie in | |
| Deutschland zurück. In Ostjerusalem operiert er Kinder, die sonst | |
| unversorgt blieben. | |
| Siedlungen im Westjordanland: Disput um Legalisierung | |
| Ein Gesetzentwurf soll Siedlungen legalisieren, die auf palästinensischen | |
| Grundstücken errichtet wurden. Die Knesset muss nun darüber entscheiden. | |
| Donald Trump und Benjamin Netanjahu: Gefährliche Brüder im Geiste | |
| Israel und die USA mögen sich wieder. Doch die geplante Verlegung der | |
| US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem könnte Folgen haben. | |
| Kolumne German Angst: Selbst schuld | |
| Anschläge auf Jüdinnen und Juden sind keine Israelkritik. Wer Attentäter | |
| als Widerstandskämpfer darstellt, nimmt antisemitischen Terror nicht ernst. | |
| Nahostkonferenz in Paris: Netanjahu träumt von Großisrael | |
| Israels Premier nennt die Gespräche in Paris abschätzig „überholt“. Und | |
| setzt auf Hilfe von US-Präsident Trump und die Legalisierung der | |
| Siedlungen. | |
| Kommentar Nahostgipfel in Paris: Eine überflüssige Veranstaltung | |
| Das Treffen wird in den Geschichtsbüchern untergehen. Es wird die beiden | |
| Völker dem Ziel der Zweistaatenlösung keinen Schritt näherbringen. |