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# taz.de -- Tele-Medizin: Chatten bis der Arzt kommt
> In Osnabrück bietet ein Arzt eine Video-Sprechstunden an. Die Telemedizin
> könnte in ländlichen Gebieten Niedersachsens helfen, Menschen besser zu
> versorgen
Bild: Ist das die Zukunft der Medizin? In ländlichen Gebieten könnte Telemedi…
OSNABRÜCK taz | Vier, drei, zwei, eins – auf dem Computerbildschirm zählen
die Sekunden runter. Dann geht ein Fenster auf und lächelnd schaut der Arzt
Micha Neubert in die Kamera. Der Mann im weißen Kittel fragt, wie es seinem
Patienten geht. Die Video-Sprechstunde kann beginnen.
Seit Jahresanfang macht der Osnabrücker Allgemein- und Arbeitsmediziner
dieses Online-Angebot. Seine PatientInnen können sich den Weg in die Praxis
und das Sitzen im Wartezimmer zwischen anderen hustenden und schniefenden
Kranken sparen. Stattdessen melden sie sich auf einer Online-Plattform an
und machen wie in der analogen Welt einen Termin mit Neubert.
„Ich hatte das gedanklich schon länger in der Pipeline“, sagt Neubert über
die Video-Sprechstunde. Seine analoge Sprechstunde ist gerade zu Ende, die
letzten PatientInnen haben die Praxis in der Osnabrücker Innenstadt
verlassen. Auf einer Messe in Düsseldorf habe er die Online-Plattform
Patientus entdeckt, eine von mehreren in Deutschland, die den technischen
Rahmen für Video-Sprechstunden anbieten. Die ÄrztInnen schließen ein
Abonnement mit dem Anbieter ab, die PatientInnen nutzen das Online-Angebot
umsonst.
Wichtig sei für ihn, dass die Plattformen Datensicherheit garantieren, so
der 44-jährige Mediziner. Schließlich sollen keine Dritten das Gespräch
verfolgen können. Dafür sorgt eine Peer-to-Peer-Verschlüsselung. Die
PatientInnen nehmen zum vereinbarten Zeitpunkt wie beim Online-Banking über
eine TAN-Nummer Kontakt zu Neubert auf.
Eigentlich habe er warten wollen, bis es auch eine App der Plattform gibt.
Das hätte es dem Arbeitsmediziner ermöglicht, auch von unterwegs aus
Kontakt zu PatientInnen in Betrieben aufzunehmen. Überhaupt macht die
Online-Sprechstunde die Behandlung flexibler. Wenn er etwa am Wochenende
kontrollieren wolle, ob eine Wunde gut verheilt, könne er von zuhause aus
Kontakt aufnehmen, so Neubert.
Die Online-Sprechstunde gilt als Modell der Zukunft. Das bestätigt auch
Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
(KVN). „Gerade in ländlichen Gebieten macht das Sinn“, erklärt er. Denn in
Gegenden wie etwa dem Emsland sei der Weg zur nächsten Praxis oft weit und
die Facharztdichte gering.
Allerdings eignet sich die Video-Sprechstunde nicht für jede Behandlung.
Das Fernbehandlungsgesetz verbietet es etwa, dass ÄrztInnen eine
Erstdiagnose über den virtuellen Kontakt stellen dürfen. „Sie müssen den
Patienten schon mal vorher gesehen haben“, so Haffke. Auch eine
Zweitmeinung können sich Erkrankte über die Video-Sprechstunde einholen.
Außerdem müssten die technischen Voraussetzungen da sein, sagt der
Sprecher. Nicht nur der Arzt muss sich bei einem Dienstleister anmelden.
Auch der Patient muss Zugang dazu haben und dafür einigermaßen sicher mit
dem Internet umgehen können. Und am Ende, so Haffe, sei für ÄrztInnen
wichtig: „Nehmen sie mehr ein als sie investieren?“
Das ist derzeit nicht so. Micha Neubert und seine KollegInnen bieten die
Online-Sprechstunde umsonst an. Erst am 1. Juli, wenn das E-Health-Gesetz
in Kraft treten soll, können sie auch diese Leistung abrechnen.
Das Interesse an digitalen Angeboten in der Medizin ist da. Micha Neubert
hat festgestellt, dass vor allem ältere Patienten in seiner Praxis nach der
virtuellen Sprechstunde fragen. Auch die Krankenkassen befassen sich mit
dem Thema. „Das Interesse ist bei den Versicherten da“, sagt Inken
Holldorf, Leiterin der Techniker Krankenkasse (TK) in Niedersachsen. 82
Prozent der Befragten einer TK-Studie glauben, dass Online-Kommunikation
mit Arztpraxen in zehn Jahren Alltag ist. 58 Prozent glauben außerdem, dass
auch der Online-Chat in Zukunft zur Behandlung gehört. Für wünschenswert
halten das allerdings nur 31 Prozent.
Und was sagt der Arzt dazu? Glaubt er gar, eines Tages durch einen Computer
ersetzt werden zu können? „Ich hoffe nicht“, sagt Neubert. Allerdings geht
er auch nicht davon aus, dass der Chat den Besuch ersetzen kann. Zur
Arzt-Patienten-Beziehung gehöre der persönliche Kontakt und die Behandlung
mit „allen Sinnen“. Manchmal sei es auch wichtig, dass er einfach „Das wi…
schon wieder“ sage und jemandem beruhigend auf die Schulter klopfe. Diesen
menschlichen Faktor könne ein Computer nicht ersetzen.
7 Feb 2017
## AUTOREN
Anne Reinert
## TAGS
Ärztemangel
Medizin
Ärzte
Arzt
Internet
psychische Gesundheit
Zuwanderung
Krankenkassen
Ärztemangel
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