| # taz.de -- Medizinischer Rat aus dem Internet: Fragwürdige Therapietipps goog… | |
| > Egal ob Kopfschmerzen oder Krebs: Wer Beschwerden hat, googelt. | |
| > Gesundheitsportale im Internet verbreiten oft zweifelhafte Informationen. | |
| Bild: Das Internet kann eine Hilfe sein, wenn es um die Gesundheit geht, sollte… | |
| Die Google-Suche „Krebs was tun“ landet fast 14 Millionen Treffer. Der | |
| erste ist der Krebsinformationsdienst des Deutschen | |
| Krebsforschungszentrums – er wird vom Bundesministerium für Gesundheit | |
| gefördert und vermittelt wissenschaftliche Studien und Anlaufstellen für | |
| Betroffene und Angehörige. Der zweite ist das Naturheilmagazin. Dort stehen | |
| die Nummer einer Homöopathie-Soforthilfehotline und Erfahrungsberichte von | |
| Krebspatienten, die durch Homöopathie geheilt wurden. Und eine Liste von | |
| Ärzten, die als sogenannte Experten Artikel veröffentlichen. | |
| Dass die Experten gut 2.000 Euro im Jahr bezahlen, um als solche angeführt | |
| zu werden, sieht ein Patient auf den ersten Blick nicht. Auch nicht, dass | |
| Homöopathie in der Medizin höchst umstritten ist. Erst Anfang dieses Jahres | |
| veröffentlichte das US-amerikanische Journal of the National Cancer | |
| Institute eine Studie, die zeigt, dass die Anwendung von Alternativmedizin | |
| bei Krebspatienten mit einem höheren Sterberisiko einhergeht. Das | |
| Naturheilmagazin ist nur eine von Dutzenden Webseiten, die mit | |
| Fehlinformationen Patienten gefährden können. | |
| Das Bundesgesundheitsministerium will dem Wildwuchs zweifelhafter | |
| Informationsportale mit einem nationalen Gesundheitsportal begegnen. | |
| „Angesichts der großen Fülle von Informationen zu gesundheitlichen Fragen | |
| im Internet soll das geplante Portal wissenschaftlich belegte und | |
| unabhängige Gesundheitsinformationen zusammenführen“, heißt es dazu aus dem | |
| Ministerium. Vor wenigen Tagen [1][veröffentlichte das Institut für | |
| Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) das im Auftrag | |
| des Ministeriums dafür entwickelte Konzept.] Einen Termin zur Umsetzung | |
| nennt das Bundesministerium nicht. Weil das Portal im Koalitionsvertrag | |
| vereinbart wurde, soll es aber noch in dieser Legislaturperiode entstehen. | |
| Ein Problem aber wird bleiben: Konsumenten können nicht abschätzen, wie | |
| seriös einzelne Seiten sind. Und das, obwohl 42 Prozent der Deutschen | |
| Gesundheitsportale nutzen, wie die Bertelsmann Stiftung schreibt. Die | |
| Hälfte ist mit der Information, die sie findet, zufrieden. | |
| Daniela Hubloher ist als Medizinerin in der Patientenberatung der | |
| Verbraucherzentale Hessen tätig. Sie findet es „erschreckend, dass viele | |
| Verbraucher kaum beurteilen können, ob eine Seite vertrauenswürdig ist oder | |
| ob kommerzielle Interessen dahinterstehen“. | |
| ## Vertrauen ist gut, Misstrauen ist besser | |
| Viele würden Google vertrauen und [2][glauben, dass die beste Seite ganz | |
| oben stehe], sagt sie. Und: Gesundheitsportale könnten kranke Menschen | |
| davon abhalten, zum Arzt zu gehen. Im schlimmsten Fall töten sie. Manche | |
| Seiten empfehlen etwa, bei einer Krebserkrankung Aprikosenkerne zu essen. | |
| Tatsächlich sind sie höchst giftig. | |
| Diverse Checklisten sollen Patienten helfen, eine Seite zu beurteilen – sie | |
| werden von den Verbraucherzentralen oder vom Ärztlichen Zentrum für | |
| Qualität in der Medizin veröffentlicht. Sie alle raten, zu prüfen, wie sich | |
| eine Seite finanziert und von wem die Information stammt. Vorsicht sei etwa | |
| geboten, wenn empfohlen werde, die bestehende Behandlung abzubrechen oder | |
| Wunderheilungen versprochen werden. | |
| Viele Portale sind professionell gemacht und [3][werden von Google gut | |
| gelistet]. Die Seite „Zentrum der Gesundheit“ etwa kennen laut Bertelsmann | |
| Stiftung 23 Prozent jener Patienten, die sich online über Gesundheit | |
| informieren. 38 Prozent davon vertrauen den Informationen auf der Seite. | |
| Genauso sehr glauben sie dem Krebsinformationsdienst der Universität | |
| Heidelberg. | |
| Das Zentrum der Gesundheit aber schreibt, dass Natron Krebs heilen könne. | |
| Oder das Diabetiker mithilfe eines speziellen Korallenpulvers in 30 Tagen | |
| vom Insulin loskommen könnten. Eingebettet in den Text ist eine | |
| Werbeanzeige für das Pulver – es kostet 70 Euro pro Kilo. Der | |
| Verbraucherschutz Hamburg bescheinigte dem Portal 2013 großes | |
| Verkaufsinteresse, schlechte Transparenz und mangelhafte Objektivität. Wer | |
| profitiert, sind nicht Patienten, sondern Betreiber. | |
| Im Fall des Zentrums der Gesundheit durch Pulver und Mittelchen, für die | |
| innerhalb der – anonym verfassten – redaktionellen Beiträge passende | |
| Anzeigen aufpoppen. Nach Angaben der Seite stelle man lediglich Werbeplatz | |
| zur Verfügung, verkaufe aber selbst nicht. Zentrum der Gesundheit wird von | |
| der Schweizer Neosmart Consulting AG betrieben, deren Verwaltungsrat und | |
| Zeichnungsberechtigter ist Heinz Boksberger. Der war bis 2012 auch | |
| Verwaltungsrat der Fair Trade Handels AG (FTH), sie verkauft die beworbenen | |
| Pulver. Auf Anfrage der taz verweist Carina Rehberg, Chefredakteurin vom | |
| Zentrum der Gesundheit, darauf, dass Boksberger mittlerweile aus dem | |
| Verwaltungsrat der FTH ausgeschieden sei. | |
| ## „Experten“ müssen zahlen | |
| Er habe damals „lediglich den Kontakt zur FTH hergestellt, als wir vor | |
| vielen Jahren auf der Suche nach einem Werbepartner mit hochwertigem | |
| ökologisch und ethisch korrektem Sortiment waren und die FTH über genau ein | |
| solches Sortiment verfügte.“ | |
| Ein anderes Finanzierungsmodell ist das des Naturheilmagazins: Für 190 Euro | |
| im Monat bekommen Ärzte die Markierung als „Experte“ und damit eine bessere | |
| Listung in der Suchfunktion des Portals. Als Experten haben sie zudem die | |
| Möglichkeit, bis zu vier Artikel pro Jahr auf der Seite zu veröffentlichen. | |
| Thomas Fischer hat in Düsseldorf eine Praxis für klinische Zellbiologie und | |
| wird als einer dieser Experten gelistet. Er investiere viel Arbeit in seine | |
| Beiträge für die Seite, sagt er, und zahle, damit Patienten ihn finden – | |
| nicht aber, um als Experte gelistet zu werden. „Ich habe eine Privatpraxis, | |
| die lebt vom Hörensagen“, sagt Fischer. Man müsse eben auch als Arzt | |
| Öffentlichkeitsarbeit machen. | |
| Das der Expertenstatus käuflich sei, lässt Anke Schmietainski, die | |
| Geschäftsführerin der AltaMediNet GmbH, die das Naturheilmagazin betreibt, | |
| nicht gelten. Der Arzt als Kunde zahle für den Aufwand des Magazins: Für | |
| ein Lektorat, das seine Texte prüft, bevor sie erscheinen, oder die | |
| Redaktion, die ihn verfasst, sagt sie. Man wolle mit dem Portal Patienten | |
| dabei helfen, eigenverantwortlich und informiert zu bleiben. Das | |
| Naturheilmagazin solle eine Ergänzung sein zu Schulmedizin und | |
| Wissenschaft. „Wir erheben nicht den Anspruch, dass unsere Wahrheit die | |
| richtige ist“, sagt Schmietainski. | |
| 23 Sep 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/konzept-fuer-nationa… | |
| [2] /Selbstdiagnose-per-Internet/!5171813 | |
| [3] /Krankheitssymptome/!5081961 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Scherndl | |
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